Thema des Tages

05-09-2022 12:50

Gordon Bennett Cup 2022

Am Freitag, den 02. September 2022 startete in St. Gallen (Schweiz)
der "Coupe Aéronautique Gordon Bennett". Das wohl wetterabhängigste
Rennen der Welt bei dem man nicht weiß wie lange es dauert oder wo
das Ziel ist.

Der Gordon Bennett Cup oder "Coupe Aéronautique Gordon Bennett", ist
die älteste Luftsportveranstaltung der Welt und wurde von James
Gordon Bennett Jr. ins Leben gerufen. Er war Zeitungsverleger des
"New York Herald", aber vor allem auch Abenteurer und sorgte mit
privat finanzierten Expeditionen selbst für seine Schlagzeilen. So
initiierte er einen Wettbewerb für Gasballone dessen erster Wettkampf
1906 vom Jardin des Tuileries in Paris aus startete. Die Regeln des
Wettkampfes sind einfach. Es kommt nicht auf die Geschwindigkeit an,
es gibt auch kein eindeutiges Ziel. Gewonnen hat die Mannschaft mit
größtmöglicher Distanz (Luftlinie) zwischen Startplatz und Landung,
egal wie lange sie dafür brauchen.

Es gibt zwei verschiedene Arten von Ballonen - Heißluftballone und
Gasballone. Warum ein Ballon überhaupt steigt, schwebt und wieder
sinkt liegt am archimedischen Prinzip. Dabei spielt die mittlere
Dichte des gesamten Konstrukts (Ballonhülle, Luft/Gas in der
Ballonhülle, Korb, Besatzung) die entscheidende Rolle. Bei
Heißluftballonen sorgt die Erwärmung der Luft innerhalb der
Ballonhülle für eine geringere Dichte, sodass der Ballon einen
Auftrieb erfährt. Kühlt sich die Luft im Ballon ab, sinkt er wieder
zu Boden. Der Pilot kann also mit der Erwärmung der Luft den Auftrieb
kontrollieren. Gasballone hingegen haben eine geschlossene
Ballonhülle, die mit Wasserstoff gefüllt wird. Wasserstoff hat eine
geringere Dichte als das Luftgemisch der Troposphäre und steigt somit
auf. Damit hier der Pilot das Aufsteigen und Absinken kontrollieren
kann, lässt er entweder Gas ab zum Sinken oder er wirft Ballast ab
(in der Regel Sand) um das Eigengewicht zu reduzieren und damit zu
steigen.

Im Gegensatz zu anderen Luftfahrzeugen kann ein Ballonfahrer also nur
die vertikale Bewegung steuern und nicht direkt in der Horizontalen
manövrieren. Der Ballon fährt immer mit dem Wind, er fliegt also
nicht (er hat ja auch keine Flügel). Daher ist es für die Piloten
enorm wichtig, sich ständig über die aktuellen Wind- und
Wetterverhältnisse zu informieren. Da bei dem Rennen jeder mehr oder
weniger mit demselben Equipment fährt (jeder Ballon darf nur maximal
ein Volumen von 1000 Kubikmeter haben), spielt das Geschick des
Piloten und die Beratung des Meteorologen die entscheidende Rolle.
Jedes Team hat dabei seinen eigenen "Wetterfrosch" in seinem
Unterstützungsteam.

"Bereits im Vorfeld des Rennens werden mehrere Vorwärtstrajektorien
gerechnet um die optimale Route herauszufinden. Dabei spielt vor
allem auch die Modellkonsistenz eine Rolle, da der Wettkampf ja über
mehrere Tage gehen kann.", sagt Diplom Meteorologin Heidi Schmid, die
mit ihrer jahrelangen Erfahrung in der meteorologischen Ausbildung
und auch selbst als Ballonpilotin das österreichische Team AUT-1
berät. Die Wetterberatung erfordert einiges an meteorologischem
Wissen, geographischen Kenntnissen und auch Fachwissen über das
Luftgerät. Der mitgenommene Ballast ist dabei der limitierende
Faktor. Wenn der Ballast ausgeht, ist die Fahrt zu Ende. Es gilt also
nicht nur die Route mit den stärksten Windgeschwindigkeiten zu
finden, sondern auch die ballast-sparsamste. So erfordert zum
Beispiel ein nächtliches Aufsteigen mehr Ballastabwurf als ein
Aufsteigen in den Frühstunden. Wenn die ersten Sonnenstrahlen die
Ballonhülle erreichen, erwärmt sich das Gas und die Dichte wird
geringer. Das heißt der Ballon erfährt automatisch Auftrieb. Auch ein
"Schwimmen" auf einer Inversion kann da von Vorteil sein, denn eine
Inversion bedeutet auch immer ein Dichtesprung in der Atmosphäre. All
diese taktischen Überlegungen machen den Wettbewerb für Piloten und
Meteorologen so spannend.

