Thema des Tages

18-04-2023 15:20


Wetter aktuell
Tornados in Deutschland

Wie viele Tornados gibt es jährlich in Deutschland? Nimmt die Anzahl
an Tornados zu? In welchem Monat und zu welcher Tageszeit kommen
Tornados am häufigsten vor? All diese Fragen werden im heutigen
Tagesthema beantwortet.

Einleitung - Tornados 2023 bisher

Die ersten Tornados im Jahr 2023 sind bereits aufgetreten. Da waren
zum einen die in den Medien doch recht präsenten Tornados in
Mittelhessen am 26. März (Annerod und Wetzlar) der Stärke F1 sowie
zwei Tornados am 01. Februar (Lashorst: F2, Hinte: F1). Die in
Deutschland statistisch klassischen Tornadomonate stehen aber erst
noch bevor. Eine gute Gelegenheit also ein wenig in die
Statistikkiste zu schauen.

Datenbasis und gesammelte Tornadofälle

Fangen wir zunächst einmal mit der Datenbasis der folgenden
Statistiken an. Gesammelt werden Tornados in der Europäischen
Unwetterdatenbank (ESWD - European Severe Weather Database), die vom
ESSL (European Severe Storms Laboratory - Europäisches Unwetterlabor)
betrieben wird. Schaut man in diese Datenbank, so findet man dort
aktuell insgesamt 2477 Einträge. Der erste dokumentierte Tornadofall
stammt aus dem Jahr 689.

Bis etwa zum Jahr 2000 bleibt die Anzahl der dokumentierten
Tornadofälle noch recht übersichtlich. Etwa zur Jahrtausendwende
kamen dann mehrere Ereignisse zusammen, die eine deutlich bessere
Dokumentation zuließen. Da war zum einen das Aufkommen der
Digitalfotografie und zum anderen das Internet. Dadurch war ein
Austausch von Tornadofällen auch mit Bildern deutlich einfacher.
Unter anderem hat man sich in Wetterforen ausgetauscht. Mittlerweile
ist quasi jeder mit einem Handy ein potentieller Tornadofotograf.
Hinzu kam die Gründung von Skywarn Deutschland 2003, deren Mitglieder
sich gezielt mit der Verfolgung und Dokumentation von Unwettern
beschäftigen - auch bekannt als "Gewitterjäger". Eine professionelle
Aufarbeitung von Tornadofällen kam mit der Gründung der
Tornadoarbeitsgruppe im Jahr 2007 in Gang. In den vergangenen Jahren
leistete auch die Seite tornadomap.eu (Hendrik Sass) einen wichtigen
Beitrag zur Kartierung und Analyse von deutschen Tornadofällen.

Wie viele Tornados gibt es im Jahr?

Berücksichtigt man diese Dinge, dann lässt sich festhalten, dass
brauchbare Statistiken rund um Tornados in Deutschland etwa ab dem
Jahr 2000 zur Verfügung stehen. Diese Daten sind damit auch die
Grundlage für die folgenden Statistiken.
Im Mittel gibt es zwischen 2001 und 2022 jährlich etwa 47 Tornados in
Deutschland, davon sind etwa 17 Wasserhosen (Tornados über Wasser).
Tornados lassen sich nach Ihrer Stärke kategorisieren. Einteilen
lassen sich Tornados zum Beispiel nach der Fujita Skala in Stärke F0
(64-116 km/h) bis F5 (419-512 km/h). F5 Tornados sind äußerst selten.
In der Datenbank lassen sich gerade einmal zwei Fälle finden
(29.6.1764 in Woldegk und 23.04.1800 in Dittersdorf), aber auch bei
F4 Tornados sind nur elf Fälle dokumentiert, der letzte in Bad
Liebenwerda in Thüringen (24.05.1979). Bei den F3 Tornados gibt etwa
alle zwei Jahre einen Fall. Interessanter wird es bei den F2
Tornados. In der Statistik von 2001 bis 2022 finden sich
durchschnittlich etwa fünf Ereignisse pro Jahr. Hinzu kommen im
Schnitt elf F1 und knapp sieben F0 Tornados. Der größte Anteil der
Fälle wird allerdings "unbekannt" geführt. Das kann daran liegen,
dass der Fall nicht näher untersucht wurde oder es keine Bilder zur
genauen Beurteilung gab. Mit einer ziemlich hohen Wahrscheinlichkeit
kann aber angenommen werden, dass es sich um schwache Tornados
gehandelt hat. Daher wurden diese in den folgenden Statistiken auch
den schwachen Tornados (F0 und F1) zugeordnet.

