Thema des Tages

07-08-2023 13:50


Wissenschaft kompakt
Der Einfluss von Wetter und Klima auf die Menschheitsgeschichte ?
Teil 1

Am gestrigen Sonntag jährte sich der Atombombenabwurf auf Hiroshima
zum 78. Mal. Was dies mit dem Wetter zu tun hat und welche
historischen Ereignisse sonst noch durch das Wetter oder das Klima
beeinflusst oder hervorgerufen wurden, erfahren Sie in einer
mehrteiligen Reihe beim Thema des Tages, heute beginnend mit dem
ersten Teil.

Am 06. August 1945 zerstörte eine amerikanische Atombombe mit dem
harmlos klingenden Namen "Little Boy" die Stadt Hiroshima und tötete
70.000 bis 90.000 seiner Bewohner sofort. Die Wahl des Ziels fiel
mehr oder weniger zufällig auf Hiroshima. Weitere Optionen waren
Kokura und Nagasaki. Wenige Tage zuvor musste der Start des Flugzeugs
aufgrund schlechter Wetterbedingungen noch verschoben werden, da die
Bombe nur bei Sichtflugbedingungen eingesetzt werden durfte. Für den
06. August wurden dann gute Wetterbedingungen für Japan vorhergesagt.
Kurz nach 7 Uhr meldete ein amerikanisches
Wetterbeobachtungsflugzeug, der Wolkenbedeckungsgrad über Hiroshima
betrage drei Zehntel bei guter Sicht und somit war das Ziel für den
Einsatz dieser Atombombe gefunden.

Da das japanische Kaiserreich aber trotz der verheerenden
Zerstörungsgewalt dieser neuartigen Bombe nicht kapitulieren wollte,
entschieden die amerikanischen Befehlshaber, eine zweite Atombombe
mit dem Namen "Fat Man" einzusetzen. Das primäre Ziel war Kokura als
ein Zentrum der japanischen Rüstungsindustrie. Nagasaki war
ursprünglich nicht einmal auf der Liste der engeren Auswahl gewesen,
wurde dann aber als Ersatz für Kyoto hinzugefügt. Zunächst war der
11. August als Abwurfdatum vorgesehen, da aber schlechtes Wetter
vorhergesagt war, wurde der Einsatz um zwei Tage vorgezogen. Als der
Bomber an besagtem 09. August über Kokura ankam, lag die Stadt
allerdings unter dichten Wolken sowie Rauchschwaden eines
Brandbombenangriffs vom Vortag. Weitere zwei Anflüge folgten, aber
nachdem die Sicht nicht besser wurde und zudem das Flugbenzin zur
Neige ging, entschied man sich, das Ausweichziel Nagasaki
anzusteuern. Es sollte ein Direktangriff auf die Schiffswerften
erfolgen, allerdings herrschten auch über Nagasaki schlechte
Sichtverhältnisse. Eigentlich hätte der Angriff unter solchen
Umständen abgebrochen werden müssen, aber der Pilot entschied sich zu
einem Radaranflug, um die Bombe letztlich doch noch abwerfen zu
können. Der eigentliche Zielpunkt wurde zwar verfehlt, dafür
explodierte die Bombe über dicht bewohntem Gebiet und ließ wie
bereits in Hiroshima nur wenige Überlebende zurück.

Ein weiteres Ereignis zur Zeit des Zweiten Weltkrieges war der
sogenannte "D-Day" (Decision Day), der erste Tag der Invasion der
Alliierten (USA, Kanada, Großbritannien und weitere Verbündete) an
der französischen Atlantikküste in der Normandie. Kalendarisch
handelte es sich hierbei um den 06. Juni 1944. Diese groß angelegte
Militäraktion startete unter dem Decknamen "Overlord" und beinhaltete
die Einnahme deutscher Stellungen in der Normandie und die Errichtung
mehrerer Brückenköpfe, um den Nachzug weiterer Truppen zu
ermöglichen. Von dort aus sollte dann die Befreiung des westlichen
Europas von der Naziherrschaft erfolgen. Da diese Militäraktion die
Überquerung des unberechenbaren Ärmelkanals mit teils nur bedingt
hochseetauglichen Transportbooten erforderte, war eine erfolgreiche
Landung somit maßgeblich vom Wetter abhängig. Die Prognose eines
geeigneten Zeitfensters mehrere Tage im Voraus war zur damaligen Zeit
fast nicht möglich, denn bereits die Vorhersage des nächsten Tages
gestaltete sich schwierig. Zumal es sich bei dieser Region um eine
handelt, in der das Wetter sehr variabel ist. Aufgrund dieser
Variabilität ist eine Vorhersage über mehrere Tage auch heute noch
nur begrenzt möglich. Es kann also mit Fug und Recht behauptet
werden, dass diese Wettervorhersage im Jahr 1944 eine der wichtigsten
in der Geschichte werden sollte. Zumal das Militär mehrere
Grundvoraussetzungen festlegte:
- Ebbe, um mögliche Unterwasserhindernisse des Feindes erkennen zu
können;
- Trockener und für schwere Fahrzeuge tragfähiger Boden, somit sollte
es in den Tagen zuvor wenig bis gar nicht geregnet haben;
- Kein Morgennebel für gute Sichtbedingungen der Fallschirmjäger und
- Auflandiger Wind von maximal 20 km/h, aber keine Windstille.

Im Mai 1944 wurde der D-Day auf den Morgen des 05. Juni terminiert.
Anfang Juni war das Wetter sehr wechselhaft, da über dem Atlantik ein
Tiefdruckgebiet dem nächsten folgte. Nun sollte der D-Day verschoben
werden, aber um den Moment eines Überraschungsangriffs nicht zu
versäumen, wurde der D-Day nur um einen Tag verschoben.
Die Vorhersagen wichen damals stark voneinander ab, sowohl bei den
Alliierten untereinander als auch im Vergleich zur deutschen
Vorhersage. Für den 05. Juni sollte der Chefmeteorologe Eisenhowers
recht behalten, denn eine Kaltfront sorgte für viel Wind und Regen
und hätte die Militäraktion unmöglich gemacht. Hinter der Kaltfront
zeichnete sich für den 06. Juni vorübergehende Wetterberuhigung im
Zusammenhang von Zwischenhochdruckeinfluss ab und somit eröffnete
sich ein kurzes Zeitfenster für eine mögliche Invasion. Auf deutscher
Seite rechnete man weiterhin mit wechselhaftem und stürmischem
Wetter. Somit wurde das Überraschungsmoment vonseiten der Alliierten
genutzt, auch wenn sich das Wetter erst im Tagesverlauf besserte und
dadurch viele Soldaten bereits zu Beginn der Landung ihr Leben lassen
mussten.


M.Sc.-Meteorologin Tanja Sauter
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 07.08.2023

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