Thema des Tages

28-02-2022 11:50

Die Orkanserie im Jahre 1990 - Ein Vergleich mit Februar 2022

Die in kurzen Abständen aufeinander folgenden Orkantiefs der letzten
Wochen wecken Erinnerungen an die historische Orkanserie im Januar
und Februar 1990. Inwiefern kann man diese Wetterperioden miteinander
vergleichen?

Seit Ende Januar und bis vor wenigen Tagen erlebten wir mit kurzen
Unterbrechungen über dem Nordatlantik und Europa eine sehr
ausgeprägte Westwetterlage. Angetrieben von einem starken Jetstream
(Starkwindband in etwa 10 Kilometern Höhe) rauschten Tiefs wie am
Fließband über Europa hinweg und brachten uns nasses und teils
stürmisches Wetter - eine Wetterlage prädestiniert für ausgewachsene
Orkane. Ende Januar machte Orkantief NADIA den Anfang und blies im
Norden und Nordosten Deutschlands mit Böen zwischen 90 und 100 km/h
(Beaufort 9-10), an den Küsten gab es Orkanböen über 120 km/h (Bft
12). Auch im Februar ging es stürmisch weiter. Richtig spektakulär
wurde es ab dem 17. Februar, als kurz hintereinander die Orkantiefs
YLENIA und ZEYNEP für Furore sorgten. YLENIA fegte mit Böen zwischen
90 und 110 km/h (Bft 10-11) über weite Teile Deutschlands hinweg. An
den Küsten, vereinzelt auch im Binnenland, kam es zu Orkanböen über
120 km/h. ZEYNEP suchte vor allem den Norden mit verbreiteten Böen
zwischen 100 und 140 km/h heim und bescherte Hamburg die erste "sehr
schwere Sturmflut" seit 2013. ANTONIA komplettierte die Serie mit
einem stürmischen Kaltfrontdurchgang in der Nacht zum 21. Februar.

Dem Autor kam dabei die bisher stärkste Orkanserie seit Messbeginn
aus dem Jahre 1990 in den Sinn, an die er sich (damals im
Kindergartenalter) aber nur noch in wenigen Bruchstücken erinnern
kann.

Los ging es auch seinerzeit Ende Januar. Orkantief DARIA zog über die
Britischen Inseln, erreichte über der Nordsee einen Kerndruck von
etwa 945 hPa und wütete am 25. und 26. Januar vor allem in der
Nordwesthälfte Deutschlands und Teilen der Mitte mit verbreiteten
Böen zwischen 110 und 150 km/h. Selbst über das Binnenland fegten
extreme Orkanböen (z.B. Aachen: 150 km/h, Bückeburg: 154 km/h)
hinweg, in Cuxhaven wurden 161 km/h erreicht und auf dem Brocken
wurden Böen bis 230 km/h gemessen. 94 Todesopfer in Europa, davon 8
in Deutschland, waren die traurige Bilanz des Orkans.

Bereits am 3. und 4. Februar zog Orkan HERTA als Schnellläufer
(kleinräumiges, sehr schnell ziehendes Tief) von der Biskaya über den
Ärmelkanal und Niedersachsen zur Ostsee. Südlich dieser Zugbahn fegte
ein heftiges Sturmfeld über den Süden, die Mitte und den Osten
Deutschlands hinweg. Bis ins Flachland kam es zu Böen zwischen 100
und 130 km/h, die vor allem im Saarland, in Rheinland-Pfalz und
Hessen große Schäden hinterließen. Selbst am Main wurden (extreme)
Orkanböen gemessen (z.B. Würzburg: 148 km/h, Offenbach: 133 km/h).
Sieben Tote und 770 Mio. Euro versicherter Schaden waren die Folge.

