Thema des Tages

18-05-2022 10:50

Es droht Ungemach

Nachdem bereits schon zu Beginn der Woche Schauer und Gewitter für
unwetterartigen Starkregen gesorgt haben, steht uns das Gröbste erst
noch bevor. Am Freitag droht die überregional heftigste
Schwergewitterlage seit langem. Und auch der morgige Donnerstag hat
es bereits in sich.

Schwergewitterlagen sind im Mai an und für sich nicht völlig
außergewöhnlich. Die aktuelle Luftmasse bietet aber für die
jahreszeitlichen Verhältnisse sehr viel Zündstoff. Dies macht sich
schon alleine durch die heutigen (18.5.2022) und morgigen (19.5.2022)
Höchsttemperaturen bemerkbar, die verbreitet bei etwa 30 Grad, im
Süden sogar teils bis 34 Grad liegen. Gleichzeitig wird an der
westlichen Flanke eines ausgeprägten Hochs über Osteuropa sehr
feuchte Luft aus südlicher Richtung herantransportiert.

Am morgigen Donnerstag gerät diese Luftmasse in den Einflussbereich
einer Bodentiefentwicklung über Nordwestdeutschland und wird dadurch
"aktiviert". In den Nachmittagsstunden bilden sich in der
Nordwesthälfte Deutschlands teils heftige Gewitter. Dabei deuten
einige Modelle die Möglichkeit einer geschlossenen Gewitterlinie an,
die im Laufe des Abends und der Nacht ostwärts zieht. Andere Modelle
wiederum präferieren die Bildung einzelner, aber sehr starker
Gewitterzellen. Das größte Schadenspotential geht dabei einmal mehr
von auftretendem Starkregen aus. Die Luftmasse ist, wie bereits schon
angedeutet, ausgesprochen feucht mit bis zu 40 Litern pro
Quadratmeter Wassergehalt in einer gedachten Säule in der
darüberliegenden Atmosphäre. Diese Mengen können dann entsprechend
auch innerhalb kurzer Zeit als Starkregen fallen, womit man schon das
extreme Unwetterkriterium erfüllen würde. Neben dem Starkregen können
aber auch lokal heftige Fallböen mit Sturm- oder Orkanstärke
auftreten. Insbesondere im Falle einer organisierten Gewitterlinie
ist hier die Gefahr ziemlich groß, dass entlang dieser Linie heftige
Windgeschwindigkeiten auftreten, möglicherweise sogar im
dreistelligen km/h-Bereich, das heißt Windstärke Beaufort 11. Auch
größerer Hagel lässt sich nicht ausschließen, hier ist die Gefahr
besonders bei einzelstehen Zellen beziehungsweise Superzellen erhöht.
Diese Gewitter halten bis in die Nacht zum Freitag hinein an und
schaffen es dabei bis in die Mitte des Landes, bevor sie dann am
Freitagmorgen abklingen.

Richtig "böse" wird es aber am Freitag. Dann zieht ab Mittag ein
neues, diesmal noch deutlich stärker ausgeprägtes Tief
voraussichtlich aus Richtung Niederlande über die nördliche Mitte
Deutschlands ostwärts. Gleichzeitig bietet die Luftmasse die
gleichen, oder sogar noch geeignetere Voraussetzungen als am Vortag.
Bedingt durch das Tief kommen aber noch deutlich erhöhte
Scherungswerte hinzu. Einerseits erhält man durch die bodennahe
Winddrehung deutlich erhöhte Richtungsscherung, andererseits nimmt
mit dem Tief auch der Wind in der Höhe rasch deutlich zu. Bereits in
einem Kilometer Höhe liegen die Windgeschwindigkeiten hier teils bei
über 100 Kilometern pro Stunde. Die Quintessenz: Es sind alle Zutaten
für ausgesprochen heftige und organisierte Gewitterentwicklungen,
insbesondere für Superzellen, vorhanden. Insbesondere bei der
Entwicklung von Superzellen sind die Zutaten für alle denkbaren
Begleiterscheinungen vorhanden. Einerseits wäre da zunächst einmal
mehr der extrem heftige Starkregen mit über 40 Litern pro
Quadratmeter in einer Stunde. Denkbar ist hier, dass bei
mehrstündiger Andauer des Starkregen örtlich Mengen der Größenordnung
100 Liter pro Quadratmeter fallen können. Weiterhin ist die Gefahr
von auftretenden Fallböen in Orkanstärke, den sogenannten Downbursts,
deutlich erhöht. Oft geht damit auch großer Hagel einher, das
bedeutet in diesem Falle Hagelkorngrößen von bis zu 5 Zentimetern.
Schlussendlich ist auch die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten von
Tornados deutlich erhöht. Die Zutaten von niedriger
Wolkenuntergrenze, bodennah sehr hohen Scherungswerten und ebenfalls
sehr hohen Werten der sogenannten sturmrelativen Helizität (für die
Experten unter unseren Lesern: diese liegen laut Modellen teils bei
über 300 m²/s²) sind alle in ausreichender Menge vorhanden.

Nicht außer Acht gelassen soll auch das Szenario der Bildung eines
mesoskaligen konvektiven Systems (kurz: MCS). Dabei handelt es sich
um einen riesigen Gewitterkomplex, der sich in seiner Dynamik mehr
oder weniger verselbstständigt. Hauptaugenmerk hierbei sind vor allem
auftretende Sturm- und Orkanböen sowie langanhaltender starker Regen,
der entsprechend für Überflutungen sorgen kann.

Vieles an der Entwicklung, von der größere Teile Deutschlands morgen
und am Freitag mehr oder weniger betroffen sein werden, ist aber -
wie so oft - noch unsicher. Insbesondere am Freitag hängt alles an
der Art und Weise der Ausprägung sowie der genauen Zugbahn des
verantwortlichen Tiefs. Es bleibt also ausgesprochen "spannend" und
es ist geboten, die Wetterentwicklung der nächsten 48 bis 60 Stunden
mit erhöhter Aufmerksamkeit zu verfolgen.

M.Sc. Felix Dietzsch
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 18.05.2022

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