Thema des Tages

14-08-2022 12:20

Gute Voraussetzungen für eine überdurchschnittliche Hurrikansaison


Im Zeitraum von August bis Oktober erreicht die atlantische
Hurrikansaison üblicherweise ihren Höhepunkt. Die derzeitigen
atmosphärischen und ozeanischen Bedingungen sprechen weiterhin für
eine sehr aktive Wirbelsturmaktivität.

Im Mai haben wir an dieser Stelle (siehe Thema des Tages vom
20.05.2022: https://t1p.de/ulycl) auf die ersten saisonalen
Vorhersagen zur diesjährigen Hurrikansaison geschaut. Die Saison ist
dabei vom National Hurricane Center (NHC) der NOAA (National Oceanic
and Atmospheric Administration) auf den Zeitraum vom 01. Juni bis 30.
November festgelegt worden. Im Juni und Juli haben sich insgesamt
bisher drei benannte tropische Stürme gebildet (Alex, Bonnie und
Colin). Für diesen Zeitpunkt in der Saison liegt diese Anzahl etwa im
Durchschnitt. Die erste Augusthälfte blieb bisher noch ohne benannten
Sturm. Aber wir steuern ohnehin erst auf den jahreszeitlichen
Höhepunkt der Hurrikansaison zu. Im Allgemeinen wird die
Spitzenaktivität erst in den Monaten von August bis Oktober, teils
bis in den November erreicht.

In den vorsaisonalen Prognosen wurde mit einer Wahrscheinlichkeit von
65 Prozent mit einer überdurchschnittlichen Aktivität der tropischen
Wirbelstürme im Atlantik und in der Karibik gerechnet. Sollte dies so
eintreffen, wäre 2022 das siebte Jahr in Folge mit einer
überdurchschnittlichen Sturmaktivität. Der aktualisierte NOAA
Prognoseausblick von Anfang August festigt die Wahrscheinlichkeit für
eine überdurchschnittliche Wirbelsturmbildung, wenngleich sie mit
nunmehr 60 Prozent leicht zurückgeschraubt wurde, gefolgt von einer
leicht gestiegenen 30 prozentigen Chance auf eine nahezu normale und
einer nur 10 prozentigen Chance auf eine unterdurchschnittliche
Saison. Dementsprechend wird in dieser Saison von 14 bis 20 benannten
Stürmen, einschließlich der drei bereits registrierten im Juni und
Juli, ausgegangen. Von jenen sollen sich etwa 6-10 zu Hurrikanen und
davon wiederum 3 bis 5 mit einer größeren Intensität (Kategorie 3
oder höher) entwickeln. Die genaue Vorhersage der Anzahl, des
Zeitpunktes sowie der Zugbahn und Stärke von Tropenstürmen und
Hurrikanen hängt letztlich von den täglichen Wettermustern, den Orten
der Sturmentstehung und den Steuerungsmustern ab. Diese Muster sind
Wochen oder gar Monate im Voraus nicht vorhersehbar. Es handelt sich
daher zunächst um eine Potentialabschätzung. In einer saisonalen
Prognose ist es daher nicht möglich zuverlässig vorherzusagen, ob ein
bestimmter Ort in dieser Saison von einem Wirbelsturm betroffen sein
wird.

Die nur leichten Verschiebungen in den Wahrscheinlichkeitsaussagen
zur Hurrikanaktivität zeigen, dass insgesamt die Grundzutaten für
eine regere Aktivität im Vergleich zur Maiprognose erhalten geblieben
sind. Die gegenwärtigen atmosphärischen Bedingungen in der
Hauptentwicklungsregion im Atlantik sind im Allgemeinen günstig für
die Entwicklung von Hurrikanen und einige dieser Bedingungen werden
voraussichtlich in den Monaten August bis Oktober anhalten. Die
Hauptentwicklungsregion erstreckt sich über den tropischen Atlantik
und das Karibische Meer. Für eine aktive Hurrikansaison spricht
außerdem die in diesem Jahr außerordentlich überdurchschnittliche
Aktivität des westafrikanischen Monsuns. Die dort entstehenden
tropischen Wellen laufen in der Regel in den Ostatlantik aus. Diese
Wellen begünstigen dann die Entwicklung von tropischen Stürmen und
Hurrikanen.

Auch auf den tropischen Pazifik gilt es zu schauen, um die Prognose
der Hurrikanaktivität zu präzisieren. Die bereits vor der Saison
aktive La Nina Phase (periodische Abkühlung des tropischen Ost- und
Zentralpazifiks) hält mit über 60 Prozent Wahrscheinlichkeit auch in
den nächsten drei Monaten an. Für ein Umkippen in die El Nino Phase
besteht praktisch keine Chance. La Nina ist nicht nur förderlich für
eine regere Sturmsaison im Atlantik, sondern erhöht auch die Chance
für intensivere, größere Hurrikane der Kategorie 3 oder höher. So
wird durch die La Nina Konfiguration im Atlantik in aller Regel eine
verringerte vertikale Windscherung (Richtungs- und
Geschwindigkeitsänderung mit der Höhe) und eine höhere Instabilität
der Atmosphäre gefördert. Beide Bedingungen sind förderlich damit
sich Gewitterwolken stärker zusammenballen und zu einem Wirbelsturm
formieren können.

Ein Faktor der gegebenenfalls eher für eine normale Hurrikansaison
sprechen könnte, ist die derzeitige Meeresoberflächentemperatur. Ab
einer mehr als 27 Grad warmen Meeresoberfläche wird durch Verdunstung
besonders effektiv Energie und tropische Feuchtigkeit für die
Entwicklung von tropischen Systemen bereitgestellt. Die aktuelle
Meeresoberflächentemperatur im tropischen Atlantik und der Karibik
liegt derzeit über 27 Grad (siehe Abbildung: https://t1p.de/k32l0).
Damit bewegen sie sich nur leicht über dem langjährigen Durchschnitt.
In den letzten zwei Monaten waren sie phasenweise sogar leicht
unterdurchschnittlich. Die aktuellen Prognosen der
Meeresoberflächentemperatur gehen für den Rest der Saison auch eher
von Werten nahe dem Durchschnitt aus. In der Maiprognose wurde noch
eine deutlich überdurchschnittliche Meeresoberflächentemperatur
erwartet.

Nichtsdestotrotz ist in der Zusammenschau der beschriebenen Faktoren
noch genügend Potential für eine aktive Hurrikansaison in den
nächsten rund drei Monaten vorhanden. Sobald die Saison Fahrt
aufnimmt, werden Sie sicher an dieser Stelle über besonders
ausgeprägte oder schadensträchtige Wirbelsturmexemplare lesen können.



M.Sc.-Met. Sebastian Altnau
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 14.08.2022

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