Thema des Tages

03-04-2023 13:50


Wissenschaft kompakt
Bilanz des winterlichen Meereismaximums in der Arktis


Anfang März ging die Gefriersaison in der Arktis zu Ende und die
maximale saisonale Meereisausdehnung wurde erreicht. Im heutigen
Thema des Tages ordnen wir die Zahlen etwas ein und liefern eine
Erklärung, warum es primär in der Barentssee so ein hohes Eisdefizit
gibt.


Nachdem wir uns vergangene Woche der südlichen Polregion - genauer
gesagt dem neuerlichen Rekordminimum in der saisonalen sommerlichen
antarktischen Meereisbedeckung - gewidmet haben (siehe auch Thema des
Tages vom 30.03.2023), machen wir heute einen dazu konträren Ausflug
in die Nordpolarregion. Die Arktis ist umgeben von den Landmassen
Eurasiens, Nordamerikas und Grönlands und bildet den kleinsten und
kältesten Ozean der Erde. Während in der Antarktis im Februar die
Schmelzsaison ihr saisonales Ende fand, ging etwa Anfang März, kurz
vor Beginn der beginnenden Polarnacht, in der Arktis die
Gefriersaison zur Neige und die maximale Meereisausdehnung wurde
erreicht.

Im Februar lag das tägliche Meereiswachstum im Laufe des Monats in
etwa im langjährigen Durchschnitt. Der Monatsbeginn war von Perioden
mit einer schnellen Zunahme geprägt. Ab der Monatsmitte waren die
Veränderungen jedoch nur noch geringer Natur. Für die Jahreszeit ist
dies allerdings nicht ungewöhnlich, da sich das Eiswachstum generell
verlangsamt und der Eisrand anfällig für Winde ist, die die Eisdecke
entweder zusammendrücken oder ausdehnen. Insgesamt betrug im Februar
die durchschnittliche arktische Meereisaudehnung nach den
Berechnungen des Meereisportals 14,31 Mio. km2 (siehe Abbildung 1),
was dem siebtniedrigsten Wert seit dem Beginn der
Satellitenaufzeichnungen von 1979 entspricht. Das National Snow and
Ice Data Center (NSIDC) ermittelte bei einer leicht abweichenden
Daten- und Berechnungsgrundlage eine mittlere Flächenausdehnung von
etwa 14,18 Mio. km2, der sich als drittniedrigster Februarwert in den
dortigen Aufzeichnungen einsortiert.

Die mittlere Meereisausdehnung der Monate Februar und März (hier
nicht gezeigt) weist einen langjährigen negativen Flächenverlust von
2,3 % pro Jahrzehnt aus (Abbildung 2). Seit Beginn der
Satellitenerfassung 1979 hat die Februarausdehnung etwas mehr als 1,7
bis 1,86 Mio. km2 eingebüßt, was in etwa der fünffachen Fläche
Deutschlands entspricht.

Das winterliche Maximum der Eisbedeckung in der Arktis wurde
schließlich nach den Auswertungen der täglichen Satellitenaufnahmen
vom Meereisportal auf den 5. März 2023 (6. März - NSIDC) datiert und
erreichte einen Wert von 14,79 Mio. km2 (14,62 Mio. km2 ? NSIDC).
Nach dem 5. März folgte merklich der Übergang in die Schmelzsaison in
der Arktis mit einem kontinuierlichen Rückgang der Ausdehnung an den
Eisrändern (siehe Abbildung 3 und Abbildung 4). Regional blieb die
Ausdehnung vor allem in der Barentssee, aber auch dem Ochotskischen
Meer, der nördlichen Labradorsee und dem St.-Lorenz-Golf (in
Abbildung 1 und 3 nicht mehr abgebildet) unter dem langjährigen
Durchschnitt. In der Beringsee hingegen vielen die Defizite nicht
ganz so stark aus wie in einigen anderen Jahren.

In den letzten Jahren hat die geringe Meereisausdehnung in der
Barents- und Karasee den insgesamt negativen Trend beim winterlichen
arktischen Meereis verstärkt. Im Februar half auch eine ausgeprägte
Druckkonstellation dabei diesen negativen Trend zu unterstützen. So
zeichnete sich das Muster der Druckanomalien auf Meeresspiegelniveau
im Februar durch besonders niedrigen Druck über Svalbard in
Verbindung mit hohem Druck über dem zentralen Arktischen Ozean und
Sibirien aus (siehe Abbildung 5). Dies entspricht einer stark
positiven Phase der Arktischen Oszillation, einem großräumigen Modus
der arktischen Klimavariabilität. Die Kombination aus Tiefdruck über
Spitzbergen und Hochdruck über dem zentralen Arktischen Ozean trug
dazu bei, dass relativ warme Luft aus dem Süden über den Nordatlantik
in die Barentssee gelangte, wohingegen kalte arktische Luft in
Richtung Beringsee vorstoßen konnte.

In diesem Zusammenhang befasst sich auch eine neue Studie mit der
Rolle der atmosphärischen Flüsse als Beitrag zu diesem Prozess.
Atmosphärische Flüsse bringen warme, feuchte Luft aus den Tropen und
Subtropen heran und können für stärkere Regenfälle sorgen (mehr dazu
auch im Thema des Tages vom 11.01.2023). Zudem erhöht die damit
einhergehende Bewölkung die zur Oberfläche gerichtete langwellige
Strahlung, die eine zusätzliche Erwärmung bewirkt. Beide Prozesse
können somit zur Meereisschmelze beitragen. Der Studie zufolge
gelangen mehr atmosphärische Flüsse in die eurasische Arktis als
früher, was zu einer geringeren Eisbildung oder zum Schmelzen des
dünnen Eises in den Monaten November bis Januar führt.


M.Sc.-Met. Sebastian Altnau
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 03.04.2023

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