Thema des Tages

04-08-2023 13:20


Wissenschaft kompakt
"Rollende" Wolken im Mittelmeer

Selten anzutreffen, aber äußerst schön anzusehen und sicherlich
aufregend zu surfen - "roll clouds", wie die australische "Morning
Glory Cloud" faszinieren ihre Beobachter immer wieder aufs Neue.
Gestern konnte ein solches Exemplar im Mittelmeer beobachtet werden.


Am gestrigen Donnerstag (03.08.2023) zeigte sich im Mittelmeer eine
recht selten zu beobachtende "roll cloud" (auf Deutsch weniger üblich
"Rollwolke"). Dabei handelt es sich um eine längliche, typischerweise
nicht allzu hohe und röhrenförmige Wolke, die sich scheinbar um eine
horizontale Achse zu rollen scheint.

Die Entstehung dieser außerordentlichen Wolke ist bislang allerdings
noch nicht vollständig verstanden. Im Mittelmeer konnte man gestern
eine Druckwelle beobachten, die sich in Südfrankreich in Zusammenhang
mit einem Kaltluftvorstoß formierte und sich in südliche Richtungen
fortbewegte. Darüber hinaus konnte man auch eine sogenannte
Konvergenz in Erdbodennähe beobachten. Dabei trafen Winde aus
verschiedenen Richtungen aufeinander (vorderseitig herrschte
südlicher Wind, rückseitig nördlicher Wind), wodurch die Luft in die
Höhe ausweichen musste. Diese Konvergenz bewegte sich in der Folge
als große, turbulente Welle fort.

Die Wolkenwelle kann man sich wie eine Wasserwelle mit einer geraden
Kammlinie vorstellen, nur eben aus Luft. Das Besondere an dieser
speziellen Welle ist nun, dass sie sich recht stabil über große
Distanzen ohne Änderung ihrer Form fortsetzen kann. Die gestrige
Mittelmeerwelle legt rund 400 Kilometer mit einer durchschnittlichen
Geschwindigkeit von rund 15 km/h zurück und erstreckte sich zeitweise
auf eine Länge von etwa 600 km. Dabei ist die Welle an sich nur
wenige Hunderte Meter bis wenige Kilometer hoch und breit.
Deutlich berühmter ist übrigens eine australische "roll cloud", die
sogenannte "Morning Glory Cloud". Jedes Jahr im australischen
Frühling, wenn in unseren Breiten der Herbst allmählich Einzug hält,
zieht es "Wolkensurfer" in den Golf von Carpentaria im Norden
Australiens. Denn von September bis November tritt dieses
beeindruckende Phänomen dort aufgrund der besonderen
Land-See-Verteilung sogar einigermaßen regelmäßig auf. Den Namen hat
die "Morning Glory Cloud" ursprünglich durch ihre morgendliche
Ankunftszeit an der Küste in Queensland (Australien) erhalten. Bei
günstigen Bedingungen können auch mehrere dieser Wolkenschlangen in
einer regelmäßigen Anordnung hintereinander gesichtet werden.

Viele Menschen sind fasziniert von diesem Phänomen. So ist es wenig
verwunderlich, dass Ende September das "Morning Glory Festival" zu
Ehren des Phänomens in der Kleinstadt Burketown (Australien)
stattfindet. Außerdem handelt es sich meteorologisch gesehen um eine
äußerst interessante und eigentlich sehr selten anzutreffende
Wolkenform. Entsprechend widmen sich auch Wissenschaftler der
Erforschung dieser Wolke. Seit dem Jahr 2017 wurde die Wolkenart
sogar im offiziellen Wolkenatlas der UN-Unterorganisation für
Meteorologie (kurz: WMO) aufgenommen und als "Strato- bzw.
Altocumulus volutus" benannt.

Aber auch unter Drachen- und Segelfliegern wird es zunehmend ein
Sport, diese faszinierende Wolke zu "surfen". An der Frontseite der
Welle kommt es zu Aufwinden, mit welchen die Luftmassen zum
Aufsteigen gezwungen werden und so den Gleitschirmfliegern ideale
Bedingungen zum Wolkensurfen bieten. Im hinteren Bereich sinkt die
Luft hingegen wieder ab. Deshalb sollten sich nur erfahrene Flieger
auf das Abenteuer einlassen.

Aber nicht nur im Mittelmeer oder im australischen Golf von
Carpentaria kann sich die "roll cloud" bilden. Es gibt weitere
Beobachtungen auf der ganzen Welt, wie beispielsweise von Daniela
Mirner Eberl im Januar 2009 in Maldonado, Uruguay festgehalten.
Allerdings ist der Australische Golf bisher der einzig bekannte Ort,
an dem diese faszinierende Wolke einigermaßen regelmäßig auftritt und
auch vorhersagbar ist, was es für Wissenschaftler einfacher macht,
dieses Phänomen zu beobachten und zu untersuchen.


M.Sc.-Met. Sebastian Schappert
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 04.08.2023

Copyright (c) Deutscher Wetterdienst