Gibt es eine Zunahme der Tornadofälle in Deutschland?

Eine weitere Erkenntnis liefern die "Tornadostripes" auch noch. Man
sieht, dass es mal schwächere und mal stärkere Phasen gibt. In den
vergangenen Jahren war das Aufkommen der Tornados in Deutschland
tatsächlich eher unterdurchschnittlich. Im Jahr 2022 gab es
beispielsweise 34 Fälle, wobei alleine sieben Fälle am Tag des
"Paderborntornados" auftraten. Damit lässt sich auch festhalten: Es
gibt bisher keine Zunahme von Tornados in Deutschland infolge des
Klimawandels, weder bei der Stärke, noch bei der Anzahl.
Auch zu erwähnen ist, dass es neben den dokumentierten Tornadofällen
auch noch eine Dunkelziffer gibt. Um wie viele es sich tatsächlich
handelt, ist schwierig zu sagen. Es dürften aber wenigstens ein
Duzend sein. Jedes Jahr gibt es zahlreiche Verdachtsfälle (ein
Vielfaches der offiziellen Zahlen). Bei diesen Fällen ist es nicht
möglich das Auftreten eines Tornados nachzuweisen. Zum Beispiel, weil
man nicht weiß, ob ein Wirbel Bodenkontakt hatte. Diese Fälle werden
unter https://tornadoliste.de gesammelt.

Wann treten Tornados im Jahresverlauf hauptsächlich auf?

Schaut man sich den Jahresverlauf der Tornadozahlen an, so sieht man,
dass die meisten Tornados zwischen Mai und August auftreten. Dabei
muss man allerdings unterscheiden. So treten "schwache" Tornados (F0
und F1) schwerpunktmäßig im Juni und Juli auf, während starke
Tornados (F2 und stärker) ihr Maximum im Monat Mai haben. Der August
ist schließlich der Monat für Wasserhosen schlechthin. Fast die
Hälfte aller seit 2001 dokumentierten Wasserhosen treten im August
auf.

Zu welcher Tageszeit gibt es die meisten Tornados?
Nun noch ein Blick auf den Tagesgang. Nicht überraschend treten die
meisten Tornados in den Nachmittags- und Abendstunden auf. Diese Zeit
fällt auch mit dem Maximum der solaren Einstrahlung und (damit) dem
Maximum der Gewitteraktivität zusammen. Auffällig ist dabei, dass
starke Tornados tendenziell etwas später am Tag auftreten. Bei den
Wasserhosen gibt es ein viel breiteres Spektrum an Zeiten, wann man
diese beobachten kann. Herausarbeiten lässt sich neben einem Minimum
um die Mittags- bzw. frühe Nachmittagszeit, ein Hauptmaximum am
Vormittag. Dass nachts kaum Wasserhosen in der Datenbank zu finden
sind, lässt sich recht einfach erklären: Man sieht sie einfach nicht.
Es ist also davon auszugehen, dass daraus auch eine gewisse
Dunkelziffer resultiert.

Nun aber genug zu Statistiken. Entscheidend für das Auftreten von
Tornados ist vor allem, dass die passenden Zutaten zusammenkommen.
Und da ist es egal, welcher Monat im Jahr gerade ist. Dies hat gerade
das laufende Jahr wieder gezeigt. Obwohl im Februar statistisch
gesehen nur 1 % aller starken Tornados im Jahresverlauf registriert
werden, hat der starke Tornado von Lashorst zu größeren Schäden
geführt.


Dipl.-Met. Marcus Beyer
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 18.04.2023

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