Thema des Tages

25-08-2021 07:20

Der deutsche Radarverbund - Teil 3

Nicht nur Niederschläge können mit dem Wetterradar gemessen werden.
Auch Bewegungen der Niederschlagspartikel lassen sich damit ableiten.
Aber wie kann man sich dies genau vorstellen?

Das Wetterradar ist heutzutage unverzichtbar geworden. Gerade im
Nowcasting, also bei einer Vorhersage von bis zu zwei Stunden, spielt
es eine große Rolle. Dabei kann beispielsweise die Verlagerung von
Niederschlagsgebieten abgeschätzt werden. Besonders im Sommer bilden
sich innerhalb von wenigen Minuten auch kleinräumige Gewitterzellen
mit starkem Niederschlag und hohen Windgeschwindigkeiten. Diese
können in der Fläche nur über das Wetterradar erkannt werden.
Außerdem hilft dieses bei der Abschätzung der Stärke der einzelnen
Gewitter. Damit gehört es zu einem der wichtigsten Bausteine des
DWD-Warnmanagements.


Wie bereits in Teil 2 zum deutschen Radarverbund beschrieben
(https://www.dwd.de/DE/wetter/thema_des_tages/2021/8/19.html), wird
bei einer Radarmessung vom Radarstandort aus ein sehr kurzer
elektromagnetischer Impuls im Mikrowellenbereich in eine bestimmte
Richtung ausgesendet. Dieser Impuls breitet sich nahezu mit
Lichtgeschwindigkeit aus. Trifft er auf seinem Weg durch die
Atmosphäre einen Streukörper, d.h. beispielsweise ein Niederschlags-
oder Staubpartikel, wird ein bestimmter Anteil des Impulses zum
Wetterradar zurückgestreut und dort registriert. Aus dem vom
Wetterradar empfangenen Signal kann aus der Laufzeit des Impulses auf
die Entfernung eines Niederschlagsgebietes und aus der Stärke des
rückgestreuten Signals auf die Niederschlagsart und -intensität
geschlossen werden. Gibt das Wetterradar von seinem Standort aus
Impulse in verschiedene Höhen und Richtungen ab, können
Niederschlagsgebiete im Umkreis dreidimensional analysiert werden.


Doppler-Radarsysteme haben aber noch einen weiteren Vorteil: Sie
nutzen den sogenannten "Dopplereffekt", um darüber hinaus auch
Informationen zur Geschwindigkeit der Niederschlagspartikel zu
ermitteln. Aber wie genau funktioniert ein solches
Doppler-Radarsystem?


Der ausgesendete Impuls lässt sich generell als schwingendes
Wellensignal mit gleichmäßigen Wellenbergen und -tälern beschreiben.
Die Frequenz des Signals beschreibt die Anzahl dieser Berge und Täler
in einem bestimmten Zeitintervall. Wird das Signal an einem ruhenden
Streukörper reflektiert, empfängt man am Radarstandort den
zurückgestreuten Anteil des Signals mit der gleichen Frequenz wie das
gesendete Signal. Bewegt sich der Streukörper jedoch auf den
Radarstandort zu, werden aufeinanderfolgende Wellenberge und -täler
jeweils einen kleinen Moment früher zurückgestreut. Dadurch wird am
Radarstandort im Vergleich zum gesendeten Signal in der gleichen Zeit
eine höhere Anzahl an Wellenbergen und -tälern registriert. Es liegt
also eine zeitliche Stauchung des Wellensignals vor (siehe Grafik A
unter https://www.dwd.de/DE/wetter/thema_des_tages/2021/8/25.html).
Folglich ist die Frequenz des rückgestreuten Signals höher als die
des gesendeten. Umgekehrt kommt es zu einer zeitlichen Dehnung des
Signals, also einer Frequenzerniedrigung, wenn sich ein Streukörper
vom Radarstandort entfernt. Diesen Effekt der Frequenzverschiebung
bezeichnet man als Dopplereffekt.


