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09-12-2021 11:20

Ozon auch über der Arktis häufiger ausgedünnt

Forscher berichten, dass aufgrund veränderter Bedingungen in der
winterlichen Stratosphäre die Ozonkonzentration auch über der Arktis
saisonal teils deutlich geringer ausfällt. Mögliche Gründe werden
kurz dargelegt.

Der chemische Verlust von arktischem Ozon durch anthropogene Halogene
(wie Chlor oder Brom) ist temperaturabhängig, wobei in kalten
Wintern, die für die Bildung polarer stratosphärischer Wolken günstig
sind, ein größerer Verlust auftritt. In einem aktuellen
wissenschaftlichen Artikel aus 2021 (Nature Communications, unter
https://www.nature.com/articles/s41467-021-24089-6) wird gezeigt,
dass ein statistisch signifikanter Anstieg des Potenzials für die
Bildung von polaren stratosphärischen Wolken in kalten Wintern in den
meteorologischen Daten des letzten halben Jahrhunderts zu erkennen
ist. In der Stratosphäre ist der Wasserdampfgehalt der Luft sehr
gering, so dass sich keine herkömmlichen Wasserwolken bilden können.
Polare Stratosphärenwolken bestehen daher aus Kristallen von
Schwefelsäure oder Salpetersäure; bei extrem tiefen Temperaturen kann
sich um diese Säurekristalle noch ein Eismantel bilden. An den
Oberflächen der Kristalle können chemische Reaktionen ablaufen, die
für den Ozonabbau in der Stratosphäre verantwortlich sind.

Die Ergebnisse zahlreicher Zirkulationsmodelle (Computersimulationen
und -projektionen) zeigen ebenfalls positive Trends bezüglich polarer
Stratosphärenwolken im Zeitraum 1950 (Analyse bis dato) bis zum Jahr
2100 (Prognose), wobei die höchsten Werte am Ende des 21.
Jahrhunderts auftreten sollen, und zwar für Simulationen, die von
einem starken Anstieg des Strahlungsantriebs des Klimas durch
Treibhausgase (wie z.B. CO2 oder Methan) angetrieben werden.

Andererseits lassen sich die Ozonschwankungen im arktischen
Polarwirbel während des Winters und des Frühjahrs neben dem
erläuterten anthropogenen chemischen Verlust auch durch dynamischen
Antrieb erklären. Der chemische Verlust und die dynamische Zufuhr von
stratosphärischem Ozon (durch meridionale Zirkulationen) zeigen eine
große jahreszeitliche Variabilität, die von meteorologischen Faktoren
bestimmt wird. Kältere und damit stärkere stratosphärische
Polarwirbel gehen mit geringeren Werten des Gesamtozons in der
atmosphärischen Säule und größerem chemischen Ozonverlust (aufgrund
niedriger Temperaturen) einher. In den kältesten arktischen Wintern
werden die geringsten Ozonwerte in der Gesamtsäule (vertikal)
gemessen, was zum Teil auf einen größeren chemischen Verlust
zurückzuführen ist.

Welche Rolle könnte der Klimawandel hierbei noch spielen?

Ein Nebeneffekt der höheren Treibhausgaskonzentrationen in der
Troposphäre kommt hierbei zum Tragen. Nimmt ihr Gehalt dort zu, so
wirken die Treibhausgase wie eine Decke, die zwar nach unten hin
wärmt (Verhinderung der langwelligen Ausstrahlung aus der
Troposphäre), aber die Stratosphäre wiederum durch Ausstrahlung der
Treibhausgase nach oben hin abkühlt. Auch dadurch bedingt kann der
stratosphärische Polarwirbel im Winterhalbjahr sowohl stärker
ausgeprägt sein als auch im Frühjahr mitunter verspätet
zusammenbrechen.
Das Treibhausgas Methan kann zudem bis in die Stratosphäre aufsteigen
und dort die Luftfeuchtigkeit erhöhen, wie Forscher herausgefunden
haben. Das wiederum fördert die Bildung der polaren
Stratosphärenwolken zusätzlich und forciert somit indirekt den
chemischen Ozonabbau.
Diese beschriebenen negativen Effekte stellen somit einen
gegenläufigen Trend zum allmählichen Abbau der ozonzerstörenden
Substanzen (wie z.B. die bekannten FCKWs) dar. Und die Forscher sind
sich einig: je mehr Treibhausgas-Emissionen es gibt, desto mehr
Ozonabbau könnte das auch für die Zukunft bedeuten.


Dipl.-Met. Dr. Jens Bonewitz
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 09.12.2021

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