Thema des Tages

19-05-2022 09:50

Heißer Sommer im Anmarsch?

Saisonale Vorhersagen sind mit relativ großer Unsicherheit behaftet.
Nichtsdestotrotz existieren indirekte Verbindungen über die
Jahreszeiten hinweg, ein Beispiel soll im Folgenden kurz erläutert
werden.

Saisonale Klimavorhersagen geben eine Prognose darüber ab, mit
welcher Wahrscheinlichkeit die kommenden Monate wärmer/kälter oder
auch trockener/feuchter als im langzeitlichen Mittel werden. Die
Kombination von numerischen Vorhersagen für die zukünftige Periode
mit zusätzlichen Vorhersagen aus der Vergangenheit erlaubt eine
gewisse statistische Bewertung der Prognosen und die Ableitung von
Trendaussagen auf Basis einer Klimatologie. Damit unterscheiden sich
die saisonalen Klimavorhersagen grundlegend von der Wettervorhersage,
welche Aussagen über detailliertes Wettergeschehen der nächsten
Stunden bis Tage trifft (siehe auch https://www.dwd.de/DE/forschung/klima_umwelt/klimavhs/jahreszvhs/jahr
eszvhs_node.html).

Bei einer Prognose über einen Zeitraum von mehreren Monaten sind
zudem alle Komponenten des Klimasystems zu berücksichtigen: nicht nur
die Troposphäre, sondern auch u.a. die Stratosphäre, die
Landoberfläche sowie der Ozean und das Meereis.

Ein solches Beispiel für einen möglichen Vorhersageparameter oder
auch Prädiktor für die sommerliche Zirkulation könnte die
Stratosphären-Troposphären-Kopplung im Frühjahr liefern, wie neue
Studien nahelegen. Dabei wird zur Vorhersage der sommerlichen
Nordatlantischen Oszillation (SNAO) mit der Erfahrung bzw. Statistik
der letzten Jahrzehnte (Hindcast oder nachträgliche Vorhersage mit
Klimadaten) agiert. Der primäre Prädiktor ist die Ausprägung des
Nordatlantischen Jetstreams im März, die mit dem Index der
sommerlichen nordatlantischen Oszillation mit einem
Korrelationskoeffizienten von 0,66 über den Zeitraum 1979-2018
korreliert hat. Demnach soll ein stark ausgeprägter nordatlantischer
Jetstream im März (ausgedrückt über den mittleren zonalen Wind in den
mittleren Breiten des Nordatlantik) mit mehr sommerlichen
Großwetterlagen NAO positiv korrelieren, d.h. grob gesagt hoher
Luftdruck über den Azoren und tiefer Luftdruck bei Island. Im Sommer
führte dieser Umstand stromab, also auch über Mittel- und Westeuropa
dazu, dass es bei einem sommerlich allgemein stärker mäandrierenden
Jetstream vorderseitig häufiger zum Zustrom sehr warmer Luftmassen
kommen könnte.

Der beiliegenden Grafik ist die Prognose der mittleren Abweichung der
2 m-Temperatur als Prognose für die Monate Juni, Juli und August
(EZMWF Reading) zu entnehmen. Über weiten Teilen Europas wird eine
deutlich positive Abweichung sichtbar, die in diesem Jahr mit einer
starken Ausprägung des Nordatlantik-Jetstreams bis Mitte März, also
vor der finalen Stratosphärenerwärmung korreliert.

Die Kopplung zwischen Stratosphäre und Troposphäre im Frühjahr (z. B.
nach einer finalen oder späten Stratosphärenerwärmung) spielt eine
wichtige Rolle bei der erweiterten Vorhersagbarkeit vom Frühjahr bis
zum Sommer, im Gegensatz zu der allgemeinen Erkenntnis, dass diese
dynamische Kopplung außerhalb der Wintersaison relativ inaktiv ist.
Diese Ergebnisse könnten gute Aussichten für eine sommerliche
saisonale Vorhersage des nordhemisphärischen Klimas bieten, die vor
allem dem Energie- und Gesundheitssektor aber auch der Landwirtschaft
zugutekommt.

Weitere Forschungen und Studien in dieser Hinsicht sind erforderlich,
um die beschriebenen Ergebnisse zu verstetigen.


Dipl.-Met. Dr. Jens Bonewitz
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 19.05.2022

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