Thema des Tages

09-12-2022 15:20


Wetter aktuell
"Vb" oder nicht? Entscheide dich Birgit!

Tiefdruckkomplex BIRGIT verläuft derzeit von der Iberischen Halbinsel
bis ins südliche Mitteleuropa. Ein Teil davon könnte eine recht
pikante Zugbahn einnehmen, die sogenannte "Vb"-Zugbahn (sprich:
fünf-b). Mehr dazu lesen Sie im heutigen Thema des Tages.

Der deutsche Meteorologe Wilhelm Jacob van Bebber hatte bereits 1891
festgestellt, dass sich bestimmte Zugbahnen von Tiefdruckgebieten
über Europa wiederholen. Van Bebber nummerierte die am häufigsten
vorkommenden Zugbahnen mit den römischen Ziffern I bis V, wobei in
Mitteleuropa bei uns Meteorologen bis heute vor allem die Zugbahn
"Vb" ein Begriff ist.

Das liegt vor allem daran, dass diese Wetterlage häufig mit kräftigen
und lang anhaltenden Niederschlägen verbunden ist. Eine ausgeprägte
Vb-Lage führte beispielsweise zum Elbehochwasser 2002. Bei diesem
Ereignis wurden im Erzgebirge (Zinnwald-Georgenfeld) am Morgen des
13.08. unvorstellbare 312 l/qm gemessen, wohl gemerkt innerhalb von
24 Stunden. Das ist bis heute die größte Tagesregenmenge seit Beginn
routinemäßiger Wetterbeobachtungen in Deutschland. Auch das
Oderhochwasser von 1997 ist auf eine solche Wetterlage
zurückzuführen.

Wie sieht denn nun eine Vb-Lage aus? Typischerweise liegt in höheren
Luftschichten eine weit nach Süden gestreckte Tiefdruckzone über
West- und Mitteleuropa, die kalte Luft in den westlichen
Mittelmeerraum transportiert. Dieser Kaltluftvorstoß sorgt für die
Entstehung eines bodennahen Tiefs im Bereich Golf von Genua,
Oberitalien und nördliche Adria. Das neu entstandene Tief wird
klassischerweise in einem Bogen um die Alpenostseite herum weiter
nach Norden über Tschechien und Polen gesteuert und landet letztlich
zumeist in Skandinavien oder dem Baltikum.

Da sich Tiefdruckgebiete auf der Nordhalbkugel gegen den
Uhrzeigersinn drehen, führt unser hier beschriebenes Vb-Tief auf
seiner Ostflanke aus Süden sehr feuchte und warme Mittelmeerluft mit
sich. Diese wird dann häufig auch noch weiter um das Tief
herumgeführt und kann somit auch in die Osthälfte Deutschlands
gelangen, wo sie auf eine deutlich kühlere Luftmasse trifft. Die
warme Luft gleitet auf die vor ihr befindliche kalte Luftmasse auf,
was zu kräftigen und lang anhaltenden Niederschlägen führt. Besonders
heftig können diese im Stau der östlichen Mittelgebirge sowie der
Alpen ausfallen.

Jetzt muss es sich bei den Niederschlägen nicht zwangsläufig um Regen
handeln, sondern es kann auch durchaus Schnee gemeint sein. Und damit
wären wir wieder bei der aktuellen Wetterentwicklung beziehungsweise
bei BIRGIT. Dieser Tiefdruckkomplex besteht aus mehreren
kleinräumigen Kernen, von denen wir uns im Folgenden auf dasjenige
über der Iberischen Halbinsel fokussieren wollen (der Einfachheit
halber bezeichnen wir hier nur dieses eine Tief mit BIRGIT). Nach
aktuellem Stand soll BIRGIT am morgigen Samstag über Mittelitalien
liegen und am Sonntag in Südosteuropa ankommen. Dort schlägt BIRGIT
eine nördliche Route ein und erreicht am Montag unter Verstärkung in
etwa das Baltikum.

Das ähnelt schon etwas einer Vb-Zugbahn. Letztlich verläuft sie aber
doch etwas zu weit südlich und östlich, als dass die östlichen und
südöstlichen Landesteile von großen Schneemengen betroffen wären. Das
sah gestern Vormittag zum Teil noch anders aus, als die Zugbahn von
BIRGIT noch etwas näher an Deutschland gerechnet wurde. Während zum
Beispiel für die Regionen südlich der Donau für kommenden
Sonntagmorgen eine Gesamtschneehöhe von 5 bis 10 cm und am Alpenrand
10 bis 20 cm prognostiziert wurde, sind es - Stand heute - gerade mal
noch 1 bis 5 cm südlich der Donau und 5 bis 10 cm am Alpenrand.
Ebenfalls eine 10 bis 20 cm dicke Schneedecke wurde für Montagmittag
zwischen Westerzgebirge und Lausitz vorhergesagt, mittlerweile sind
es gerade einmal noch rund 5 cm und nur in den Staulagen
beziehungsweise Hochlagen des Erzgebirges um 10 cm.

Durch die gestern noch prognostizierte "nähere" Zugbahn wäre zudem
auch der Wind deutlich stärker gewesen mit Sturmböen an der Ostsee
und im östlichen Bergland, was zum Teil enorme Verwehungen mit sich
gebracht hätte. Doch auch das scheint vom Tisch zu sein,
beziehungsweise sich auf die Kammlagen des Erzgebirges zu
beschränken.

Für den Fall, dass Sie nun vielleicht etwas enttäuscht sind, weil Sie
sich auf etwas mehr Schnee gefreut haben, gibt es noch Hoffnung: Das
letzte Wort ist sicherlich noch nicht gesprochen. Das Tief muss sich
einfach "nur" etwas mehr an die klassische Vb-Zugbahn halten.

Die Bilder zum heutigen Thema des Tages finden Sie wie immer im
Internet unter www.dwd.de/tagesthema.


Dipl.-Met. Tobias Reinartz
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 09.12.2022

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