Thema des Tages

01-11-2016 14:40

"Medicane TRIXI"

Der Terminus "Medicane" - man könnte ihn fast für die jüngste
Errungenschaft der forschenden Pharmaindustrie halten - erscheint
vielen Zeitgenossen zunächst als ein neuer, meteorologischer
Fachbegriff. Dabei gibt es ihn bereits seit ca. 30 Jahren. Es ist
eine Art Kunstwort und setzt sich aus "mediterran" und "Hurricane"
(engl. Schreibweise) zusammen. Geprägt wurde diese auch "Kofferwort"
genannte Konstruktion in den Achtzigerjahren des vergangenen
Jahrhunderts. Damals hatte sich die Satellitenmeteorologie endgültig
etabliert, was nicht zuletzt zur Gründung der "Europäischen
Organisation für die Nutzung meteorologischer Satelliten" (EUMETSAT)
führte. Auf Satellitenbildern entdeckte man über dem Mittelmeerraum
Tiefdruckgebiete, die ein wolkenfreies Zentrum ("Auge") aufwiesen,
das, wie bei den tropischen Wirbelstürmen, von spiralförmigen
Wolkenbändern umrundet wurde.

Weitere Untersuchungen zeigten, dass diese Art von Mittelmeertiefs
Mischformen aus tropischen und außertropischen Tiefdruckgebieten
sind, ihre Einstufung als "tropisch", "subtropisch" oder
"außertropisch" ist bislang allerdings noch umstritten. Im Gegensatz
zu den "echten" tropischen Wirbelstürmen (Hurrikane, Taifune und
Zyklone) sind Medicanes nicht in der Lage, nach ihrer Formation ein
sich selbst erhaltendes Zirkulationssystem auszubilden. Dafür ist das
Mittelmeer als Einzugsbereich offensichtlich zu klein und im
Vergleich mit den tropischen Ozeanen wohl auch "zu kalt". Medicanes
werden von "außen" angetrieben, und zwar durch Prozesse in der
mittleren und höheren Troposphäre im Zusammenhang mit der Polarfront,
sofern diese im Winterhalbjahr weit genug südwärts ausgreift. Darin
ähneln Medicanes nun wieder den auch unser Wetter bestimmenden,
außertropischen Tiefdruckgebieten der mittleren und höheren
geographischen Breiten. Medicanes werden nämlich ebenso von der
Westwinddrift gesteuert, d.h. ihre Zugrichtung verläuft prinzipiell
von West nach Ost.

Weiterhin ist das bei tropischen Tiefdruckwirbeln anzutreffende, in
der Vertikalen durchgehend warme Zentrum im Falle der Medicanes nur
auf die untere Troposphäre beschränkt. Darüber liegt, wie bei den
außertropischen Tiefdruckgebieten, in der mittleren und höheren
Troposphäre ein aus Kaltluft bestehender Kern. Meist zerfällt die
tropische Struktur der Medicanes rasch und sie enden an den Küsten
der Levante oder weiter im Binnenland Vorderasiens als gewöhnliche
zyklonale Wirbel, die der Region den ersehnten Winterregen bringen.
Auch ihre gesamte Lebensdauer ist im klimatologischen Mittel mit ca.
zwei Tagen deutlich kürzer als diejenige von gut ausgeprägten,
ausschließlich tropischen oder rein außertropischen
Tiefdruckgebieten. Die höchsten Windgeschwindigkeiten eines Medicanes
werden mit "nur" 120 km/h angegeben und treten "außen" in den
Spiralarmen auf und nicht etwa "innen", d.h. im Randbereich des
Auges.

Inzwischen wurde eine an die Saffir-Simpson-Skala für atlantische
Hurrikane angelehnte Klassifikation für Medicanes entwickelt. Nach
der gemittelten Spitzenwindgeschwindigkeit unterscheidet man hier die
"Mediterranean Tropical Depression" bei Werten unter 63 km/h, den
"Mediterranean Tropical Storm" mit 64 bis 111 km/h und den "Medicane
bzw. mediterranen Hurrikan" bei Geschwindigkeiten ab 112 km/h.
Medicanes treten vor allem im Herbst auf, wenn eine stark
mäandrierende Frontalzone weit nach Süden ausgreift und der
entstandene Trog mit hoch reichender Kaltluft über dem noch warmen
Mittelmeer von der sich wieder zonal orientierenden Westwinddrift
abgeschnitten wird ("Cut-Off-Prozess"). Das so gebildete "Höhentief"
bewirkt ein vertikales Aufsteigen der feucht-warmen Mittelmeerluft.
Dabei entsteht durch Abkühlung und Kondensation des in der Luft
enthaltenen Wasserdampfes der charakteristische Wolkenwirbel. Sofern
im Zentrum des Medicanes ein wolkenfreies "Auge" anzutreffen ist,
herrscht dort insgesamt eine durch komplizierte dynamische Prozesse
hervorgerufene Abwärtsbewegung vor, die mit Erwärmung und
Wolkenauflösung verbunden ist.

Der aktuelle Medican TRIXI entstand bereits am Donnerstag, den
27.10.2016, über dem südlichen Tyrrhenischen Meer als flaches
Tiefdruckgebiet mit einem Kerndruck zwischen 1015 und 1010 hPa. Er
zog zunächst südostwärts über Sizilien hinweg, verharrte über dem
südlichen Ionischen Meer um sich am gestrigen Montag mit einem
weiteren Tief über dem östlichsten Teil des Mittelmeeres zu
vereinigen. In seinem Einflussbereich traten verbreitet Sturmböen,
örtlich sogar Orkanböen um 120 km/h auf. Die beobachteten Regenmengen
beliefen sich auf mehrere zehn Liter pro Quadratmeter. Unter
http://www.dwd.de/DE/wetter/thema_des_tages/2016/11/1.html finden Sie
ein Satellitenbild des Medicanes TRIXI vom Sonntag, den 30.10.2016,
12:00 UTC, ergänzt um eine numerische Analyse der maximalen
Windgeschwindigkeit (Isotachen in Knoten [kt], 1 Knoten = 1,852
km/h). Bei etwa 36° Nord, 17,5° Ost, zeigt sich schwach konturiert
das "Auge" des Sturmes. An dessen Rand wird ein Windmaximum von 56 kt
= 104 km/h berechnet. In der Folgezeit verstärkte sich TRIXI zwar,
jedoch verschwand später die auf diesem Bild noch gut ausgeprägte
spiralförmige, tropische Wirbelstruktur.


Dipl.-Met. Thomas Ruppert
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 01.11.2016

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