Thema des Tages

05-01-2023 14:50


Wetter aktuell
Dicker Brocken

Das Thema des Tages beschäftigt sich heute mit dem ungewöhnlich
kräftigen und großräumigen Tief CONSTANTIN.

Falls Sie es noch nicht bemerkt haben sollten: Es ist Hochwinter!
Laut Wikipedia im Allgemeinen "die kälteste Phase des Winters" und
damit natürlich auch des gesamten Jahres. Aber in den letzten Tagen,
genau genommen seit etwa zwei Wochen, ist davon nichts zu spüren. In
vielen Wetterberichten lauteten die Kommentare zu den Temperaturen
mild, sehr mild oder ungewöhnlich mild.

Großräumig betrachtet scheint die Wetterlage festgefahren. Nördlich
von uns geben sich die Tiefdruckgebiete die Klinke in die Hand. War
es gestern noch Sturmtief AXEL, das sich heute aber schon auf den Weg
nach Osteuropa gemacht hat und dessen Windfeld auch allmählich nach
Polen abzieht, so haben wir es ab der kommenden Nacht mit Tief BENITO
und danach mit Tief CONSTANTIN zu tun.

Und letzterer ist wahrlich ein dicker Brocken - genauer muss man
sagen, er entwickelt sich zu einem dicken Brocken. Denn wer aktuell
auf die Wetterkarten schaut, sieht auf dem zentralen Nordatlantik,
etwa auf halbem Weg zwischen Neufundland und Spanien, nur ein
kleines, unscheinbares Teiltief, dessen Kerndruck von knapp unter 995
hPa erstmal keinen Anlass zu Sorge bereitet (siehe Abbildung, kleiner
Ausschnitt, Zeitpunkt Donnerstag 13 MEZ).

Diesbezüglich ist allerdings Vorsicht geboten: Da unter anderem die
Konfiguration der Höhenströmung (Divergenz https://www.dwd.de/DE/service/lexikon/Functions/glossar.html?nn=10334
6&lv2=100578&lv3=100614) für bodennahen Druckfall sorgt und auch ein
Starkwindband (Jetstream https://www.dwd.de/DE/service/lexikon/Functions/glossar.html?nn=10334
6&lv2=101304&lv3=101330) in der Höhe die Tiefdruckentwicklung
"anfacht", plustert sich CONSTANTIN ganz schön auf. Der Druckfall ist
beachtlich: heute um 18 UTC (früher Greenwich Mean Time; entspricht
MEZ -1 Stunde) soll er bei knapp unter 985 hPa liegen, morgen früh um
06 UTC schon bei 950 hPa - um morgen Abend Werte von knapp unter 945
hPa zu erreichen!

Aber nicht nur die Druckentwicklung ist beeindruckend. Auch
CONSTANTINs Ausdehnung ist gewaltig. Die Abbildung (großer
Ausschnitt) zeigt eine Prognose des Bodendrucks und der Position der
Fronten für den morgigen Samstag um 12 UTC. CONSTANTIN überdeckt zu
diesem Zeitpunkt weite Teile des Nordatlantiks, dazu auch West- und
Nordeuropas. Und da Mitteleuropa östlich bzw. südöstlich des
Tiefzentrums liegt und damit im Zustrom milder Luft verbleibt (roter
Pfeil), ist es mit winterlichen Verhältnissen bei uns auch erstmal
nicht weit her.

Dabei hätte das Tief BENITO, das in der Abbildung (kleiner
Ausschnitt) nordwestlich von Irland zu finden ist, durchaus Kaltluft
im Gepäck gehabt. Sein Frontensystem ist in den Feuchtefeldern in 700
hPa (ca. 3 km Höhe) gut zu erkennen. Die Warmfront erstreckt sich als
grünes Band von England nach Ostfrankreich, die Kaltfront liegt
dagegen, von Nordost nach Südwest orientiert, über dem Atlantik.
Allein: Die Kaltfront schafft es nicht bis zu uns. Da sich CONSTANTIN
aufbläht, wird in dessen Zirkulationsfeld BENITOs Kaltluft wieder
nach Norden geschoben - also dahin, wo sie herkam. Und in der Folge
hält die milde Witterung auch in den kommenden Tagen an.

Wird es denn irgendwann doch noch Winter? Nach jetzigem Stand
versucht ab dem 9.1. wieder kalte Luft bei uns Fuß zu fassen. Dann
rutschen wir auf die westliche und somit kalte Seite von CONSTANTIN.
Er bestimmt unser Wetter also weiterhin, aber dann sollte die
Situation zumindest "winterlich angehaucht" sein. Aber ein veritabler
Kaltlufteinbruch, der dem Hochwinter wirklich Ehre macht, ist
weiterhin nicht in Sicht.


Dipl.-Met. Martin Jonas
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 05.01.2023

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