Thema des Tages

04-01-2023 14:20


Wiss. Kompakt
Antarktische Meereisbedeckung mit Rekordminimum im Dezember

Die Ausdehnung des antarktischen Meereises hat im Dezember ein neues
Rekordminimum erreicht und steuert möglicherweise im aktuellen
Südsommer auf die größte negative Anomalie zu, die jemals in der
Satellitenära beobachtet wurde.

Die Arktis und die Antarktis sind geografische Gegensätze, nicht nur,
weil sie an entgegengesetzten Enden der Erdkugel liegen. Sie haben
eine konträre Anordnung von Land und Meer. In der Antarktis umgibt
der Südliche Ozean den kältesten Kontinent der Erde. Die Arktis, der
kälteste und kleinste Ozean der Erde, ist von den Landmassen
Eurasiens, Nordamerikas und Grönlands umgeben. Diese gegenteilige
Anordnung von Land und Wasser trägt zu Unterschieden im Klima der
einzelnen Polarregionen bei, die hauptsächlich auf differierende
ozeanische und atmosphärische Zirkulationsmuster zurückzuführen sind.
Diese beiden Aspekte sind für die Entwicklung des Meereises von
entscheidender Bedeutung.
Das antarktische Meereis erreicht normalerweise im September oder
Oktober sein Maximum und im Februar sein Minimum. Die kalten Gewässer
um die Antarktis ermöglichen im Winter eine rasche Meereisbildung.
Bei seiner maximalen Ausdehnung im September beträgt die
Meereisbedeckung im Allgemeinen zwischen 18 und 19 Millionen
Quadratkilometer. Über den Sommer schrumpft die Fläche bis in den
Februar auf etwa 3 Millionen Quadratkilometer. Diese jährliche
Schwankung ist wesentlich größer als in der Arktis, wo die
Konfiguration der umgebenden Kontinente die Eisbildung über längere
Zeit begünstigt.

Die Ausdehnung des Meereises ist einer der wichtigsten Aspekte des
polaren Klimasystems. Aus diesem Grund wurde ihm in den letzten
Jahren immer mehr Aufmerksamkeit geschenkt. Das liegt vor allem
daran, dass die durchschnittliche Meereisfläche in der Arktis um etwa
4 % pro Jahrzehnt recht massiv und schnell abgenommen hat. Ein
weiterer Fakt ist, dass der Meereisrückgang in der Arktis den
Erwärmungstrend der Nordhemisphäre verstärkt, hauptsächlich aufgrund
der Eis-Albedo-Rückkopplung. Ohne Eisbedeckung sinkt das
Reflexionsvermögen des Bodens (Albedo), was zu einer höheren
Absorption der einfallenden Sonnenstrahlung führt und dadurch
wiederum zu einer verstärkten Erwärmung beiträgt.
Im Gegensatz zur Arktis zeigten die Meereisfläche und das
Meereisvolumen um die Antarktis trotz der Erwärmung in den letzten 40
Jahren keinen signifikanten Trend auf. Insgesamt wies die Ausdehnung
sogar eine leicht positive Zunahme auf mit im Durchschnitt etwa 1,7 %
pro Jahrzehnt. Allerdings gibt es hier eine Einschränkung, denn rund
um die Antarktische Halbinsel verzeichneten einige Regionen einen
Rückgang der Meereisbedeckung. Ab etwa 2015 jedoch ging die
Eisausdehnung in allen antarktischen Gewässern recht abrupt und stark
zurück und erreichte 2017 erstmals ein Rekordtief. In den folgenden
vier Jahren lag die Meereisausdehnung kontinuierlich unter dem
Durchschnitt der Jahre 1981-2010.

Derzeit ist auf der Südhalbkugel Hochsommer und die Schmelzraten sind
am höchsten. Nach der rekordverdächtig niedrigen Meereisausdehnung
Ende Februar 2022 mit unter zwei Millionen Quadratkilometer (siehe
Thema des Tages vom 14.03.2022) verblieb die Meereisbedeckung über
den Südwinter deutlich unter dem vieljährigen Mittel und war
vergleichbar mit dem bisherigen Rekordminimum von 2017. Besonders
auffällig jedoch war der Dezember, denn hier wurde ein
außergewöhnlich starker Rückgang verzeichnet. Die erfasste
Meereisbedeckung reduzierte sich dabei markant unter den Wert von
2017 (siehe Abbildung 2).

Die aktuelle Ausdehnung (Stand 03.01.2023) wird nach Auswertungen des
Alfred-Wegener-Institutes mit 4,23 Millionen Quadratkilometer
angegeben (siehe Abbildung 3). Das National Snow and Ice Data Center
in Boulder (Colorado, USA) kommt bei seinen Berechnungen mit 4,73
Millionen Quadratkilometer noch auf einen etwas höheren Wert.
Allerdings ändert es nichts an der Tatsache, dass es ein
Rekordminimum zu dieser Jahreszeit ist. Insgesamt dominieren in allen
Sektoren um die Antarktis herum unterdurchschnittliche
Konzentrationen. Besonders ausgeprägt ist die negative Anomalie der
Meereisausdehnung entlang der Westantarktis in der Bellinghausen und
der Amundsensee (siehe roter Rahmen Abbildung 3). Das
zusammenhängende eisfreie Gebiet ist das größte seit Beginn der
Satellitenaufzeichnungen, die seit 1978 kontinuierlich durchgeführt
werden. Der starke Rückgang in allen Sektoren um die Antarktis lässt
sich unter anderem auf in den Frühjahrs- und bisherigen Sommermonaten
vorherrschenden überdurchschnittlichen Temperaturen im südlichen
Ozean und der Antarktischen Halbinsel erklären.

Mit dieser großen negativen Anomalie Ende 2022/Anfang 2023 stellen
sich nun die Fragen: "Wie wird sich das antarktische Meereis noch bis
zum Ende des Sommers entwickeln?" und "Wird ein neuer Negativrekord
erreicht?" Konkrete Antworten auf diese Fragen wird man
vorrausichtlich erst ab Ende Februar geben können.



M.Sc.-Met. Sebastian Altnau
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 04.01.2023

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