Thema des Tages

26-02-2023 14:50


Wetter aktuell

Ein Sturm, der immer wiederkehrt


Die aktuelle Wetterlage vereint erstaunlich viele regionale
Windphänomene in sich. Mehr dazu im heutigen Thema des Tages.


In Anlehnung an das gestrige Thema des Tages, in dem näher auf die
Bedeutung, Historie und Auswirkungen der Windgeschwindigkeiten
mithilfe der Beaufort-Skala eingegangen wurde, beleuchten wir heute
einmal spezielle Windphänomene anhand der aktuellen Wetterlage
genauer.
Bise
Verbleiben wir zunächst in Deutschland. Zwischen dem kräftigen Hoch
HAZAL über Schottland, das aktuell mit über 1030 hPa (und in der
kommenden Woche mehr als 1040 hPa erreicht) über Schottland thront
sowie dem kräftigen Mittelmeertief ZAKARIYYA (nicht zu verwechseln
mit dem Schweizer Nationalspieler Denis ZAKARIA, der letzten Winter
von der Gladbacher Borussia zu Juventus Turin gewechselt ist und
inzwischen an Chelsea London verliehen wurde) besteht ein gewaltiger
Luftdruckgegensatz. Ganz frisch hat es vom Spanischen Wetterdienst
AEMET auch einen internationalen Namen bekommen: JULIETTE. Dieses
liegt derzeit mit knapp 990 hPa über dem Ligurischen Meer. Das macht
in Summe rund 40 hPa Unterschied auf circa 1500 Kilometern Distanz,
wobei sich der "Löwenanteil" auf die südlichsten 500 Kilometer
beschränkt.


Anhand der oberen Grafik sieht man eindrucksvoll, wie sich die Linien
gleichen Luftdrucks vor allem im Bereich des Alpenbogens stark
drängen. Die Luftmassen, die mit der nordöstlichen Strömung (im
Uhrzeigersinn um das Hoch herum) permanent gegen die Alpen gedrückt
werden (Massenüberschuss), können in tiefen Luftschichten weitgehend
nur durch den Oberrheingraben, Oberschwaben und nachfolgend über das
Schweizer Mittelland und das Rhonetal abtransportiert werden. Die
Anordnung der Gebirgsketten von Alpen, Jura, Schwarzwald und
Schwäbischer Alb fungiert nun als eine Art Leitplanke für den Wind,
der nun auch aus leicht abweichenden Richtungen in diesen "Trichter"
geführt wird und sich dadurch verstärkt (Kanalisierung, Düseneffekt).

Daraus resultiert ein stark böiger und im Winterhalbjahr teils
schneidend kalter Nordostwind, der vor allem in der Schweiz unter dem
Namen "Bise" bekannt ist. Die genaue Herkunft des Wortes ist bis
heute nicht komplett geklärt. Im Bereich des Genfersees sind
Sturmböen und schwere Sturmböen zwischen 80 und 100 km/h im
Zusammenhang mit ausgeprägten Bisenlagen eher Regel als Ausnahme - so
auch diesmal. Hierzulande erreicht er sein Maximum oft rund um den
Bodensee, wo nicht selten Geschwindigkeiten von 50 bis 70 km/h in
Böen erreicht werden. Entsprechende Warnungen laufen. Trotz
strahlenden Sonnenscheins und angenehmer Temperaturen heißt es für
Wassersportler und Urlauber dann im Sommer, den See schnellstmöglich
zu verlassen. Auf den Schwarzwaldgipfeln muss bei derartigen Lagen
mit schweren Sturmböen bis 100 km/h, in Einzelfällen auch mit
Orkanböen bis 120 km/h gerechnet werden.


Mistral/Tramontane/Cers
Weiter stromab schließt sich das nächste regionale Windsystem an,
dessen Wirkungsmechanismen ganz ähnlich funktionieren. Es handelt
sich um den berühmt-berüchtigten Mistral, bei dem die
Windkanalisierung durch das Rhonetal mit der westlichen Barriere des
Zentralmassivs seine Fortsetzung findet. Da er entweder Anteile der
sich aufgebauten Bise in sich vereint oder aber durch den Tramontane
(kalter Fallwind vom Zentralmassiv) oder Cers (Kanalisierung zwischen
Pyrenäen und Zentralmassiv) weiter westlich gerade beim
Zusammenströmen über dem Löwengolf noch verstärkt werden kann, sind
die Spitzenböen im Vergleich zur Bise durchaus nochmal "einen Zacken
schärfer" und erreichen nicht selten über Land, erst Recht über der
offenen See, Orkanstärke. Da das Hoch in diesem Falle aber weit im
Norden über Schottland und nicht über der Biskaya ist, spielen Cers
und Tramontane eher eine untergeordnete Rolle. Auch in Katalonien,
insbesondere im Tal des Ebros samt seinen Nebenflüssen, ist der
kräftige Nordwestwind als Cerc bekannt.
Schirokko
Auf der anderen Seite der Mittelmeerküste ist dagegen ein heißer
Wüstenwind bekannt, der aus Süd bis Südost staublastige
Saharaluftmassen teils weit bis nach Mitteleuropa transportiert. Auch
wenn der Höhepunkt im Ionischen Meer und der südlichen Adria in
diesem Zusammenhang schon überschritten ist, treten an der
griechischen und albanischen Küste noch verbreitet Sturmböen auf.
Bora
Während es dazu in Albanien auf der warmen Seite mit teils über 20
Grad fast schon frühsommerlich warm für die Jahreszeit ist, setzt der
kroatischen Küste die Bora zu. Dieser kalte Fallwind mit lokalen Böen
jenseits von 140 km/h, in Einzelfällen bis zu 250 km/h, ist ebenso
berüchtigt und hat über der nördlichen Adria schon etliche Schiffe
zum Kentern gebracht. Mit Einsetzen kann das Thermometer in
Windeseile von teils zweistelligen Plusgraden in den Frostbereich
absinken und selbst an der Küste zur Ausprägung einer Schneedecke
führen. Der kroatische Wetterdienst warnt bis zum Abend auf den
Inseln vor Orkanböen bis 150 km/h und im Dinarischen Gebirge vor
Neuschneemengen bis 20 Zentimeter und vereisten Straßen.
Von all diesen Turbulenzen, die zum Wochenstart weiter zwischen
Italien und den Balearen toben (Sturm und teils heftige, gewittrige
Regenfälle), bekommen wir bei uns - wie eingangs erwähnt - nur in
abgeschwächter Form im Südwesten etwas mit. In den nächsten Tagen
dominiert am Rande HAZALs ruhiges und meist schwachwindiges
Hochdruckwetter. Zur Wochenmitte ist dann auch die Bise kein großes
Thema mehr.



Dipl.-Met. Robert Hausen
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 26.02.2023

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