Thema des Tages

22-10-2016 14:40

Wie das Nachthimmelsleuchten in der Wettervorhersage helfen kann

Als Anfang Oktober 2016 Hurrikan MATTHEW über der östlichen Karibik
tobte, konnte man auf zahlreichen Aufnahmen von Wettersatelliten die
gewaltige Ausdehnung und Struktur des Wirbelsturms erkennen. Ihre
Daten waren von großer Bedeutung für die Vorhersager, zeigten sie
doch ununterbrochen, wie rasch sich MATTHEW verstärkte und welche
Zugbahn er einschlug. Verwendet wurden dabei Satellitenbilder, die
den Meteorologen auch während der Nacht erlaubten, den Sturm zu
überwachen, wobei in der Folge solch ein Satellitenbild kurz
vorgestellt werden soll.

Im beigefügten Bild sind zwei Einzelbilder des sogenannten "Visible
Infrared Imaging Radiometer Suite, VIIRS" zu erkennen. Das linke ist
ein Tag-/Nacht-Bild von Hurrikan Matthew, das rechte ein Bild von
Deutschland. Dabei handelt es sich bei VIIRS um ein Radiometer,
welches neben weiteren auf dem Wetter- und Umweltsatelliten Suomi
National Polar-Orbiting Partnership (NPP) am 28. Oktober 2011 ins
Weltall gebracht wurde. Radiometer sind bildaufnehmende Sensoren, die
elektromagnetische Strahlung in zahlreichen Spektralbändern messen,
wobei jedoch meist nur spezielle Bereiche des Spektrums angeschaut
werden (z.B. der infrarote oder sichtbare Bereich). Dieses 275
Kilogramm schwere Gerät soll teils mit einer Auflösung von 750 m
unterschiedlichen Bereichen wie der Landwirtschaft (z.B.
Waldbrandbeobachtung), der Fischerei (z.B. Wassertemperaturen) oder
der maritimen Industrie (z.B. Strömungen, Wellenhöhen) wertvolle und
noch genauere Daten liefern.

Das Besondere an einem Tag- / Nachtbild ist, dass es eine
Nachtaufnahme im sichtbaren Spektralbereich darstellt (hier 0.7
Mikrometer). Es stellt sich die berechtigte Frage, wieso ein Satellit
nachts so gut im sichtbaren Bereich sehen kann, wenn es doch
eigentlich dunkel ist. Dazu fällt einem sicherlich sofort der Mond
ein, der, außer in der Neumondphase, genug Licht liefert, um solch
eine Satellitenaufnahme zu ermöglichen. Doch das Bild von Matthew
wurde vom 1. auf den 2. Oktober geschossen, wobei der Mond am 1.
Oktober in der Neumondphase stand. Diese Lichtquelle kann somit
ausgeschlossen werden. Für die Resthelligkeit mit verantwortlich
können unter anderem künstliche Lichtquellen am Boden sein, wie die
extensive Beleuchtung in Städten oder aber das von Sternen
ausgesandte Licht, das von einem solch hochempfindlichen Messgerät
wahrgenommen werden kann.

Doch es gibt noch eine weitere Quelle, die im Englischen "airglow"
und im Deutschen "Nachthimmelsleuchten" genannt wird. Dabei handelt
es sich um komplexe chemische Prozesse, die in der Mesopause und
Thermosphäre stattfinden, also in einer Höhe von 85 km bis über 500
km über der Erdoberfläche. Von der Erdoberfläche aus erkennt man das
manchmal auf lang belichteten Himmelsaufnahmen, wobei sich das
Leuchten über den ganzen Himmel erstreckt und auf Bildaufnahmen u.a.
eine grüne Färbung einnehmen kann. Interessant ist, dass man auf
solchen Langzeitbelichtungen wiederholt in Bändern angeordnete
Schlieren erkennen kann. Diese resultieren aus Schwerewellen, die von
der wetteraktiven Troposphäre bis zur weit entfernten Thermosphäre
ausgestrahlt werden. Schwerewellen entstehen, wenn z.B. ein Luftpaket
in einer stabilen Schichtung angehoben wird, wieder zurückfällt und
so um seinen ehemaligen Ruhezustand schwingt.

Doch wieso können solche Wellen für die Wettervorhersage von
Interesse sein? Wenn man sich das Satellitenbild von MATTHEW
anschaut, dann erkannt man im Ost- und Nordostquadranten des Sturmes
bandförmige Strukturen. Dies sind die angesprochenen Schwerewellen.
Wenn ein kräftiges Gewitter in die Höhe schießt, werden solche
Schwerewellen u.a. im unteren Bereich der stabil geschichteten
Stratosphäre ausgelöst, die sich weit entfernt vom Sturm ausbreiten
können. Da zentrumsnah und auch in der Nähe eines solchen
Wirbelsturmes zahlreiche sehr heftige Gewitter entstehen, hat man es
mit einer Vielzahl solcher Wellen zu tun, wie auch hier auf dem Bild
zu erkennen ist. Je mehr dieser Wellen zu erkennen sind, umso
intensiver kann der Sturm sein oder umso eher befindet er sich in
einer Intensivierungsphase. Natürlich wird bereits untersucht, ob
diese Schwerewellen eine Hilfe bei der Vorhersage solch tropischer
Wirbelstürme sein können und man darf auf Ergebnisse gespannt sein.
Auf jeden Fall zeigen sie, wie weit sich der Einfluss eines
Tropensturms auch abseits der uns sichtbaren Gewitterwolken
erstreckt.

Im Bild rechts ist eine Nachtaufnahme über Deutschland zu sehen, wo
der nächtliche Hochnebel mit all seinen Strukturen über dem Nordosten
und Schwerewellen über Oberschwaben zu erkennen sind. Man sieht das
strahlende Weiß über Brandenburg, ein Hinweis für hochreichenden,
dichten Hochnebel. Derweil ist von der Uckermark ostwärts eher ein
grau-weißer Farbton prägend. Hier weist der Hochnebel bereits erste
Lücken auf. All das sind wichtige Informationen für die Vorhersage.

Diese Beispiele zeigen einerseits, wie empfindlich die heutigen
Messgeräte sind, die unsere Erde umkreisen und unverzichtbare
Informationen für die Wettervorhersage liefern und andererseits auch,
welch Informationsvielfalt aus einem Satellitenbild gewonnen werden
kann.


Dipl.-Met. Helge Tuschy
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 22.10.2016