Thema des Tages

01-07-2023 11:20


Wissenschaft kompakt
Gewitter der Superlative

Vor eineinhalb Jahren brach der Vulkan Hunga Tonga-Hunga Ha'apai aus.
Seitdem gab es diverse Untersuchungen diesbezüglich. Kürzlich fand
ein Forscherteam heraus, dass durch die Eruption dieses
Unterwasservulkans enorm blitzintensive Gewitter ausgelöst wurden.

Am 15. Januar 2022 überschlugen sich die Nachrichten als der
Unterwasservulkan Hunga Tonga-Hunga Ha'apai ausbrach. Von
"Mega-Eruption" und "Rekordausbruch" war in den Medien die Rede. Was
reißerisch klang, hat sich nun bestätigt. Kürzlich veröffentlichte
ein Forscherteam Analysen zu dem Vulkanausbruch, in denen sich ein
Rekord an den nächsten reiht.

Das Forscherteam zog Datensätze von Satelliten und dreier
bodengebundener Netzwerke von Radioantennen heran, um die Gewitter,
die bei der Eruption des Vulkans ausgelöst wurden, zu untersuchen.
Speziell wurde auf die enorme Intensität der Gewitter Wert gelegt,
welche sich durch eine sehr hohe Blitzrate äußerte. Bevor wir dazu
kommen, zunächst noch ein paar andere Daten, denn der Ausbruch war in
vielerlei Hinsicht rekordverdächtig.

Die Haupteruption brachte eine Wolke hervor, dessen überschießender
Aufwind (engl.: overshooting top) bis in 58 Kilometern Höhe empor
stieß. In dieser Höhe befindet sich bereits die Mesosphäre. Darunter
liegen die Stratosphäre (etwa zwischen zwölf und 50 Kilometern) und
ganz unten die Troposphäre (null bis rund zwölf Kilometer), in der
sich unser Wetter abspielt. In der Regel durchbrechen Wolken von
Superzellen, welche die heftigsten Gewitter auf der Erde darstellen,
"nur" die Tropopause, die sich zwischen Troposphäre und Stratosphäre
in Höhen von rund zwölf Kilometern befindet. Nachdem der Aufwind
dieses heftigen Gewitters bis in 58 Kilometer Höhe vorangekommen war,
fiel er innerhalb von nur zehn Minuten wieder auf eine Höhe von etwa
30 Kilometer quasi "in sich zusammen". Das sind 28 Kilometer in zehn
Minuten oder anders ausgedrückt, 2,8 Kilometer pro Minute, was
wiederum 47 Metern pro Sekunde entspricht und eine immense
Schnelligkeit bedeutet. Solche overshooting tops entstehen im
Zusammenhang mit Gewitterwolken, die einen Aufwind haben, der so
stark ist, dass er die Konvektionsobergrenze - das
Gleichgewichtsniveau - durchbricht. In Superzellen hat der
überschießende Aufwind üblicherweise "nur" einen Durchmesser von ein
bis 20 Kilometern. Der überschießende Aufwind dieses Gewitters hatte
jedoch einen Durchmesser von 100(!) Kilometern.

Aufgrund des Überschießens wurde an der Oberkante der Vulkanwolke
eine enorme Schwerewelle ausgelöst. Optisch kann man sich diese
vorstellen wie Ringe im Wasser, wenn ein Stein hineingeworfen wird.
Es ist nicht unüblich, dass sich an overshooting tops heftiger
Gewitter, von Waldbrandaschewolken oder Vulkanaschewolken
Schwerewellen ausbilden. In diesem Fall war die Gravitationswelle
aber von extremer Stärke. Im Maximum hatte die Welle eine Amplitude
von mehr als fünf Kilometern. Zwischen Wellenberg und Wellental lagen
also mehr als zehn Kilometer. Zudem breitete sich diese Schwerewelle
mit Geschwindigkeiten von mehr als 80 Metern pro Sekunde seitwärts
aus, was wiederum etwa 290 Kilometern pro Stunde gleichkommt.

Ebenso außergewöhnlich war, dass sich die Blitze in dem Gewitter
ringförmig ausbreiteten und an die erwähnte Gravitationswelle
gebunden waren. Diese sogenannten Blitzringe hatten einen Durchmesser
von 280 Kilometern. Nie zuvor wurden jemals solch ausgedehnte
Blitzringe auf der Erde an Gewittern registriert.

All dies scheint noch nicht genug, sorgte die Eruption doch für ein
außergewöhnlich energiegeladenes Gewitter. Herausragend war vor allem
die Blitzrate. Die höchste Blitzintensität betrug 2615 Blitze pro
Minute. Zum Vergleich: In der Gewitterlinie (mehrere Gewitter
linienförmig angeordnet) am vergangenen Montag (26.06.2023) blitzte
es in Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg etwa 200 bis 300 Mal pro
Minute. Dies entspricht einem Zehntel dessen, was das eine Gewitter
am Hunga-Tonga Vulkan hervorbrachte. Eine solche Blitzrate, wie in
diesem Fall, wurde auf der Erde noch nie registriert, weder in
Superzellen noch in Gewittern, die in Verbindung mit tropischen
Wirbelstürmen standen.

Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass diese intensive
Elektrifizierung der Eruption auf drei wesentliche Aspekte
zurückzuführen ist: Erstens war die Eruptionsrate enorm hoch.
Zweitens wuchs die Pyrocumulonimbuswolke sehr schnell an. Daraus
wiederum resultierten heftige Turbulenzen, sodass es zu starken
Kollisionen zwischen den Teilchen in der Wolke kam. Und drittens war
das Zusammenspiel von Lava und Meerwasser günstig, was dazu führte,
das gigantische Mengen Wasserdampf in der Wolke bis in die
Stratosphäre hinaufgeschossen sind. Wasser- sowie Eispartikel wurden
in der warmen Wolke bis in Höhen von etwa 30 Kilometer transportiert.
Dass diese Mischphase noch in der Stratosphäre nachgewiesen wird, ist
für Gewitter genauso ungewöhnlich.

Die Forscher gehen davon aus, dass dieses Gewitter das heftigste war,
welches jemals auf der Erde detektiert wurde.


Dipl.-Met. Julia Tuschy
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 01.07.2023

Copyright (c) Deutscher Wetterdienst