Das nächste Orkantief ließ nicht lange auf sich warten. JUDITH
brachte am 8. Februar dem Norden, Westen und der Mitte verbreitet
Böen zwischen 90 und 120 km/h oder mehr, auf dem Brocken wurden
erneut 230 km/h registriert. Am 14. und 15. Februar folgte
schließlich Orkan POLLY, dessen Sturmfeld Deutschland mit Ausnahme
des Nordostens überquerte. Besonders über den Südwesten und das
Alpenvorland zogen Orkanböen (z.B. Stuttgart-Echterdingen: 135 km/h),
auf dem Wendelstein wurden 200 km/h erreicht. POLLY hatte im Süden
auch heftigen Dauerregen im Gepäck. Es kam zu großflächigen
Überschwemmungen sowie einem Hochwasser an Saar, Mosel, Rhein und
Donau.

Den fulminanten Höhepunkt dieser Orkanserie bildeten aber die Orkane
VIVIAN und WIEBKE zwischen dem 26. Februar und dem 1. März. VIVIAN
zog am 26. und 27. Februar als Orkantief von Schottland über die
Nordsee nach Schweden, erreichte dort einen Kerndruck von etwa 940
hPa und hatte an der Südseite ein riesiges Sturmfeld im Schlepptau.
Durch den Orkan kamen 64 Menschen ums Leben, 15 alleine in
Deutschland. Hamburg musste gleich mehrere Sturmfluten verkraften und
zahlreiche Karnevalsumzüge mussten abgesagt werden. Nahezu landesweit
wurden Böen zwischen 100 und 140 km/h gemessen. Über die Nord- und
Ostseeküste traten über mehr als einen Tag lang extreme Orkanböen
(z.B. Strucklahnungshörn: 160 km/h), aber selbst im Binnenland traten
vergleichbare Böen auf (z.B. Hameln: 152 km/h). Am 27. Februar
verlagerte sich das Hauptsturmfeld in den Süden, wo ebenfalls extreme
Orkanböen (z.B. Friedrichshafen: 143 km/h) verheerende Schäden
anrichteten. Auf dem Wendelstein wurden unglaubliche 265 km/h
registriert.

Nach einer nur kurzen Verschnaufpause bildete sich am 28. Februar
über der Nordsee ein Randtief, das bis zum 1. März nach Polen zog. Es
war das letzte Orkantief dieser schlimmen Serie. Vor allem im Westen
und Süden Deutschlands sowie in den angrenzenden Nachbarländern tobte
ein weiterer schwerer Orkan. Böen zwischen 100 und 140 km/h oder mehr
verursachten schwere Verwüstungen, der versicherte Schaden in
Deutschland betrug wie schon bei Orkan VIVIAN 1,5 Mrd. Euro. Weitere
35 Todesopfer waren zu beklagen. Selbst in den Flussniederungen von
Rhein, Ruhr, Main und Donau kam es verbreitet zu Orkanböen (z.B.
Essen: 141 km/h, Würzburg: 135 km/h, Ulm: 143 km/h). In Waging am See
wurde sogar eine extreme Orkanböe von 155 km/h gemessen; Feldberg
(Schwarzwald), Zugspitze und Wendelstein erreichten über 200 km/h.

Wie wir eindrucksvoll erkennen, war die damalige Orkanserie eine ganz
andere Hausnummer als jene in diesem Winter. Beiden Wetterperioden
gemein war allerdings die stramme Westströmung, die milde und feuchte
atlantische Meeresluft zu uns schaufelte, was man auch gut an den
Monatsbilanzen festmachen kann. Mit 5,7°C war der Februar 1990 der
bisher wärmste seit Messbeginn und mit 100 mm fiel mehr als das
Doppelte des durchschnittlichen Monatsniederschlags. Der Februar 2022
war mit 4,4°C ebenfalls fiel zu mild und mit rund 80 mm deutlich zu
nass. Mit den Werten von 1990 kann er allerdings nicht mithalten, was
nochmals die Besonderheit der damaligen Wetterlage unterstreicht.
Bleibt zu hoffen, dass wir eine solch verheerende Orkanserie so
schnell nicht mehr erleben müssen.


Dr. rer. nat. Markus Übel (Meteorologe)
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 28.02.2022

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