Thema des Tages

27-08-2023 13:20


Wetter aktuell
Dauerregen hat den Alpenraum im Griff


Das heutige Thema des Tages wirft einen Blick auf die
Dauerregensituation im Alpenraum ? sowohl auf die vergangenen als
auch auf die kommenden Tage.

Für die Meteorologen in den Alpenländern ist Dauerregen derzeit das
beherrschende Thema, müssen dort doch aktuell außergewöhnlich hohe
Niederschlagsmengen verkraftet werden. Dabei ist es vor allem Tief
ERWIN, das vom westlichen Mittelmeer in Richtung Oberitalien wandert
und morgen gegen Mittag im Golf von Genua erwartet wird, welches für
diese bemerkenswerten Niederschlagssummen verantwortlich ist. Denn im
Einflussbereich des Tiefs kommt es einerseits zu staubedingten
Hebungsprozessen an den Alpen, andererseits aber auch zu
großflächigem Aufgleiten unterschiedlicher Luftmassen (feucht-warm
vom Mittelmeer, vergleichsweise trocken-kalt von Westen), so dass
auch allein aus der Konfiguration der Luftmassen Hebung und in der
Folge Niederschläge generiert werden

Schon in den 24 Stunden vom gestrigen Samstagmorgen bis zum heutigen
Sonntagmorgen wurden im Zuge von ERWINs Aktivität Regensummen
registriert, die mancherorts durchaus auch als Monatssumme durchgehen
würden. Spitzenreiter war dabei die Station Biasca im schweizerischen
Tessin mit 192 l/qm (weißer Kreis in Abbildung 2). Ein wenig ins
Grübeln ob der Richtigkeit der Messungen kommt man bei solch extremen
Werten schon. Gänzlich abwegig sind sie aber nicht. Denn einerseits
haben auch die beiden (Berg-)Stationen Cimetta und San Bernadino in
der näheren Umgebung mit 135 l/qm und 102 l/qm ähnlich hohe
Niederschlagsmengen registriert, andererseits hat auch der deutsche
Rekordhalter Zinnwald-Georgenfeld (312 l/qm am 12./13.8.2002) schon
gezeigt, dass solche Mengen in solch kurzer Zeit nicht unmöglich
sind.

In der Gesamtschau erkennt man in Abbildung 2 einen mehr oder weniger
breiten Streifen von Südfrankreich bis ins Böhmische Becken, in dem
häufig mehr als 50 l/qm gefallen sind. Besonders betroffen war dabei
ein Gebiet zwischen den schweizer Kantonen Waadt und Wallis im
Nordosten und dem französischen Languedoc im Südwesten. So
registrierten die Messgeräte im kleinen Ort Saint Aupre im
Departement Isère 71 l/qm. Bei den Werten über Südbayern und hinüber
nach Tschechien ist allerdings Vorsicht geboten. Denn diese beiden
?Streifen? sind nicht Teil der Dauerregen-?Erzählung?. Vielmehr sind
dort am gestrigen Nachmittag schwere Gewitter durchgezogen, die für
die entsprechend hohen Niederschlagssummen gesorgt haben.

Die Frage für die niederschlagsgeplagten Alpenraumbewohner ist jetzt
natürlich, wie es mit dem Regen weitergeht. Und da kann leider noch
nicht von Entwarnung gesprochen werden. Zwar sind die Ostalpen
vergleichsweise weniger stark betroffen als der restliche Alpenraum,
und in den französischen Alpen scheint der überwiegende Teil des
Regens schon gefallen zu sein, aber ansonsten hat man beim Blick auf
die Vorhersagemodelle den Eindruck, es geht erst richtig los.

ICON-EU (Abbildung 3) legt den Niederschlagsschwerpunkt bis zum
Dienstagabend ins Tessin (voraussichtlich schon wieder stark
betroffen!) und in die südwestlich anschließende Lombardei bzw. ins
Piemont. Bis zu 250 l/qm sagt das Modell für die genannten Regionen
voraus. Weitere Brennpunkte bilden das Hinterland Genuas sowie
Venetien und Südtirol, wo 100 l/qm, lokal auch über 150 l/qm fallen
sollen.
Erst im Laufe des Dienstags schwächen sich die Regenfälle in den
genannten Gebieten ab. Denn allmählich verlagern sich die
Niederschläge, ebenso wie Tief ERWIN, nach Osten. Entsprechend regnet
es in den Ostalpen auch noch bis zum Mittwoch, Mengen, die auch nur
annähernd an die Im Tessin herankommen, muss allerdings niemand
befürchten.


Dipl.-Met. Martin Jonas
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 27.08.2023

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