Thema des Tages

31-03-2022 09:20

Niederschlagsradar

Woher wissen wir, wann es anfängt zu regnen? Zur Beantwortung dieser
Frage ist neben Wettermodellen das Niederschlagsradar in der heutigen
Kürzestfristvorhersage nicht mehr wegzudenken. Wie dieses Radar
funktioniert und welche Möglichkeiten es bietet, soll heute Thema
sein. .

RADAR ist die englische Abkürzung von RAdio Detektion And Ranging und
bedeutet im deutschen "funkgestützte Ortung und Abstandsmessung".
Zunächst diente das Radar nur militärische Zwecken und wurde erstmals
im 2. Weltkrieg zur Ortung von Schiffen und Flugzeugen im großen Stil
eingesetzt. Man machte sich dabei die Entdeckung von Heinrich Hertz
zunutze, der bereits 1886 herausfand, das metallische Gegenstände
elektromagnetische Wellen reflektieren. Während des 2. Weltkrieges
merkte man dann, dass auch Niederschlag Echos im Radar erzeugt. Nach
dem 2. Weltkrieg beschäftigten sich Wissenschaftler damit, diese
Niederschlagsechos herauszufiltern und spezielle Radarsysteme für die
Niederschlagsdetektion zu entwickeln.
Das Funktionsprinzip des Niederschlagsradars ist vergleichsweise
einfach. Ein Sender sendet gepulste Mikrowellen aus. Die Wellenlänge
ist so gewählt, dass diese Mikrowellen auf ihren Weg durch die
Atmosphäre an Niederschlagspartikel (Hydrometeore) wie Regentropfen,
Schneeflocken, Graupel und Hagel reflektiert und zum Radar
zurückgestreut werden. Anschließend wird das zurückgestreute Signal,
das nur einen Bruchteil der Energie des gesendeten Signals hat, am
Radar mithilfe einer Antenne empfangen und gemessen. Aus der
Antennenposition und der Laufzeit des Signals ergibt sich die
Position der reflektierenden Hydrometeore. Man weiß, dass sich die
Mikrowellen im Vakuum mit Lichtgeschwindigkeit fortbewegen. Dieser
Wert wird für die Atmosphäre noch mit dem Brechungsindex der Luft
korrigiert. Über die Laufzeit lässt sich nun die Entfernung
berechnen.

Die Radarbilder, die der Deutsche Wetterdienst von seinen 17
Radarmessstationen frei zur Verfügung stellt und auf diversen
Webseiten zu sehen sind, zeigen nicht direkt die
Niederschlagsintensität in l/m² in der Stunde, sondern zunächst nur
die entfernungskorrigierte Intensität des zurückgestreuten Signals.
Diese hat die Einheit "Dezibel" (dBZ). Die Skala ist logarithmisch,
das heißt 2 dBZ sind die 10-fache Intensität wie 1 dBZ. Doch wie
lässt sich das interpretieren: Das Beispielbild zeigt eine
sommerliche Gewitterlage vom 25.07.2021. Die Farbskala ist an die
Skala in der Warnwetter-App angelehnt. Blaue Werte (1 bis 15 dB)
zeigen zumeist leichten Sprühregen oder nur ein paar Tropfen Regen.
Unter grün (~15 - 30 dB) kann man sich einen leichten bis mäßigen
Landregen vorstellen, der bei Gelb (ab 30 dB) schon in kräftigere
Intensität übergeht. In diesem Fallbeispiel sieht man dies an den
kräftigeren Schauern zwischen Alb und Allgäu. Interessant wird es,
wenn die Farbe ins Rot geht. Dies bedeutet Reflektivitäten von über
45 dBz, die ausschließlich in Schauern und Gewittern erreicht werden.
Ab da nimmt das Starkregenpotenzial deutlich zu. Am auffälligsten ist
dies in diesem Beispiel im Gewitterkomplex über Südbayern der Fall.
An seiner Südostseite geht die Refläktivität ins ?Blaue? (> 55 dBZ)
dies ist meist bei Hagel der Fall. Dieser blaue Bereich war in diesem
Fall einem größeren Hagelunwetter zuzuordnen. Die Schauer und
Gewitter in Mittel- und Norddeutschland sind weniger heftig. Die
Fläche mit roten und blauen Reflektivitäten ist dort viel kleiner.

Um nun die Niederschlagsintensität zu messen, ist eine Umrechnung des
empfangenen Signals in l/qm pro Stunde notwendig. Diese Umrechnung
wird durch die sogenannte Z-R-Beziehung bestimmt. Z steht hier für
die Reflektivität des empfangenen Signals (dBZ) und R für die
Regenrate (l/qm) pro Stunde. Diese Beziehung wurde durch langjährige
Messung empirisch gewonnen, ist aber besonders in Gewittern, die
Hagel enthalten auch zu einem gewissen Maße ungenau. Um die
Genauigkeit zu erhöhen, werden die aus dem Radar gemessen
Niederschlagsraten mit Stationsmeldungen verglichen und entsprechend
angeeicht. So lässt sich relativ genau die Niederschlagsmenge
flächendeckend bestimmen.

Die Niederschlagsradare haben allerdings noch ein viel größeres
Potenzial. Man kann die Radarbilder zeitlich animieren und bekommt
somit die Verlagerung des Niederschlags und kann damit z. B. die
Zugrichtung von Gewittern abschätzen. Mit einem mathematischen
Verfahren, das den "optischen Fluss" berechnet, lässt sich diese
Verlagerung sogar in die Zukunft projizieren, sodass je nach
Wetterlage recht genaue 15-minütige bis 1-stündige Vorhersagen
möglich sind. Der Deutsche Wetterdienst betreibt sogenannte
dual-polarimetrische Radare. Diese können über den Dopplereffekt
sogar die Windgeschwindigkeit messen, den Wasser- und Eisgehalt einer
Wolke bestimmen und aus der Depolarisation sogar Aussagen darüber
treffen, ob eine Wolke Hagel, große oder kleine Tropfen, Graupel oder
Schnee enthält. Doch die Beschreibung dieser Radarsysteme wäre schon
wieder ein eigenes Thema des Tages*

Dipl.-Met. Christian Herold
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 31.03.2022

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