Thema des Tages

12-12-2022 14:50


Wetter aktuell
Grenzwetterlage

In den kommenden Tagen trifft über dem Süden Deutschlands Warmluft
auf Kaltluft, es bildet sich eine sogenannte Grenzwetterlage. Was es
damit auf sich hat wird im heutigen Thema des Tages erläutert.

Aktuell präsentiert sich der Winter bei uns von seiner ruhigen Seite.
Gebietsweise ist es sonnig, gebietsweise ziehen aber auch dichtere
Wolken durch. Dazu bläst das zuständige Hoch JULIAN II auch nicht zu
sehr die Backen auf, sprich der Wind ist nur sehr zurückhaltend
unterwegs.
Für den Norden und weite Teile der Mitte ist das auch die
Marschrichtung in den kommenden Tagen. Im Süden jedoch verspricht das
Wetter spannend zu werden. Denn Tief COLLEEN zieht von der Biskaya
nach Frankreich und steuert von Südwesten her deutlich mildere
Luftmassen in den Süden Deutschlands. In der Folge stellt sich dort
eine Wetterlage ein, die Meteorologen gerne als "Grenzwetterlage"
bezeichnen. Der Begriff betont die dominante Rolle, die bei einer
solchen Wetterlage von der vorhandenen (Luftmassen-) Grenze gespielt
wird.
Häufig, aber nicht notwendigerweise, unterscheiden sich die
Luftmassen an einer Luftmassengrenze durch ihre Temperatur. Und dies
ist auch am Mittwoch über dem Süden der Fall. Im unteren Teil der
Abbildung 1 sind entsprechend die Temperaturen in etwa einem
Kilometer Höhe angegeben. Während diese im Allgäu bei bis zu +6°C
liegen, sind es in Stuttgart etwa -2°C, in Nürnberg sogar -6°C (so
sagt es zumindest das der Abbildung zugrundeliegende Modell ICON-EU).
Der Temperaturgegensatz der Luftmassen ist also beträchtlich.

(Die Bilder zum heutigen Thema des Tages finden Sie wie immer im
Internet unter www.dwd.de/tagesthema!)

In der Folge, und das sieht man im oberen Teil der Abbildung, steigt
auch die Schneefallgrenze an. Sollte ICON-EU Recht behalten, so würde
entlang einer wie mit dem Lineal gezogenen Linie, die von Rust am
Oberrhein im Westen über Balingen und Dachau bis nach Mühldorf am Inn
im Osten verläuft, die Schneefallgrenze praktisch sprunghaft von null
auf etwa 1000 Meter ansteigen. Mit anderen Worten: Südlich dieser
Linie würde es regnen, nördlich dieser Linie schneien. Oder?
Tja, es ist leider nicht ganz so einfach. Denn die Schneefallgrenze
des Modells leitet sich von der am höchsten liegenden Nullgradgrenze
ab. Dass es davon nicht nur eine geben muss, sieht man in der zweiten
Abbildung. Sie zeigt für einen Punkt westlich von Freiburg (markiert
durch den roten Stern im unteren Teil der ersten Abbildung) den für
Mittwochmittag erwarteten Verlauf der Temperatur mit der Höhe.
Oberhalb von etwa 2 km Höhe weist die Atmosphäre durchweg negative
Temperaturen auf - je höher man kommt, desto kälter wird es. Zwischen
dem Erdboden und einer Höhe von zwei Kilometern schwankt die
Temperatur aber stark und weist keine klare Tendenz auf. Beginnt man
am Erdboden, also am untersten Punkt der dargestellten
Temperaturkurve, so geht die Temperatur erst etwas zurück, steigt
dann bis in eine Höhe von etwa einem Kilometer an, um dann wieder
zurückzugehen. Einen solchen Temperaturverlauf nennen Meteorologen
Inversion, wobei die bodennah tiefen Temperaturen gerne als "kalter
Fuß", das darüber liegende Temperaturmaximum dagegen als "warme Nase"
bezeichnet werden.

Aber was bedeutet diese Temperaturschichtung für den Niederschlag?
Der in der höheren Atmosphäre vorhandene Schnee fällt in die "warme
Nase" und schmilzt - vorausgesetzt, dass die "warme Nase" stark genug
ausgeprägt ist. Dann fällt der nunmehr flüssige Niederschlag in den
"kalten Fuß" und es bildet sich gefrierender Regen - vorausgesetzt,
dass der kalte Fuß stark genug ausgeprägt ist. Dabei ändert sich bei
der Grenzwetterlage die Ausprägung der "warmen Nase" und des "kalten
Fußes" von Nord nach Süd extrem schnell - die exakte Vorhersage der
Niederschlagsform ist folglich extrem schwierig. Hinzu kommt:
Gefrierender Regen wird natürlich auch dann beobachtet, wenn
flüssiger Niederschlag auf gefrorene Böden fällt. Und auch diese
Situation wird ab dem morgigen Dienstagabend eine Rolle spielen.
Zusätzlich zu all diesen kniffligen Detailbetrachtungen ist es auch
noch alles andere als einfach, eine präzise großräumige Vorhersage
mit der genauen Lage der Luftmassengrenze hinzubekommen. Summa
summarum werden die Prognosen der kommenden Tage für den Süden also
diffizil. Da kann man als Vorhersagemeteorologe schon mal einen
kalten Fuß bzw. kalte Füße bekommen.


Dipl.-Met. Martin Jonas
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 12.12.2022

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