Dieses Jahr starteten 17 Teams aus acht verschiedenen Nationen. Der
Startplatz lag im schweizerischen St Gallen. Die Wetterbedingungen am
Start waren nicht ganz einfach. Eine Tiefdruckrinne entwickelte sich
von den Britischen Inseln nach Südfrankreich. Am Nachmittag sollte
diese Schauer- und Gewitterträchtige Zone auch die Schweiz erreichen.
Zum Glück konnte der geplante Starttermin noch vor der Schauer- und
Gewitterlinie planmäßig um 16 Uhr stattfinden. Zunächst war das
Teilnehmerfeld noch dicht beieinander und fuhr mit der Höhenströmung
ostnordostwärts über den südlichen Bodensee in Richtung Allgäu. Doch
schon bald gab es den ersten Ausreißer. Das Team von AUT-1 stieg in
größere Höhen auf, in diesem Level herrscht ein stärkerer Wind vor,
der zudem den Ballon auf eine südlichere Zugbahn brachte als den Rest
des Feldes. Am Abend ging es in einer Höhe von über 3500 Metern auf
der Führungsposition über die Zugspitze. Die Strategie dahinter:
Möglichst schnell, möglichst viel Strecke zu machen um eine lange
Fahrt über mehrere Tage zu vermeiden.

Das Leben in einem Ballon ist nämlich nicht gerade luxuriös. Essen,
Trinken, warme Kleidung, Sauerstoffflaschen (wenn man in größeren
Höhen unterwegs ist), sowie Funkgeräte mit genügend Stromkapazität
muss alles mit in den Korb. Eine Zwischenlandung ist nicht erlaubt.
Es gibt ein kleines Türchen im Korb das sich öffnen lässt, damit man
beim Schlafen die Füße raushängen kann. Das klingt alles andere als
gemütlich. Einige Teams sind aber hartgesotten. Für sie zählt nur der
Sieg. Dafür braucht man bei der aktuellen Wetterlage eine andere
Strategie. Am Rande eines schwachen Höhenrückens, der sich vom
Mittelmeer nach Osteuropa erstreckte, fuhren sie weiter in
südöstliche Richtungen über Österreich hinweg in Richtung Serbien.

Am Sonntag wurde es dann zunehmend schwierig mit dem Weiterkommen.
Über Serbien, Rumänien bzw. Bulgarien waren kaum Luftdruckgegensätze
auszumachen, sodass vor allem in der unteren Atmosphäre nur geringe
Windgeschwindigkeiten vorherrschten. Die Strategie hier heißt dann
"Abwarten und Tee trinken" oder was man halt so im Korb noch hat.
Denn für Montag war eine Wetterumstellung in Aussicht. Der Rücken
sollte sich verstärken und somit die Windgeschwindigkeiten wieder
zunehmen. Bei gleichzeitiger Winddrehung auf Süd, wäre eine Landung
auf Kreta möglich gewesen. Doch in der Nacht zum Montag ist die
Entscheidung anders ausgefallen. Die Gefahr von Gewittern auf dem Weg
nach Griechenland war zu hoch. Am heutigen Montag sind die letzten
Ballone zu Boden gegangen. Das Sieger-Team GER-3 mit den Piloten
Wilhelm und Benjamin Eimers kommt aus Deutschland und landete in den
Frühstunden in Bulgarien 1572 km vom Startplatz in St Gallen
entfernt. Damit wird der Gordon Bennett Cup 2024 von Deutschland
(2023 nochmals in der Schweiz) aus starten, was bestimmt viele
Ballonsport-Fans und Flugmeteorologen freuen wird.


MSc Sonja Stöckle
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 05.09.2022

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