Akustisch kennt man ihn meist von vorbeifahrenden Polizei- oder
Krankenwagen. Während sich diese auf den ruhenden Beobachter
zubewegen, registriert dieser das ausgesendete Signal des
Martinshorns mit einer zeitlichen Stauchung, also einer erhöhten
Frequenz. Das Gehör nimmt eine höhere Tonlage wahr. Nachdem der
Krankenwagen den Beobachter passiert hat und sich von diesem
entfernt, ändert sich jedoch die Tonlage. Das vom Beobachter
registrierte Signal besitzt aufgrund des Dopplereffekts eine
niedrigere Frequenz, er nimmt eine tiefere Tonlage des Signals wahr.



Mithilfe der Frequenzunterschiede zwischen gesendetem und
rückgestreutem Radarsignal lassen sich nun beim Doppler-Radar die
Radialgeschwindigkeiten der Streukörper ableiten. Dabei ist zu
beachten, dass Partikel, die sich mit einer bestimmten
Geschwindigkeit genau auf das Radar zu bzw. vom Radar wegbewegen,
einen maximalen Radialwindgeschwindigkeitsbetrag aufweisen. Partikel,
die sich mit der gleichen Geschwindigkeit exakt tangential zum
Radarstandort bewegen, zeigen dagegen eine Radialwindgeschwindigkeit
von 0 m/s. Damit erhält man Aufschluss über die vorherrschenden
Windgeschwindigkeiten relativ zum Radarstandort und kann Aussagen
über potenzielle, am Boden auftretende Windböen treffen.


In Grafik B ist das Dopplerradarbild am Standort Flechtdorf am
29.03.2015 um 15 Uhr in 1000 m Höhe dargestellt. Dabei lassen sich
Windgeschwindigkeiten von 24,5 m/s bis zu 31,5 m/s (umgerechnet bis
zu 113 km/h) in Richtung des Radarstandorts (Mitte des Fadenkreuzes)
erkennen. Am Boden wurde beispielsweise in Düsseldorf westlich des
Radarstandorts eine Windböe von etwa 29 m/s (104 km/h) registriert,
was die Aussage des Doppler-Radars bestätigt. Anhand der Nulllinie
(lila eingefärbt) kann man die Windrichtung (siehe weißer Pfeil)
ableiten. Auf dieser Nulllinie bewegen sich die Streukörper
tangential zum Radarstandort.


Gibt das Radar nun von seinem Standort aus Impulse in verschiedene
Höhen und Richtungen ab, können Streukörper in einem Umkreis von 180
km in verschiedenen Höhen detektiert werden. Anschließend werden die
Informationen der gesendeten und empfangenen Radarstrahlen
zusammengetragen und ausgewertet. Damit lassen sie die
Windverhältnisse flächendeckend und in verschiedenen Höhen in einem
Radarbild darstellen.


Beim Deutschen Wetterdienst werden die Daten der Doppler-Radarsysteme
insbesondere im Hinblick auf sogenannte "Rotationsscherungen"
analysiert, die Aufschluss über rotierende Windsysteme geben.
Außerdem wird ein Algorithmus zur Mesozyklonenerkennung angewandt
(Mesozyklonen sind atmosphärische Wirbel mit einer horizontalen
Ausdehnung von rund 2 bis 10 km). Durch diese Verfahren können
beispielsweise Gewitterzellen mit rotierenden Aufwindsystemen
identifiziert werden (sogenannte "Superzellen"; siehe auch
www.dwd.de/lexikon). Rotierende Windsysteme, zu denen neben
Superzellen auch sogenannte "Bogenechos" gehören, sind mit erhöhtem
Risiko für das Auftreten von schadensträchtigen Wetterereignissen wie
Hagel, Starkregen, Böen und Tornados verbunden, und sind damit im
DWD-Warnmanagment auch von besonderer Bedeutung.


Das Doppler-Radar stellt somit ein nützliches Hilfsmittel zur
dreidimensionalen Erkennung von Niederschlagsgebieten und deren
Bewegung dar.

MSc.-Met. Sebastian Schappert
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 25.08.2021

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