Thema des Tages

18-09-2021 08:20

Ferne Verbindungen

Telekonnektionen spielen in der globalen Wetterküche eine große
Rolle. Die Rolle des Indisch-Ozeanischen Dipols (IOD) für die
Nordatlantikzirkulation (über NAO-Index) soll an einem konkreten
Beispiel erläutert werden.

Der mögliche Zusammenhang der Phase des Indisch-Ozeanischen Dipols
(IOD) mit den heftigen australischen Buschbränden in 2019 sowie das
Wirkungsprinzip des IOD wurde bereits im Thema des Tages vom
13.01.2020 behandelt
(https://www.dwd.de/DE/wetter/thema_des_tages/2020/1/13.html).

Im folgenden Beitrag soll kurz ein konkretes Beispiel möglicher
Fernwirkungen einer sehr starken positiven Phase des
Indisch-Ozeanischen Dipols im November 2019 erläutert werden.

Ein positiver IOD (siehe Grafik anbei) bedeutet positive Anomalien
der Meeresoberflächentemperaturen über dem Arabischen Meer (vor der
Afrikanischen Küste) und damit einhergehende verstärkte tropische
Konvektion mit häufigen Niederschlägen in diesen Gebieten (durch
Aufsteigen der Warmluft). Im Gegensatz dazu herrschen dann
verhältnismäßig niedrige Meeresoberflächentemperaturen im Bereich
Ozeaniens, was z.B. in Australien über Monate weitgehend trockene
Verhältnisse hervorruft (durch Absinken der Luft). In Bodennähe
erfolgt dort dann das Rückströmen der Luft nach Westen. Somit
herrschen in diesem Bereich beidseitig des Äquators verstärkte
östliche Winde vor (Passatwinde), die das Meereswasser in der Folge
oberflächlich abtransportieren und abkühlen (verstärkt in der Folge
durch nachrückendes kühleres Wasser aus tieferen Schichten).

Für den Winter 2019/2020, speziell für den Index der Nordatlantischen
Oszillation (NAO-Index, siehe Wetterlexikon:
https://www.dwd.de/DE/service/lexikon/Functions/glossar.html)hatte
diese sehr starke positive Phase des IOD zur Folge, das sich
ausgehend vom Indischen Ozean so genannte Wellenzüge polwärts und
ostwärts ausbreiteten, entsprechend über den Pazifik, Nordamerika bis
zum Atlantik (dort in abgeschwächter Form). Diese Wellenzüge
beinhalten den meridionalen (polwärts) und zonalen (ostwärts)
Transport von Wellenenergie in Form von Wärmeflüssen, die sogar die
saisonale Verteilung von Hoch- und Tiefdruckgebieten z.B. über dem
Atlantisch-Europäischen Raum, zeitweise beeinflussen können. In
diesem Fall könnte der IOD indirekt für die beobachtete persistentere
positive Abweichung des NAO-Index (nach Definition stärker
ausgeprägtes Azorenhoch, entsprechend kräftiges Islandtief) im Winter
2019/2020 gesorgt haben. Der fachlich interessierte Leser kann sich
gern in diesem Artikel aufschlussreiche Details und Grafiken
anschauen
(https://rmets.onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1002/asl.1005).
Diese beschriebene Wechselwirkung wird auch als "Troposphärische
Telekonnektion" bezeichnet.

Zudem gibt es auch eine "Stratosphärische Telekonnektion", die in
diesem Fall wie folgt funktioniert hat (siehe oben angeführtes
Paper): Der oben angesprochene Wellenzug, der zunächst den Pazifik
betrifft, sorgt dort grob gesagt durch polwärts gerichtete
Wärmeflüsse bodennah zunächst für eine positive Druckanomalie
(höherer Luftdruck) südlich von Alaska und den Aleuten-Inseln.
Dadurch wird das dort sonst oft ansässige und kräftige Aleutentief
deutlich geschwächt. Auf diese Art und Weise können sich ihrerseits
die vom Aleutentief normalerweise ausgehenden verstärkten vertikalen
Wellenflüsse (Wärmeflüsse) nicht wie gewohnt bis in die Stratosphäre
hin ausbreiten. Dies führt in der Folge zu einem anomal starken
stratosphärischen Polarwirbel (weil nahezu ungestört, wie beobachtet
im Winter 2019/2020), der dann als Kopplung mit der darunterliegenden
Troposphäre ebenso eine anomal positive NAO projizieren kann.

Das im verlinkten Paper demonstrierte numerische Modell-Experiment
zeigt eine gute Übereinstimmung sowohl mit den Reanalysedaten (z.B.
des EZMWF in Reading, UK) als auch mit den saisonalen
Multimodellvorhersagen in Bezug auf die Details beider hier
beschriebenen Telekonnektionspfade. Darüber hinaus sind diese Pfade
den gut dokumentierten troposphärischen und stratosphärischen
Telekonnektionspfaden sehr ähnlich, durch die auch die
EL-NINJO-Southern Oscillation (ENSO, siehe DWD-Wetterlexikon) unter
anderem die nordatlantische Zirkulation beeinflussen kann.

Dipl.-Met. Dr. Jens Bonewitz

Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 18.09.2021

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