Thema des Tages

16-01-2022 09:50

Vom Himmel fallende Burgerbrötchen, Pilzhüte und Fallschirme

Fallende Regentropfen nehmen unterschiedlichste Formen an. Sie sehen
nur nicht so aus, wie man sich einen "typischen" Tropfen vorstellt.

"Ein großer Regentropfen hat - im Gegensatz zu seiner typischen
Darstellung - in Wirklichkeit oftmals eher die Form eines ...? A:
Pizzastücks, B: Dönerspießes, C: Hamburgerbrötchens, D:
Brathähnchens". So lautete vor einigen Wochen eine Frage in einer
bekannten Quizshow im deutschen Fernsehen. Vielleicht haben Sie die
Sendung auch gesehen und waren verwundert über diese doch ziemlich
skurrilen Antwortmöglichkeiten? Per Ausschlusskriterium könnte man
der Lösung der Frage womöglich ein Stückchen näherkommen. Aber was
steckt genau hinter der Form von fallenden Wassertropfen?

Die Entstehung von Regentropfen in der Atmosphäre ist ein derart
komplexer Prozess, sodass man ein eigenes Thema des Tages darüber
schreiben könnte. Beschränken wir uns heute nur auf das Wichtigste:
Eine Wolke besteht aus winzigen Wassertröpfchen und Eiskristallen.
Diese winzigen schwebenden Teilchen interagieren miteinander. Sie
fangen ihre Nachbarteilchen ein, verschmelzen zu größeren Gebilden,
ändern ihre Phase von flüssig zu fest (und umgekehrt) und können sich
auch wieder teilen. Sind die zusammengewachsenen Teilchen groß und
damit schwer genug, fallen sie aufgrund der Schwerkraft nach unten.
Größere Regentropfen waren im Laufe ihres doch recht kurzen "Lebens"
meist im oberen Bereich der Wolke zunächst ein Konglomerat aus
Schnee- und Eiskristallen, die beim Fallen in eine wärmere
Luftschicht weiter unten zu Wassertropfen schmelzen.

Die Form dieser Regentropfen kann ganz unterschiedlich aussehen. Um
eines gleich vorweg zu nehmen: die "typische" Tropfenform (oben
spitz, unten rund) wird man am Himmel vergeblich suchen. Tropfen sind
auch nicht länglich. Dass dies für den Beobachter so aussieht, liegt
daran, dass unser Auge nicht schnell genug ist, die fallenden Tropfen
nachzuverfolgen. Dies erweckt den Anschein, als ob Regentropfen wie
Nadeln vom Himmel fallen.

Das Aussehen eines Regentropfens hängt maßgeblich von seiner Größe
ab. Dabei spielen zwei auf den Tropfen wirkende Drücke die
entscheidende Rolle. Das wäre zum einen der Luftdruck, der auf die
Oberfläche des Tropfens wirkt, und zum anderen der Innendruck des
Tropfens, der diesen zusammenhält. Der Tropfeninnendruck hängt
wiederum von der Oberflächenspannung des Wassers, von seinem Radius
sowie dem äußeren Luftdruck ab (genaugenommen ist der Innendruck die
Differenz zwischen dem kapillaren Krümmungsdruck und dem von außen
wirkenden statischen Druck). Dabei ist der Innendruck umso größer, je
kleiner der Tropfen ist (bzw. umso stärker die Tropfenoberfläche
gekrümmt ist). Bei sehr kleinen Regentropfen von weniger als 1 bis 2
Millimetern (mm) Durchmesser ist der Innendruck viel stärker als der
auf den fallenden Tropfen wirkende Luftdruck. Der Tropfen behält
dadurch seine Kugelform bei. Nieseltröpfchen sind also nahezu
kugelförmig.

Das ändert sich bei stärkerem Regen mit Tropfendurchmessern von 2 bis
5 mm. Der Innendruck des Tropfens wird geringer. Gleichzeitig
verstärkt sich der Luftdruck, der auf den fallenden Tropfen wirkt, da
größere Tropfen schneller fallen als kleinere. Der Luftwiderstand an
der Unterseite des Tropfens führt daher zu einer Abplattung, während
die Oberseite in etwa halbkugelförmig bleibt. Der Tropfen nimmt also
die Form eines Burgerbrötchens an.

Wird der Regen noch stärker und die Tropfen noch größer, kommt es an
der Unterseite zu einer Eindellung; der Tropfen sieht dann wie ein
Pilzhut aus. Bei heftigem Platzregen (z.B. bei einem Gewitter) kommen
sogar Tropfen mit einem Durchmesser von bis zu 9 mm vor. Der
Luftwiderstand auf den mit hoher Geschwindigkeit fallenden Tropfen
ist dann so stark, dass dieser zu einem Fallschirm-artigen Gebilde
deformiert wird. Würde der Tropfen noch größer werden, könnte der
Innendruck des Tropfens dem Luftdruck nicht mehr standhalten. Der
"Fallschirm" wird instabil und zerreißt an der Oberseite in zwei
kleinere Tropfen. Regentropfen können also nicht beliebig groß
werden. Tropfen größer als 9 mm Durchmesser sind auf der Erde also
unter Normalbedingungen physikalisch nicht möglich.

Zurück zum Quiz: "C: Hamburgerbrötchen" war also die richtige Antwort
auf die gestellte Frage. Die Kandidatin entschied sich übrigens
intuitiv und ganz ohne fremde Hilfe für die richtige Antwort. Für die
physikalischen Hintergründe hat ihr Wissen aber nicht gereicht.


Dr. rer. nat. Markus Übel (Meteorologe)
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 16.01.2022

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