Thema des Tages

21-10-2021 08:50

Klimaänderung anhand der Temperatur am Hohenpeißenberg

Klimaänderung, Ahr-Hochwasser, oder Fridays for Future sind große
Themen in Medien, Politik und Gesellschaft. In diesen Tagen findet in
Glasgow die 26. UN Klimakonferenz statt. Der Nobelpreis für Physik
wurde an die Klimaforscher Klaus Hasselmann und Syukuro Manabe, und
an den Mathematiker Giorgio Parisi verliehen. Vor ein paar Wochen
erschien der 6. Assessment Report des Intergovernmental Panel on
Climate Change. Die Reduktion von Treibhausgasen und die Milderung
von Auswirkungen der Klimaänderung sind gewaltige Aufgaben für die
nächsten Jahre und Jahrzehnte.

Auf dem Hohenpeißenberg werden seit 1. Januar 1781 durchgehend
meteorologische Messungen durchgeführt, bis November 1936 im
Pfarrgebäude, seit April 1940 im Observatoriumsgelände. Die
Hohenpeißenberger Temperaturmessreihe, von Januar 1781 bis heute,
gehört damit zu den längsten weltweit. Sie zeigt deutlich, dass die
mittlere Temperatur seit etwa 1980 kontinuierlich ansteigt (vgl. Abb.
1 in Grafik unten oder unter
www.dwd.de/DE/wetter/thema_des_tages/2021/10/21_Bild.png ). Heute ist
es auf dem Hohenpeißenberg rund 2°C wärmer als früher.

Ein neuer GAW (Global Atmosphere Watch)-Brief, der nachfolgend in
diesem Thema des Tages wiedergegeben wird, verdeutlicht die
Klimaänderung anhand dieser Daten. Mit der Erwärmung hat sich auch
die Häufigkeit warmer und kalter Tage verändert. Sommertage (>25°C)
kommen am Hohenpeißenberg heute 6-mal häufiger vor als früher. Kalte
Tage (<-10°C) kommen 3-mal seltener vor. Alle Klimasimulationen sagen
weiter steigende Temperaturen vorher und damit in Zukunft nochmal
deutlich mehr warme Tage und deutlich weniger kalte Tage.

[Es folgt der GAW-Brief Nr. 80 vom 19. Oktober 2021, der vom
Meteorologischen Observatorium Hohenpeißenberg herausgegeben wird und
unter https://www.dwd.de/DE/service/newsletter/form/gaw-brief/gaw-brief_nod
e.html kostenfrei abonniert werden kann:]

Abbildung 1 (siehe Grafik unten) zeigt die Klimaänderung anhand der
240 Jahre langen Hohenpeißenberger Messreihe der Temperatur (blaue
Kurven). Die Jahresmitteltemperatur hat in den letzten Jahrzehnten
gegenüber dem Zeitraum 1781 bis 1960 um rund 2°C zugenommen. Ab 1980
ist der Anstieg besonders deutlich. Ähnliche Anstiege zeigen die
mittlere Temperatur über Deutschland (rosa Kurven, ab 1881) und die
weltweite Mitteltemperatur (grüne, rote und lila Kurven). Die
Temperatur am Hohenpeißenberg ist sogar etwas stärker angestiegen als
über Deutschland. Beide sind deutlich mehr angestiegen als die
weltweite Temperatur. Am Hohenpeißenberg lag das langjährige Mittel
der Jahre 1990 bis 2020 um +1.7°C oberhalb des Mittels der Jahre 1781
bis 1960. Das Mittel der letzten Jahre lag sogar +2.6°C höher
(gestrichelte blaue Linien).

