Thema des Tages

11-05-2023 12:50


Wissenschaft kompakt
Der nächste Sommer kommt bestimmt, oder?

In diesem Frühjahr überwiegt der Eindruck von nassem und insgesamt
auch eher kühlem Wetter. Was bringt uns nun der kommende Sommer? Dazu
werden aktuell vorliegende saisonale Vorhersagen diskutiert.

Saisonale Klimavorhersagen geben eine Prognose darüber ab, mit
welcher Wahrscheinlichkeit die kommenden Monate wärmer/kälter oder
auch trockener/feuchter als im langzeitlichen Mittel werden. Die
Kombination von numerischen Vorhersagen für die zukünftige Periode
mit zusätzlichen Vorhersagen aus der Vergangenheit erlaubt eine
gewisse statistische Bewertung der Prognosen und die Ableitung von
Trendaussagen auf Basis einer Klimatologie. Damit unterscheiden sich
die saisonalen Klimavorhersagen grundlegend von der Wettervorhersage,
welche Aussagen über detailliertes Wettergeschehen der nächsten
Stunden bis Tage trifft.

Bei einer Prognose über einen Zeitraum von mehreren Monaten sind
zudem alle "Akteure" des Klimasystems zu berücksichtigen: nicht nur
die untere Schicht der Atmosphäre (die Troposphäre, vom Boden bis
circa 9-16 km Höhe), sondern auch höhere Luftschichten (v.a. im
Winterhalbjahr die Stratosphäre, in etwa 15 bis 50 km Höhe), der
Boden sowie der Ozean und das Meereis. Für die saisonale
Klimavorhersage wird ein mit all diesen Komponenten gekoppeltes
Klimamodell genutzt.

Eine prägnante Zusammenfassung der aktuellen saisonalen
Wettervorhersage (so genannte Multimodellvorhersage, also unter
Beteiligung einschlägiger globaler Wettermodelle) befindet sich auf
folgender Seite: copernicus.eu

Für Mitteleuropa wird demnach ein (leicht) zu warmer Sommer
simuliert, mit normalen, nach Süden hin leicht erhöhten
Niederschlagssignalen. Schaut man auf die prognostizierte mittlere
Luftdruckverteilung in Meereshöhe über die drei Sommermonate, fällt -
unabhängig von im Sommer oft schwächeren Luftdruckgegensätzen, doch
ein gewisses Muster auf - die erhöhte Wahrscheinlichkeit für höheren
Luftdruck über dem östlichen Nordatlantik und Teilen Skandinaviens,
demgegenüber relativ deutliche Signale für tieferen Luftdruck über
Süd- und Südwesteuropa (deutlich südlicher verlaufende Frontalzone
mit häufig kombiniertem Subpolar- und Subtropen-Jet im
Atlantiksektor). Diese Konstellation entspräche für den Index der
Nordatlantischen Oszillation (kurz NAO-Index) wohl eine (leicht)
negative Abweichung.

Letzteres erinnert nicht ganz zufällig an den überwiegend negativen
NAO-Index im März 2023 als troposphärische Reaktion (schwächerer
Nordatlantik-Jet) auf das Major-Warming in der mittleren und oberen
arktischen Stratosphäre vom 16.02.2023.

Demzufolge könnte die Stratosphären-Troposphären-Kopplung im Frühjahr
als Prädiktor Aufschlüsse geben zur sommerlichen Zirkulation, wie
neue Studien nahelegen. Dabei wird zur Vorhersage der sommerlichen
Nordatlantischen Oszillation (SNAO) mit der Erfahrung bzw. Statistik
der letzten Jahrzehnte (Hindcast oder nachträgliche Vorhersage mit
Klimadaten) agiert. Der primäre Prädiktor ist die Ausprägung des
Nordatlantischen Jetstreams (vereinfacht über den NAO-Index
ausgedrückt) im März, die mit dem Index der sommerlichen
nordatlantischen Oszillation (SNAO) mit einem
Korrelationskoeffizienten von 0,66 über den Zeitraum 1979-2018
korreliert hat. Diese doch recht gute Korrelation könnte also die
aktuelle Sommerprognose unterstützen.

Im Sommer 2022 gab es hingegen eine umgekehrte Korrelation, d.h. NAO
positiv im März (stark ausgeprägter Nordatlantik-Jetstream, gestützt
u.a. durch einen starken stratosphärischen Polarwirbel, SPV) führte
zu SNAO positiv in den Sommermonaten, klassischerweise mit getrennt
verlaufenden Subtropen- und Subpolar-Jets im Atlantiksektor.

Die Überlegungen dazu sind in diesem Tagesthema näher erläutert im
Thema des Tages vom 19.05.2022.
Somit könnte die Kopplung zwischen Stratosphäre und Troposphäre im
Frühjahr (z. B. nach einer finalen oder späten Stratosphärenerwärmung
im Spätwinter) eine wichtige Rolle bei der erweiterten
Vorhersagbarkeit vom Frühjahr bis in den Sommer hineinspielen. Im
Gegensatz dazu herrscht die allgemeine Erkenntnis, dass die
Auswirkungen dieser dynamischen Kopplung außerhalb der Wintersaison
relativ inaktiv sind.
Derartige Ergebnisse können die sommerliche saisonale Vorhersage des
nordhemisphärischen Klimas unterstützen, was vor allem dem
Energiesektor, aber auch der Land- und Wasserwirtschaft zugutekommt.


Dipl.-Met. Dr. Jens Bonewitz
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 11.05.2023

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