Thema des Tages

24-06-2023 11:50


Wetter aktuell
Die atlantische Hurrikansaison 2023 nimmt Fahrt auf

Zum ersten Mal seit 1968 sind im Atlantik im Juni mit BRET und CINDY
zwei benannte Tropenstürme gleichzeitig unterwegs. Im heutigen Thema
des Tages schauen wir auf die bisherigen und aktuellen Tropenstürme
im tropischen Atlantik in der noch jungen Hurrikansaison.

Offiziell hat die atlantische Hurrikansaison am 1. Juni begonnen und
wird am 30. November enden. Diese Daten beschreiben historisch
gesehen den Zeitraum eines jeden Jahres, in dem die meisten
tropischen Wirbelstürme im Atlantik entstehen. Die Bildung
subtropischer oder tropischer Wirbelstürme ist jedoch zu jeder Zeit
des Jahres möglich. So entwickelte sich etwa Mitte Januar diesen
Jahres ein subtropischer Sturm nordwestlich der Bermudainseln und zog
nahe der Ostküste Nordamerikas bis nach Nova Scotia und Neufundland.
Pünktlich zum Start der diesjährigen Wirbelsturmsaison am 1. Juni
entwickelte sich im östlichen Golf von Mexiko aus einer tropischen
Depression mit ARLENE der erste benannte Tropensturm
(Windgeschwindigkeiten von 63 bis 118 km/h). Allerdings verhinderten
eine erhöhte Windscherung und eine zu trockene Atmosphäre, dass sich
das System weiter verstärken konnte, während es im Golf von Mexiko
langsam nach Süden driftete. Schon am 3. Juni schwächte sich daher
ARLENE soweit ab, sodass es zu einem tropischen Tiefdruckgebiet
herabgestuft wurde.


Die beiden Nachfolger von ARLENE stellen aktuell eine Besonderheit
auf. Zum ersten Mal seit 1968 sind im Juni mit BRET und CINDY zwei
Tropenstürme im Atlantik gleichzeitig aktiv. Die beiden entwickelten
sich aus aufeinanderfolgenden tropischen Wellen vor der Küste
Westafrikas. Unterstützt durch die außergewöhnlich warmen
Meeresoberflächentemperaturen des tropischen Atlantiks und geringer
Scherung konnte sich die erste Störung bis zum 19. Juni immer besser
organisieren und wurde infolgedessen etwa 2000 km östlich der kleinen
Antillen zum Tropensturm BRET hochgestuft. Auf seinem weiteren Weg
nach Westen erreichte BRET am vergangenen Donnerstag seine höchste
Intensität mit einer maximalen Windgeschwindigkeit (Mittelwert über
eine Minute) von 115 km/h. Nachfolgend geriet BRET allerdings in ein
Gebiet mit höherer Windscherung, wodurch er noch vor Passage der
Antillen eine Intentsitätsabnahme verzeichnete. Inzwischen hat BRET
das südöstliche Karibische Meer erreicht und wird sich bis zum
morgigen Sonntag weiter zur Tropischen Depression abschwächen.


Zu Beginn der laufenden Woche konnte sich aus der zweiten tropischen
Welle im östlichen tropischen Atlantik zunehmend die Konvektion
besser organisieren, sodass vom National Hurricane Center am
Donnerstag das System zunächst zu einer Tropischen Depression
hochgestuft wurde. Trotz eher grenzwertigen atmosphärischen
Bedingungen verstärkte sich das System weiter, sodass es am gestrigen
Freitagmorgen als Tropensturm CINDY deklariert wurde. In den
kommenden Tagen wird CINDY eine nordwestliche Zugbahn einschlagen und
östlich der Inselgruppen der Antillen auf dem offenen Atlantik
bleiben. Bis kommenden Dienstag soll sich CINDY dann im Seegebiet
östlich der Inselgruppen der Bahamas und südlich der Bermudainseln
wieder abschwächen.


Noch steht die Hurrikansaison 2023 relativ weit am Anfang. Die
meisten Prognosen zur diesjährigen Saison, die von verschiedenen
staatlichen und privaten Institutionen angefertigt wurden, rechnen
mit einer weitgehend durchschnittlichen Wirbelsturmaktivität. Die
National Oceanic and Atmospheric Administration (NOAA) mit dem
National Hurrican Center (NHC) prognostiziert etwa eine Spanne von
insgesamt 12 bis 17 benannten Stürmen. Davon könnten sich 5 bis 9
weiter zu Hurrikans entwickeln, wovon wiederum etwa 1 bis 4 Systeme
die Kategorie 3 oder höher erreichen könnten.

Im Vergleich zu den vergangenen Jahren könnte die diesjährige Saison
damit voraussichtlich etwas weniger aktiv sein. Dies ist auf
entgegenwirkende Faktoren zurückzuführen, von denen einige die
Entwicklung von Stürmen unterdrücken und andere sie anheizen könnten.
Dafür ist auch ein Blick in den Pazifik zu richten, denn dort wäre es
möglich, dass sich in den kommenden Monaten das El Niño Phänomen
weiter verstärkt. El Niño hat dabei auch Auswirkungen auf den
Atlantik. So intensiviert sich unter El Niño Bedingungen in der Regel
die vertikale Windscherung und atmosphärische Stabilität im
Nordatlantik, wodurch die Entwicklung von tropischen Wirbelstürmen
limitiert werden könnte. Der El Niño bedingten Zunahme der vertikalen
Windscherung könnten die bereits jetzt schon vorherrschenden
anormalen und weit überdurchschnittlichen warmen
Meeresoberflächentemperaturen im tropischen Atlantik und in der
Karibik entgegenwirken. Dadurch steht für die Sturmentwicklung mehr
Energie zur Verfügung. Zudem besteht das Potential für einen aktiven
westafrikanischen Monsun, wodurch eine höhere Anzahl an tropischen
Wellen in den östlichen tropischen Atlantik laufen können. Diese
wiederum vermögen möglicherweise stärkere und langlebigere Stürme zu
initiieren.

Egal wie viele Wirbelstürme bis zum Ende der Saison im November
gezählt werden, ein einzelner heftiger Wirbelsturm (z.B. Hurrikan IAN
der Kategorie 5 im September 2022), der in besiedelten Regionen an
Land geht, kann für eine ganze Saison prägend sein.


M.Sc.(Meteorologe) Sebastian Altnau
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 24.06.2023

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