Was aber bedeuten 2°C Temperaturänderung? Von Tag zu Tag, vom frühen
Morgen zum Nachmittag hin, oder im Verlauf eines Jahres treten doch
viel größere Temperaturschwankungen auf. Drei Beispiele zeigen, dass
2°C Änderung der mittleren Temperatur drastisch sind: In der letzten
Eiszeit lag die globale Mitteltemperatur lediglich 6°C niedriger als
im letzten Jahrhundert. 2°C mehr in Deutschland bedeuten längere
Wachstumsperioden, z.B., dass Bäume heute 2 Wochen früher blühen und
austreiben. (Leider erhöht die frühere Blütezeit auch die Gefahr von
Nachtfrösten). Temperaturen in Süddeutschland sind heute so, wie
früher südlich der Alpen in Italien.
Gefährlich ist dabei weniger die Änderung der mittleren Temperatur
(oder des Niederschlags), sondern mehr die Zunahme extremer
Temperaturen (oder extremer Ereignisse). Beim mittleren Niederschlag
läuft ein Bach nicht über, wohl aber, wenn es extrem viel regnet.
Nicht die mittlere Temperatur belastet Menschen und Pflanzen, sondern
ungewöhnliche Hitze und Kälte.

Deswegen zeigt Abbildung 2a anhand von Über- und
Unterschreitungshäufigkeiten, wie oft am Hohenpeißenberg besonders
warme oder kalte Tage vorkommen. Die meisten Tage liegen zwischen
-5°C und +20°C. Früher (1781 bis 1960, ~65000 Tage) lag die
Tagesmitteltemperatur an 20% aller Tage über 13.5°C, an weniger als
2% aller Tage über 20°C (rosa Kurve). Heute (1990 bis 2020, ~11000
Tage) treten Tagesmittel wärmer als 15°C an rund 20% aller Tage auf,
wärmer als 20°C an mehr als 5% aller Tage (rote Kurve). Dabei hat
sich die Überschreitungshäufigkeit ziemlich genau um +1.7°C zu
höheren Temperaturen verschoben (rote und die rosa gestrichelte Kurve
fast gleich). Die Verschiebung entspricht der Zunahme des
langjährigen Mittelwerts in Abbildung 1.

Bei kalten Tagen hat sich die Häufigkeit ebenfalls verschoben
(hellblaue und dunkelblaue Kurven), wobei besonders kalte Tage,
kälter als -7°C, noch stärker abgenommen haben, als nach Verschiebung
der alten Kurve zu erwarten (blaue Kurve unterhalb der gestrichelten
hellblauen Kurve). Waren früher 2.4% aller Tagesmittel kälter als
?10°C, so trifft das heute nur noch für 1% der Tage zu.

Abbildung 2b verdeutlicht, wie dramatisch sich die Über- und
Unterschreitungshäufigkeiten von früher auf heute geändert haben.
Tage wärmer als 20°C kommen heute mehr als 2-mal so häufig vor wie
früher, Tage wärmer als 25°C mehr als 6-mal so oft (Abb. 2b, rote
Kurve). Bei kalten Tagen sind die Veränderungen noch größer (Abb. 2b,
blaue Kurve): Tage kälter als -5°C kamen früher 1.6-mal häufiger vor
als heute, Tage kälter als -15°C kamen früher 3 bis 10-mal häufiger
vor. Sehr kalte Tage, kälter als -18°C, gibt es heute praktisch nicht
mehr.

Alle Klimasimulationen sagen weiter steigende Temperaturen vorher und
lassen in Zukunft nochmal deutlich mehr warme Tage erwarten und
deutlich weniger kalte Tage, als in Abbildung 2 schon für den
Zeitraum 1990 bis 2020 (und den "kalten" Hohenpeißenberg mit fast
1000 m Höhe) erkennbar. Anpassung an diese Veränderungen und
Reduktion der verursachenden Treibhausgas-Emissionen sind enorme,
weltweite Aufgaben für die nächsten Jahre und Jahrzehnte.


Dr. Wolfgang Steinbrecht, Dr. Werner Thomas, Dipl.-Ing. Thomas Elste
(DWD Hohenpeißenberg)
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 21.10.2021

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