Thema des Tages

23-01-2023 14:20


Wissenschaft kompakt
Vor über 100 Jahren: Der Wettlauf um die Antarktis

Was unter anderem Pinguine, Röntgenstrahlen und ein Fußballspiel
gemeinsam haben, erfahren Sie im heutigen Thema des Tages.

Der 23. Januar ist schon ein besonderer Tag. Nicht nur, dass es der
Namenstag von "Hartmut" ist (Liebe Grüße an dieser Stelle an meinen
Opa!), nein, teilweise hat er sogar das Prädikat "historisch
wertvoll" verdient (also nicht mein Opa, sondern der Tag an sich). So
betrat vor über 100 Jahren, am 23. Januar 1895, nachweislich als
erster Mensch der Norweger Carsten Egeberg Borchgrevink (1864-1934)
das antarktische Festland - und das an einem Punkt, den man
vielleicht nicht unbedingt vermutet hätte. Als jemand, der selbst
schon "dort unten" war, käme einem vielleicht doch eher die
antarktische Halbinsel in den Sinn. Immerhin sind es Luftlinie von
der Südspitze Chiles (Kap Hoorn) über die Drake-Passage bis zur
Nordspitze der Halbinsel (Prime Head) nur rund 800 km. Zugegeben,
dafür ist die Meeresstraße auch berühmt-berüchtigt für ihre
zahlreichen schweren Stürme und die raue See.

Um ein Vielfaches länger ist dagegen die vom Team um Borchgrevink
ausgewählte Route auf der gegenüberliegenden Seite. Von Australien
aus wurde das Kap Adare auf der gleichnamigen Halbinsel angesteuert,
die sich im Viktorialand - einem Teil der Ostantarktis - befindet.
Sie grenzt unmittelbar an das Rossmeer an. Dieses ist mehr als zur
Hälfte permanent von einer festen, dicken und knapp 500.000 km²
großen Eisdecke bedeckt - dem Ross-Schelfeis. Das riesige Areal ist
eine der Hauptbrutstätten der Adeliepinguine. Schätzungen zufolge
siedeln in dieser Gegend über 250.000 Brutpaare. Die kleinen
gefiederten Freunde hegen von Natur aus keine Scheu, sondern eher
Neugier gegenüber der noch nie zuvor begegneten Spezies Mensch. Die
Begegnung muss ein tolles Schauspiel gewesen sein, vor allem, als
Borchgrevink vier Jahre später zurückkehrte, um mit seiner Mannschaft
Holzhütten für die erste Antarktis-Überwinterung überhaupt zu
errichten.

Doch erstmal zurück zu dessen Vita: Carsten Egeberg Borchgrevink
wurde am 1. Dezember 1864 in Oslo (damaliger Name noch Christiania)
in eine adlige Familie geboren und interessierte sich schon seit
frühester Jugend für geographische Entdeckungen speziell aus dem
Gebiet der Polarforschung. Sein Bildungsweg führte ihn als junger
Erwachsener sogar nach Deutschland. So studierte er Geologie,
Forstwirtschaft und Geodäsie an der Forstakademie im sächsischen
Tharandt. Anschließend entschloss er sich nach Australien
auszuwandern, um dort als Landvermesser und Geologe zu arbeiten. Zu
einer Zeit, da die Unabhängigkeit Australiens immer näher rückte und
schließlich 1901 im "Commonwealth of Australia" mündete, heuerte
Borchgrevink kurzerhand auf der "Antarctic" an. Dieses von einem
Norwegischen Reeder ausgestattete Schiff war allerdings für einen
relativ unromantischen Zweck in die Antarktis unterwegs: Zur
Erschließung neuer Walfanggebiete.

Als sich schließlich am Kap Adare zur Hochzeit des Südsommers eine
Bucht mit einem kleinen eisfreien Strand der Crew offenbarte, konnte
Borchgrevink den Kapitän Leonard Christensen spontan davon
überzeugen, anzulegen. In seichten Wasser angelangt, schwang er sich
rasch über Bord, um als Erster das Festland zu betreten. Allerdings
kann nicht ausgeschlossen werden, dass bereits Jahrzehnte vor ihm
nicht schon andere Walfänger "undokumentiert" vor ihm da waren.

Von da an war in ihm das Entdeckerfeuer erst recht entbrannt, was
1899 schließlich in der ersten Überwinterung mündete. Trotz
Todesfällen in der Überwinterungsmannschaft (Stichwort: Skorbut) und
bei den Schlittenhunden unternahm er nach erfolgter Überwinterung
noch einen Vorstoß vom Ross-Schelfeis zum Südpol
(Southern-Cross-Expedition), den er erst auf knapp 79° Süd abbrach.
Ihm zu Ehren sind in der Antarktis die Borchgrevink-Küste, der
Borchgrevink-Gletscher und die Borchgrevink-Gletscherzunge im
Viktorialand, der Tiefseegraben Borchgrevink-Canyon in der Somow-See,
der Borchgrevink-Nunatak im Grahamland und der Gletscher
Borchgrevinkisen sowie das Gebirge Carstensfjella im
Königin-Maud-Land benannt. Den Wettlauf um das Erreichen des
geographischen Südpols machten in der Folge der Norweger Amundsen und
der Engländer Scott untereinander aus, wobei erstgenannter am 14.
Dezember 1911 rund einen Monat schneller war. Es wäre ein schöner
Zufall gewesen, hätte Scott ihn auch an einem 23. Januar erreicht. Es
war der 17. Januar 1912.

Und was geschah noch alles an einem 23. Januar? Unter anderem 1896 -
also nur ein Jahr später als unsere Geschichte über Borchgrevink -
stellte Wilhelm Conrad Röntgen der Physikalisch-Medizinischen
Gesellschaft die von ihm entdeckten X-Strahlen vor. Einige Jahrzehnte
später startete mit ITOS-1 die NASA 1970 den (zur damaligen Zeit)
neuesten Satelliten zur Wetterbeobachtung und Wettervorhersage. Die
Maus tauchte 1972 zum ersten Mal in den "Lach- und Sachgeschichten
für Fernsehanfänger" auf und gab der Sendung von da an ihren Namen.
1989 starb an diesem Tag der spanische Maler und Hauptvertreter des
Surrealismus Salvador Dali. Und auf sportlicher Seite gewann mit der
deutschen Jutta Kleinschmidt 2001 zum ersten Mal eine Frau die Rallye
Dakar. Außerdem wurde 2005 die AWD-Arena von Hannover mit dem Spiel
Hannover 96 - Bayer 04 Leverkusen eingeweiht. Es endete 0:3 für die
Gäste, Torschützen: Andrey Voronin, Dimitar Berbatov und Paul "Slawo"
Freier.


Dipl.-Met. Robert Hausen
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 23.01.2023

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