Thema des Tages

26-10-2016 14:40

Fern-Seher

Nebel ist im Herbst ja nichts Ungewöhnliches. Im Gegenteil. Man kann
sogar sagen, dass herbstliche schwachwindige Hochdruckwetterlagen
geradezu prädestiniert sind für Nebel. Woran das liegt? Einerseits
ist die Luft oftmals feucht, eine Grundvoraussetzung für die
Nebelbildung, andererseits kühlt es in den immer länger werdenden
Nächten stärker aus, was ebenfalls positiv für die Nebelbildung ist.


Und so hat sich auch in der Nacht zum heutigen Mittwoch (26.10.)
wieder verbreitet Nebel gebildet, speziell im Norden und in einigen
Mittelgebirgslagen. Verbreitet - aber nicht überall! Insbesondere in
den Hoch- und Gipfellagen der Mittelgebirge waren am heutigen Morgen
die horizontalen Sichtweiten sehr gut, von Nebel also keine Spur.
Warum?

In der derzeitigen Großwetterlage liegt über einer recht kühlen und
feuchten Grundschicht eine relativ warme und deutlich trockenere
Luftmasse. Das kann man gut in der beigefügten Grafik erkennen, die
unten rechts den Radiosondenaufstieg von heute Nacht 2 Uhr MESZ an
der Station Essen-Bredeney zeigt. Unterhalb der in etwa 1 km Höhe
liegenden (in diesem Fall völlig unpolitischen) roten Linie ist die
Luft feucht. Dies erkennt man daran, dass die gestrichelte Kurve für
den Taupunkt (der ein Maß für die Feuchte ist) sehr nah an der
durchgezogenen Kurve der Temperatur liegt. Man spricht davon, dass
die Luft (fast) gesättigt ist, also die relative Feuchte nahe bei
100% liegt. In der Grafik wird entsprechend der hohen Feuchte mit den
grauen Flächen Nebel- und Wolkenbildung angedeutet.

Anders ist die Situation oberhalb der roten Linie. Die Kurven von
Temperatur und Taupunkt entfernen sich deutlich voneinander (Die
Temperatur steigt dort sogar mit der Höhe an!). Dem entsprechend ist
die relative Feuchte in dieser Luftschicht deutlich geringer, die
Luft also trockener als bodennah. Mit anderen Worten: Wer heute
Morgen aus der feuchten Schicht oberhalb von etwa 1000 Meter
herausgucken konnte, hatte gute Sicht.

Dies gilt beispielsweise für die "Bergriesen" aus Hessen und NRW, die
Wasserkuppe und den Kahlen Asten. Mit 40 bzw. 30 km Sichtweite
bildeten die beiden am heutigen Morgen das "Fern-Seher-Top-Duo". Auch
im Bayerischen Wald waren die Sichten teilweise gut, während über den
Alpen (in der Grafik in weißer Farbe zu erkennen) dichte Wolken
lagen. Die "In-Die-Ferne-Seher" auf den "Fern-Seher-Gipfeln" bekamen
übrigens ein sehr entspannendes Naturprogramm geboten.

Ebenfalls interessant gestalteten sich die Prozesse am Erzgebirge
(roter Kasten). Mit einer mäßigen nord-nordwestlichen Strömung wurden
Wolken gegen die Berge gedrückt, auch in den Gipfellagen waren dort
die Sichtweiten gering. Dem gegenüber trocknete auf der Leeseite in
Tschechien die Luft aus und die Wolken lösten sich teilweise auf
(dunkle Flecken im grau-rötlichen Sat-Bild). Dadurch war die relative
Feuchte der Luft auf der Südseite des Erzgebirges geringer als auf
den Gipfeln und die Orte Cheb, Kadan und Doksany konnten mit
vollkommen berufsverkehrstauglichen Sichtweiten von mindesten 20 km
glänzen.

Dipl.-Met. Martin Jonas
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 26.10.2016