Thema des Tages

14-10-2016 14:40

Dem nördlichen Mittelmeer droht Unheil durch BRIGITTE

Zum Verständnis einer Unwetterlage dieses Ausmaßes sind zahlreiche
meteorologische Parameter zu betrachten. Ausgangspunkt ist ein etwa
am 06.10.2016 östlich von Neufundland entstandenes großräumiges
Tiefdruckgebiet, das in der Folge langsam nach Osten Richtung Europa
gezogen ist und den Namen BRIGITTE erhielt. Nach Tagen des
Herumdriftens, Abschwächens und Intensivierens hat es nun das
westliche Mittelmeer erreicht, wobei die Lage des Zentrums heute in
den Frühstunden nördlich der Balearen analysiert wurde. BRIGITTE
verlagert sich in den nächsten Stunden unter Abschwächung allmählich
über Frankreich nach Norden.

Dem gegenüber steht das seit Anfang Oktober über Fennoskandien
liegende kräftige Hochdruckgebiet PETER, das nun seine Fühler in
Richtung Bulgarien und der Türkei ausstreckt. Aus dieser
Druckkonstellation resultiert Luftdruckfall im Bereich von Tief
BRIGITTE über dem westlichen Mittelmeer und steigender Luftdruck
durch Hoch PETER über dem östlichen Mittelmeer. Dazwischen baut sich
über dem zentralen Mittelmeer ein kräftiger Druckgradient auf, der
von Südost nach Nordwest ausgerichtet ist. Für die Meteorologen ist
dies immer ein Signal für stark auffrischende Winde, die in der Tat
vom Ionischen und Tyrrhenischen über das Ligurische Meer bis zu den
Alpen erwartet werden. In der Abbildung wurde dies durch den gelben
Pfeil dargestellt, der direkt in Richtung Südalpen zeigt. Der starke
Südwind sorgte z.B. in Palermo auf Sizilien für eine sehr warme
föhnige Nacht mit Temperaturen über 30 Grad und erst in der Früh ging
die Temperatur auf 25,6 Grad zurück!

Auf Grund des starken Windes wird eine hochreichend sehr feuchtwarme
Luftmasse vom südlichen Mittelmeer mit oberflächennahen
Wassertemperaturen von mehr als 24 Grad nordwärts transportiert. Im
Vergleich zur Referenzperiode 1971 bis 2000 weisen diese
Wassertemperaturen eine positive Temperaturabweichung von 0.5 bis 2
Grad Kelvin auf (Kelvin ist die international anerkannte Basiseinheit
der thermodynamischen Temperatur und wird bei Temperaturdifferenzen
angegeben). Auf der Nordflanke von Tief BRIGITTE zeigte sich das
außergewöhnlich große Feuchtedargebot bereits im Südwesten von
Frankreich, wo es während der vergangenen 24 Stunden bereits kräftig
regnete. Die Stationen Bezier-Vias und Cap Bear meldeten am heutigen
Freitagmorgen 114 l/qm, respektive 168 l/qm.

Die Intensität einer Unwetterlage wird vom Zusammenspiel
unterschiedlicher Parameter bestimmt. Die Winde müssen auch mit der
Höhe kräftig zunehmen und sorgen so für eine entsprechend hohe
Windscherung. Es muss aber auch sehr viel potentielle Energie in der
Luftmasse vorhanden sein, die günstig für starke Konvektion mit
hochreichender Wolkenbildung und Gewittern ist. Dies ist z.B. der
Fall, wenn über eine sehr feuchtwarme Mittelmeerluft eine trockenere
Luftmasse geführt wird, die mit der Höhe auch noch rasch an
Temperatur verliert. Dass dies zurzeit geschieht, kann man sehr gut
auf dem gestrigen Satellitenbild erkennen, wo von Nordafrika aus eine
in Richtung Italien wehende Staubwolke zu sehen ist.

Wir haben nun eine sehr energiegeladene Luftmasse und viel
Windscherung, aufsteigende Luftbewegung im Einflussbereich von Tief
BRIGITTE sowie orografisch erzwungene Hebung der Luftmasse durch
Südanströmung der Alpen. Alles in allem Zutaten für eine brodelnde
Atmosphäre mit immensen Niederschlägen!

Allgemein kann man in den kommenden 24 Stunden entlang der Südküste
Frankreichs bis nach Norditalien mit Niederschlagsmengen von 50 bis
100 l/qm, von Genua bis Norditalien auch mehr als 200 l/qm rechnen,
lokal auch deutlich mehr. Vor allem über dem Ligurischen Meer scheint
die Luftmasse besonders energiegeladen zu sein, sodass im
Tagesverlauf mit der Entwicklung eines großräumigen Gewitterkomplexes
gerechnet wird, der nicht nur Korsika und Sardinien, sondern auch
weite Bereiche von Zentral- und Norditalien erfassen soll.
Begleiterscheinungen dieser Gewitter können schwere Sturmböen,
großkörniger Hagel (teils mit Durchmessern von mehr als 5 cm),
intensive Niederschläge und auch Tornados sein.

Zwar werden die Bewohner dieser Gegenden vor allem zu dieser
Jahreszeit immer mal wieder mit solchen Unwetterlagen konfrontiert
und müssen dann mit katastrophalen Überschwemmungen zum Beispiel im
Raum Genua rechnen, doch können eine gute Wetterprognose und ein
funktionierender Katastrophenschutz hoffentlich das Schlimmste
verhindern.


Dipl.-Met. Helge Tuschy
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 14.10.2016

Copyright (c) Deutscher Wetterdienst