Thema des Tages

13-07-2023 12:50


Wissenschaft Kompakt
Zusammenhang zwischen Hitze und Frühgeburten

Eine groß angelegte Studie der Hamburger Uniklinik unter Verwendung
von Daten des DWD belegt erstmals, dass hohe Temperaturen das Risiko
einer späten Frühgeburt signifikant erhöhen können.

Die Hitze der vergangenen Tage war zweifelsohne für viele Menschen
anstrengend ? stellen die hohen Temperaturen verbunden mit einer
geringen nächtlichen Abkühlung doch eine enorme Belastung für den
menschlichen Organismus dar. Bei den Hitzewarnungen werden jedoch
einige Personengruppen immer besonders angesprochen: Vor allem ältere
und pflegebedürftige Menschen, chronisch Kranke, Kinder und
Schwangere sind besonders gefährdet.
Doch für Schwangere besteht bei Hitzewellen nicht nur das Risiko
eines Hitzschlags oder eines Sonnenstichs, sondern auch einer
Frühgeburt. In jüngster Zeit haben immer mehr Studien gezeigt, dass
das Risiko für Frühgeburten und ein niedriges Geburtsgewicht durch
hohe Temperaturen und damit verbundenem Hitzestress erhöht ist. Die
Mehrzahl der Untersuchungen wurde jedoch in geografischen Regionen
mit hohen Durchschnittstemperaturen durchgeführt, sodass die
Auswirkungen von Hitzeperioden in Regionen mit gemäßigtem Klima
unberücksichtigt blieben. Diese Lücke wurde nun durch eine Studie des
Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) geschlossen.
Die Wissenschaftler analysierten dazu mehr als 42.000 Patientenakten
von Schwangeren, die zwischen 1999 und 2021 im UKE entbunden haben
und verglichen die errechneten und tatsächlichen Geburtstermine mit
Daten des Deutschen Wetterdienstes (Temperatur und relative Feuchte
an der Station Hamburg-Fuhlsbüttel). Das Ergebnis: Hitzestress von 30
°C erhöht das Frühgeburtsrisiko um 20 Prozent, Temperaturen über 35
°C können das Risiko sogar um 45 Prozent steigern. Vor allem bei
Schwangeren zwischen der 34. und der 37. Schwangerschaftswoche führte
die starke Wärmebelastung zu einer früheren Geburt, man spricht in
dem Zeitraum auch von einer ?späten Frühgeburt?. Die Gefahr ist
allerdings nicht direkt beim ersten heißen Tag gegeben: Erst nach dem
dritten oder vierten Tag ohne merkliche Abkühlung, verbunden mit
einer hohen Luftfeuchtigkeit (und damit einer hohen Gefühlten
Temperatur), setzten vermehrt vorzeitige Wehen ein.

Doch wie kommt dieser Zusammenhang zustande? In der Schwangerschaft
drückt der Bauch auf die Hauptvene (Vena cava), sodass am Herzen
nicht mehr so viel Blut ankommt. Durch andauernde Hitze weiten sich
die Blutgefäße und verstärken diesen Effekt. Eine solche
hitzebedingte Gefäßerweiterung wird auch in der Gebärmutter
beobachtet, was die Versorgung des heranwachsenden Babys mit
Sauerstoff und Nährstoffen beeinträchtigt. In schwülen Nächten erhöht
zudem fehlender Schlaf den Stress. Parallel sinken die
Schwangerschaftshormone, der Cortisolspiegel steigt ? und dadurch
auch das Risiko einer Frühgeburt. Eine Geburt vor der 37.
Schwangerschaftswoche geht mit einem erhöhten Risiko für spätere
gesundheitliche Probleme einher. Unter anderem die Lungen, das
Verdauungs- und Immunsystem müssen zu dieser Zeit noch reifen, sodass
jeder Tag im Mutterleib zählt.
Durch den Klimawandel und die immer häufigeren Hitzewellen könnte die
Zahl der Frühgeborenen steigen: Den Wissenschaftlern zufolge könnten
in zehn Jahren rund 15 Prozent, also etwa jedes sechste Kind zu früh
geboren werden ? doppelt so viel wie heute.



Dipl.-Met. Magdalena Bertelmann
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 13.07.2023

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