Thema des Tages

09-02-2022 08:20

Zwei neue Weltrekorde

Die meteorologische Weltrekordliste wurde vor kurzem durch zwei neue
Beiträge ergänzt. Beide Eintragungen betreffen Megablitze - und zwar
hinsichtlich maximaler Reichweite und längster Andauer.

Vor wenigen Tagen, mit Pressemitteilung vom 01.02.2022 (siehe
weiterführende Informationen unter https://t1p.de/dfbb4), bestätigte
die Weltorganisation für Meteorologie (WMO, World Meteorological
Organization) neue spektakuläre Weltrekorde. Bei zwei
Blitzentladungen, einer in Nord-, der andere in Südamerika, konnten
neue Höchstwerte gemessen bzw. beobachtet werden. Das für Wetter- und
Klimaextreme zuständige Komitee bediente sich dabei zur genauen
Beurteilung der Megablitze neuesten Satellitentechnologien.

Der nun längste jemals beobachtete Einzelblitz fand am 29. April 2020
im Süden der Vereinigten Staaten statt und legte eine horizontale
Distanz von 768 km zurück (bei einem Unsicherheitsbereich von +/- 8
km). Um diese Entfernung richtig einordnen zu können, muss man sich
vor Augen führen, dass dies ungefähr die Nord-Süd-Ausdehnung
Deutschlands, d.h. die Luftlinie zwischen Flensburg und der Zuspitze
ist. Der alte Rekord war um etwa 60 km kürzer (709 km) und trat am
31.10.2018 im südlichen Brasilien auf. Die Erhebungsmethodologie war
dabei identisch ("great circle distance" bzw. "Großkreismethode").

Der am längsten andauernde Blitz stammt ebenfalls vom amerikanischen
Kontinent, allerdings vom südlichen Teil. Dieser erhellte am 18. Juni
2020 den Himmel zwischen Uruguay und dem nördlichen Argentinien für
satte 17,102 Sekunden (von seinem Anfang bis zum Ende) mit einer
geringfügigen Messungenauigkeit von +/- 0,002 Sekunden). Damit blieb
der Rekord in Südamerika, denn auch der bis dahin gültige Rekordblitz
wurde in Argentinien mit 16,73 Sekunden gemessen (am 04. März 2019).

Natürlich sind Ereignisse solcher Dimension mit einem räumlich
limitierten bodengebundenen Messnetz, wie es seit vielen Jahre zur
Anwendung kommt, nur schwer zu detektieren. Daher extrahieren die
damit befassten Wissenschaftler ihre Erkenntnisse, wie auch sonst
häufig bei meteorologischen Untersuchungen, aus dem umfangreichen
Datenschatz der geostationären Satelliten. Diese beobachten die
Erdoberfläche und die Atmosphäre in einer Höhe von ca. 35 800 km Höhe
über dem Äquator, denn dadurch ist sichergestellt, dass sich der
Satellit relativ zur Erde nicht bewegt. Damit sind kontinuierliche
Untersuchungen eines gewünschten Zielgebiets möglich. Ein für solche
spezielle Zwecke konstruiertes Messgerät ist beispielsweise der sog.
"Lightning Mapper", der auf den US-amerikanischen GOES-16 und 17
(detektierten die Rekorde) sowie auf dem europäischen Pendant
Meteosat (dritte Generation, MTG) und einem chinesischen Satelliten
verbaut ist.

Selbstverständlich kommen solche Megablitze nicht bei einem
"gewöhnlichen" Gewitter vor, sondern sind eingebettet in große
Gewittersysteme, sogenannten "Mesoscale Convective Systems (MCS)".
Einige Regionen der Erde bieten besonders gute meteorologische,
klimatologische und topographische Randbedingungen für die Entstehung
solcher MCS. Unter anderem fallen darunter auch jene Regionen bzw.
angrenzenden Gebiete, in denen nun diese Megablitze aufgetreten sind,
wie das La-Plata-Becken in Südamerika und die Great Plains in den
USA.

Die neuesten wissenschaftlichen Methoden erlauben nun, die komplexen
Vorgänge bei einem Gewitter und die dabei entstehenden
Blitzentladungen auf einer globalen Skala in hoher Auflösung zu
untersuchen (sowohl Wolken-Erde-Blitze als auch jene innerhalb der
Wolken). Die daraus abgeleiteten Erkenntnisse dienen anschließend
dazu, die Auswirkungen und Gefahren von (Mega-) Blitzen neu
einschätzen zu können. Besonders Länder mit einer noch
eingeschränkten meteorologischen Überwachung werden davon besonders
profitieren. Aber auch für unsere Breiten sind solche Forschungen von
großem Nutzen, denn selbst in Deutschland sterben beispielsweise fast
jährlich Menschen durch Blitzeinschläge. Besonders gefährlich sind
dabei jene Blitze, die nicht in unmittelbarer Nähe zum Zentrum der
Gewitterzelle in den Boden einschlagen. Daher sind zum Beispiel schon
bei einem 10 km entfernten Gewitter schützende Bereiche aufzusuchen.

Zu den Untersuchungen erschien auch eine offizielle Publikation im
"Bulletin of the American Meteorological Society" (siehe Links unter
https://t1p.de/dfbb4).

Mag.rer.nat. Florian Bilgeri
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 09.02.2022

Copyright (c) Deutscher Wetterdienst