Thema des Tages

18-12-2022 15:20


Wissenschaft kompakt

Eine turbulente Expedition
Das Polarforschungsschiff FS Polarstern ist auf hoher See und im Eis
zu Hause. Ein Erfahrungsbericht vom Leben und Arbeiten als
Meteorologin auf dem Eisbrecher.


Als Meteorologin in der Wettervorhersage arbeitet man meistens in
einem schönen Büro mit höhenverstellbaren Tischen in angenehmer
Atmosphäre. Nach Feierabend geht man nach Hause und überlässt die
Arbeit seinen Kollegen. Ganz anders gestaltet sich die Arbeit jedoch,
wenn man als Bordmeteorologin auf einem Forschungsschiff unterwegs
ist.
Ich hatte das Vergnügen, an der Expedition PS133 des
Forschungseisbrechers FS Polarstern teilzunehmen. Das Leben an Bord
ist sehr durchgetaktet. Dienstbeginn ist jeden Tag um 6 Uhr Bordzeit.
Frühstück gibt es um 7.30 Uhr. Um 8.15 Uhr beginnt das Wetterbriefing
im Wetterbüro. Weitere Briefings und Meetings folgen im weiteren
Verlauf bis zum Dienstende etwa um 19 Uhr. Dabei bekommt man das
Wetter hautnah zu spüren. Man spürt die Winddrehung beim Rundgang auf
Deck und schaukelt mit jeder Welle im Takt mit. Einen richtigen
Feierabend gibt es damit nicht. Als Meteorologin bleibt man immer
Ansprechperson für Wind und Wetter auch beim abendlichen
Kartenspielen.
Die Expedition startete am 02. Oktober 2022 in Kapstadt. Das
Hauptforschungsgebiet sollte dann der Südliche Ozean sein. Ein Gebiet
mitten in den Roaring Fifties, den Rasenden Fünfzigern, das neben den
Furious Forties, den Brüllenden Vierzigern, für seine stürmischen
Westwinde bekannt ist. Und diese Breitengrade machten ihren Namen bei
dieser Expedition alle Ehre.
Bereits in der ersten Woche auf See war abzusehen, dass die Stürme
und der damit verbundene Seegang teils zu gefährlich waren. Es musste
abgewettert werden. Auch auf der Ausweichposition blieben wir aber
nicht ganz verschont. Westwind zwischen 6 und 9 Windstärken bei einer
signifikanten Wellenhöhe von mindestens 4 Metern standen auf der
Tagesordnung. Kurze ruhigere Phasen wurden genutzt, um das ein oder
andere Messinstrument ins Wasser zu lassen.
Nach über zwei Wochen auf See mit teils Wellenhöhen bis 12 Metern
kündigte sich eine länger anhaltende Wetterberuhigung an. Das Hoch
über dem Südatlantik streckte seine Fühler etwas weiter nach Süden
hin aus. Die Forschungsarbeit konnte damit so richtig beginnen.
Zu allem Überfluss jedoch musste die Expedition aufgrund eines
medizinischen Notfalls unterbrochen werden. Das Problem, das nächste
Krankenhaus liegt leider fast 2500 km, also 4 bis 5 Seetage weit
entfernt auf den Falklandinseln. Mit Vollgas ging es also entgegen
der Wind- und Wellenrichtung nach Westen. Zum Glück konnten die
Patientinnen erfolgreich ausgeflogen werden und befinden sich
mittlerweile bei ihren Familien.
Bei den Falklandinseln suchte uns das nächste Unwetter heim. Und
dieses hatte es in sich. Mit Spitzengeschwindigkeiten von etwa 140
Kilometern pro Stunde fegte ein Orkan über die Insel hinweg.
Zumindest konnte das Schiff im Berkley Sound bei den Falklandinseln
dem schweren Seegang entgehen. Nach Durchzug des Orkans folgte das
Schiff den Spuren des Sturms zurück in das Forschungsgebiet. Und
endlich war das Wetter uns auch hold und sorgte für ein paar Tage
ruhigeren Seegang.
Den nächsten Sturm konnte man geschützt vor Südgeorgien absitzen.
Danach folgte noch ein kleiner Abstecher in den Tiefseegraben östlich
von den Südlichen Sandwich Inseln. Dort wurden Sedimentproben aus
über 8000 Metern Tiefe entnommen. Und dann war die Zeit auch schon
fast vorbei und es folgte der Transit nach Punta Arenas.
In Südchile angekommen, wechselten einige Wissenschaftler und auch
die Mannschaft. Und auch ich durfte von Bord. Der zweite Teil der
Expedition startete am 20. November. Ziel des zweiten Teils, war den
Island Impact rund um Südgeorgien zu untersuchen. Der Wettergott
hatte es diesmal besser gemeint mit Besatzung und Wissenschaftler.
Vielleicht war das das Geburtstagsgeschenk für FS Polarstern, denn am
09. Dezember 2022 konnte das Schiff seinen 40. Geburtstag feiern
(kleines Geburtstagsvideo unter Link 1.) Dieser Ehrentag wurde auf
dem Schiff gebührend gefeiert. Momentan befindet sich die Polarstern
auf der Zielgeraden zurück nach Kapstadt, wo schon die nächsten
Wissenschaftler und der nächste Bordmeteorologe auf den kommenden
Einsatz warten.
Die aktuelle Position von FS Polarstern findet man bei Link 2.



MSc Sonja Stöckle
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 18.12.2022

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