Thema des Tages

24-03-2023 14:20

Wissenschaft kompakt

Wenn unten nichts ankommt...


Der Blick auf das Radar verspricht Regen, aber der Blick aus dem
Fenster zeigt trockene Verhältnisse - wie kann das sein?


Vergangenen Mittwochnachmittag: Papa holt den Sohnemann von der Kita
ab. Jetzt noch schnell einen Abstecher auf den Spielplatz bevor es
demnächst anfängt zu regnen. Das Radar zeigt nämlich ein von Westen
auf Offenbach zuziehendes Regengebiet. Und wie sooft vergeht die Zeit
dann doch schneller als man denkt und plötzlich fällt einem auf:
Müsste es eigentlich nicht schon längst regnen? Schnell das
Smartphone gezückt, WarnWetter-App geöffnet und tatsächlich!
Mittlerweile hatte der Regen nicht nur Frankfurt, sondern auch
Offenbach erreicht - zumindest laut Radar. Am Boden kam davon aber
nichts an und auch der Blick gen Westen deutete nicht wirklich auf
Regen hin. Die Wolken wirkten allerdings an ihrer Unterseite etwas
verwaschen.

Am Tag darauf zeigte das Radar erneut ein Regengebiet, das das
Rhein-Main-Gebiet erfasst hat. Dieses Mal kam aber auch etwas am
Boden an, wie die Messungen einiger Wetterstationen belegen.

Was war denn da jetzt los? Radar kaputt? Nein, natürlich nicht. Sonst
wäre der Text an dieser Stelle ja auch schon zu Ende. Den Grund dafür
findet man, bei Betrachtung der vertikalen Schichtung der unteren
Atmosphäre, genau genommen den Verlauf von Lufttemperatur und
-feuchtigkeit mit der Höhe. Dafür nutzt man sogenannte Radiosonden.
Bei einer Radiosonde handelt es sich um ein Gerät, das mit einem
Sender und mehreren Messfühlern ausgestattetet ist. Angebunden an
einen mit zumeist Heliumgas gefüllten Gummiballon, steigt die
Radiosonde mit rund 300 Metern pro Minute in die Luft auf und misst
dabei stetig Luftdruck, -feuchte und -temperatur sowie indirekt durch
die Windverlagerung auch Geschwindigkeit und Richtung des Windes.
Diese Daten werden über den Sender direkt an die Empfangsstation am
Boden übermittelt. Kurz darauf stehen sie schließlich uns
Meteorologen grafisch aufbereitet zur Verfügung und liefern zudem
neben vielen weiteren Beobachtungsdaten die Basis für die Prognosen
unserer Wettermodelle. Weitere Infos zu Radiosondenaufstiege finden
Sie zum Beispiel auch im Thema des Tages vom 03.07.2020.

Schauen wir uns doch nun einmal den Radiosondenaufstieg am Beispiel
von Idar-Oberstein von Mittwoch 19 Uhr an. Kurz zur Orientierung: Auf
der linken Vertikalachse ist der Luftdruck in hPa und auf der
Horizontalachse unten die Temperatur in Grad Celsius aufgetragen. Die
Temperatur bleibt dabei entlang der roten Linien, die von unten nach
schräg-rechts-oben verlaufen, konstant. Die Null-Grad-Linie ist blau
eingefärbt. Den vertikalen Verlauf der Lufttemperatur stellt nun die
durchgezogene schwarze Linie dar und der Taupunkt (Maß für die
Luftfeuchtigkeit) wird durch die gestrichelte schwarze Linie
repräsentiert. Liegen die beiden Linien, also Temperatur und
Taupunkt, nah beieinander, ist die relative Luftfeuchtigkeit hoch,
sind sie weit voneinander entfernt, ist sie niedrig.

Verfolgt man die beiden Linien des Aufstiegs von Mittwoch 19 Uhr in
Idar-Oberstein von oben nach unten, stellt man fest, dass sie
zunächst relativ nah beieinander liegen, die relative
Luftfeuchtigkeit also recht hoch ist. Erst ab etwa 750 hPa beginnen
sie stark auseinanderzugehen mit einem Maximalabstand bei etwa 800
hPa (grob 2 km Höhe). Hier ist die Luft also relativ trocken und das
ist der entscheidende Punkt: Der Regen, der sich darüber entwickeln
konnte, hatte es nicht durch diese trockene Schicht geschafft,
sondern ist verdunstet und kam daher nicht am Boden an.

Durch die Verdunstung wurde diese trockene Luft aber allmählich
angefeuchtet und ist einige Stunden später - wie man am
Radiosondenaufstieg von Donnerstag 13 Uhr sieht - verschwunden. Die
Temperatur- und Taupunktslinien verlaufen nun fast durchweg recht eng
beieinander, wodurch es der Regen nun problemlos bis zum Boden
schaffte - was er übrigens auch in den kommenden Tagen immer wieder
tun wird.


Dipl.-Met. Tobias Reinartz
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 24.03.2023

Copyright (c) Deutscher Wetterdienst