Thema des Tages

03-05-2023 14:20


Wetter aktuell
2023 - Ein April, wie er FRÜHER einmal war!

Die meisten werden den diesjährigen April wohl in keiner guten
Erinnerung behalten. Bezüglich der Mittelwerte von 1961-1990 verlief
der Monat aber recht durchschnittlich. Führt uns unser Gefühl etwa in
die Irre? Nun, es kommt auf die Betrachtungsweise an.



Irgendwie haben die meisten Bundesbürger - der Autor dieses Textes
eingeschlossen - das Gefühl, dass in diesem Jahr der Frühling nicht
so recht in die Gänge kommen mag. Zwei Drittel des (meteorologischen)
Frühlings sind schon vorbei. Die Tage, an denen man am Nachmittag bei
Sonnenschein mit T-Shirt im Freien einen leckeren Eisbecher genießen
oder abends bei angenehmen Temperaturen grillen konnte, kann man aber
an einer Hand abzählen. Vor allem vom April haben wohl die meisten
den Eindruck, dass er viel zu kühl, regenreich und eher trüb war.

Vergleicht man die Monatsmittelwerte von Temperatur, Sonnenschein und
Niederschlag hingegen mit der klimatologischen Referenzperiode
1961-1990, so erhält man ein anderes Bild. Demnach war der April 2023
eigentlich ziemlich durchschnittlich (siehe auch Pressemitteilung zum
April 2023). Mit einer Monatsmitteltemperatur von 7,5 Grad war der
Monat sogar geringfügig zu mild (Abweichung: +0,2 Grad). Auch
bezüglich des Sonnenscheins wurde das klimatologische Mittel fast
exakt getroffen, mit 151 Sonnenstunden wurden 98% des Klimamittels
(154 Stunden) erreicht. Sonderlich regenreich war der Monat auch
nicht. Zwar fiel im deutschlandweiten Mittel mit 63,3 mm etwas mehr
Niederschlag als im Mittel (58,2 mm), die Abweichung betrug aber nur
9%.

Hat uns unser persönlicher Eindruck also derart in die Irre geführt?
Nicht unbedingt! Im Zuge der Klimaveränderung haben sich die
klimatischen Bedingungen bei uns in Deutschland in allen Monaten
verändert, ganz besonders aber im April (weiterführende Infos im
beigefügten Link). Vergleicht man den diesjährigen April mit der
neueren Referenzperiode 1991-2020 (blau gestrichelte Linie in den
Abbildungen), die eher dem "gefühlten Durchschnitt" entspricht, kommt
man zu einem anderen Schluss. Demnach war der Monat mit einer
Abweichung von -1,4 Grad signifikant zu kalt (Mittel 1991-2020: 9,0
Grad), deutlich zu nass (Abweichung 42% vom Mittel: 44,7 mm) und auch
deutlich zu sonnenscheinarm (Abweichung -17,5% vom Mittel: 183
Sonnenstunden). Es kommt also auf die Wahl der Referenzperiode an,
mit dem man den Monat vergleicht.


Generell sollen Klimareferenzperioden ermöglichen, den aktuellen
Witterungszustand sowohl zum gegenwärtigen Klimazustand einer Region
als auch zur langfristigen Entwicklung des Klimas in der Region in
Beziehung zu setzen. In einem stabilen Klima können diese beiden
Zwecke durch eine gemeinsame Referenzperiode erfüllt werden. Gemäß
den Empfehlungen der Weltorganisation für Meteorologie (WMO) ist es
üblich, zur Erfassung des Klimas und seiner Änderungen Mittelwerte
über einen Zeitraum von 30 Jahren zu bilden. Hierfür kam in der
Vergangenheit häufig der Zeitraum 1961 bis 1990 zum Einsatz. Da
Klimaelemente wie Temperatur, Sonnenstunden und Niederschlag aufgrund
des anthropogenen Klimawandels allerdings einen konsistenten Trend
aufweisen, ist für eine statistische Beschreibung des aktuellen
Klimas die neuere Klimanormalperiode 1991-2020 vorzuziehen. Die
klimatischen Bedingungen dieses Zeitraums entsprechen auch dem
"erlebten" Klima der Bevölkerung, weshalb der Mittelungszeitraum
1991-2020 deutlich besser geeignet ist, einen aktuellen Monat
einzuordnen. Andererseits ist es für die Betrachtung der
langfristigen Entwicklung des Klimas sinnvoll, eine feste
Standardperiode als Referenzpunkt zu nutzen, die einen mittleren
Zustand des Klimas im Untersuchungszeitraum abbildet. Wenn zum
Beispiel die Temperaturentwicklung in Deutschland seit 1881 relativ
zu 1991-2020 betrachtet wird, erscheinen fast alle Jahre dieser
Zeitreihe als "zu kühl", auch relativ warme Jahre.

Da mit einer Klimareferenzperiode folglich nicht mehr alle
Anforderungen erfüllt werden können, empfiehlt die WMO die Nutzung
von zwei Bezugszeiträumen:

1) Für die Bewertung langfristiger Klimaentwicklungen wird die
WMO-Referenzperiode 1961-1990 beibehalten, da dieser Zeitraum nur zum
Teil von der aktuell zu beobachteten beschleunigten Erwärmung
betroffen ist.

2) Für Aufgaben des Klimamonitorings, wie z.B. monatliche, saisonale
oder jährliche Anomalienkarten, die nicht auf die Überwachung des
längerfristigen Klimawandels ausgerichtet sind, sowie als Basis für
Klimavorhersagen, werden die Klimanormalperioden zukünftig alle zehn
Jahre aktualisiert.

Der DWD setzt diese Empfehlungen um und verwendet für Auswertungen im
Zusammenhang des längerfristigen Klimawandels weiterhin den Zeitraum
1961-1990 als Klimanormalperiode. Im Kontext des zeitnahen
Klimamonitorings wird daneben die aktuelle Referenzperiode 1991-2020
eingesetzt.

Kommen wir abschließend nochmal auf den diesjährigen April 2023
zurück, so kann man zusammenfassend also feststellen, dass der Monat
vor 40 oder 50 Jahren völlig normal gewesen wäre, quasi ein "April,
wie er früher einmal war". Im Vergleich zu den klimatischen
Bedingungen der letzten Jahrzehnte hingegen war er signifikant zu
kühl, sonnenscheinarm und zu nass. Unser Gefühl hat uns also doch
nicht getäuscht.

Dr. rer. nat. Markus Übel
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 03.05.2023

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