Thema des Tages

04-10-2023 13:50


Wissenschaft kompakt
Warum der Jetstream die Flugzeiten beeinflusst


Wer letzte Woche mit dem Flieger von Nordamerika Richtung Europa
unterwegs war, musste mit bis zu einer Stunde Verspätung rechnen.
Gestern und heute hingegen waren die Flieger meist überpünktlich.
Woran liegt das?


Als Jetstream oder Strahlstrom wird ein Starkwindband in der
Atmosphäre bezeichnet. Dabei muss die maximale Windgeschwindigkeit
des Starkwindbandes mindestens 60 Knoten also etwa 110 Kilometer pro
Stunde erreichen. Zwischen dem 40. und 60. Grad nördlicher und
südlicher Breite befindet sich der sogenannte Polarfront- Jetstream
in einer Höhe von 8 bis 15 Kilometern. Der Polarfront Jeststream ist
dabei aber kein statisches Band, das sich um die Erde legt. Durch
größere Hindernisse wie beispielsweise die Rocky Mountains und die
Corioliskraft gerät der Jetstream ins schlingern und bildet Wellen.
Diese Wellen werden als Rossby-Wellen bezeichnet und mäandrieren um
den Globus.

Die genau Ausprägung der Rossby-Wellen hängt dabei zum einen von der
Jahreszeit ab. Im Sommerhalbjahr befindet sich der
Polarfrontjetstream auf der Nordhalbkugel weiter im Norden, zum
Herbst hin wandert der Strahlstrom wieder in südliche Richtungen. Zum
anderen ist der Jetstream im Sommer generell weniger intensiv
ausgeprägt als im Winter. Diese Verschiebung bestimmt das Wetter
sowohl in Nordamerika als auch in Europa. In der Regel sind starke
Stürme und Orkane über Europa auch immer mit einem starken
Polarfrontjetstream verbunden. Die Windgeschwindigkeit des
Strahlstroms über dem Nordatlantik hängt dabei von dem
Temperaturunterschied zwischen der arktischen Atmosphäre und der über
den gemäßigten Breiten ab. Umso größer die Temperaturdifferenz ist,
umso stärker weht der Strahlstrom. Im Sommer ist der
Temperaturunterschied etwas geringer, sodass der Jetstream meist
schwach ausgeprägt ist. Starke Stürme oder Orkane sind dann über
Europa eher selten. Im Herbst hingegen werden die Unterschiede wieder
größer. In der Arktis beginnt die Zeit der Polarnacht. Durch die
fehlende Sonneneinstrahlung geht die Temperatur der Troposphäre (also
der untersten Atmosphärenschicht) dort stark zurück. Im Gegensatz
dazu sind die Temperaturen über Europa und auch die
Meeresoberflächentemperaturen noch recht warm. Die
Temperaturdifferenz wird also größer.

Dies hat auch Auswirkungen auf die Flugzeiten zwischen Nordamerika
und Europa. Flüge von West nach Ost, also in Stromrichtung des
Jetstreams sind generell kürzer als in die Gegenrichtung. Ein Flug
von London nach New York dauert durchschnittlich knapp acht Stunden.
Der Rückflug nur sieben Stunden. Die Flugzeuge fliegen in der
Strömung mit, sodass sich die Geschwindigkeiten von Flieger und
Umgebungsströmung addieren. Das heißt, dass die Geschwindigkeit eines
Fliegers über Grund schneller oder langsamer ist, als die wahre
Fluggeschwindigkeit relativ zur Umgebungsströmung. Typischerweise
erreicht der Jetstream im Herbst und Winter Maximalgeschwindigkeiten
von etwa 260 Kilometern pro Stunde. Bei einer Reisegeschwindigkeit
des Flugzeuges von 800 Kilometern pro Stunde ergibt sich in Richtung
Osten eine Geschwindigkeit von 1060 Kilometern pro Stunde über Grund.
Würde das Flugzeug entgegen des Strahlstroms fliegen würde sich die
Geschwindigkeit auf 540 Kilometer pro Stunde verringern und die
Reisezeit würde dadurch erheblich verlängert werden. Für die
Berechnung der Flugzeit und dem damit benötigten Treibstoff eines
Fluges sind die Vorhersage des Jetstreams und der Windgeschwindigkeit
in Reisehöhe wichtig.

Aufgrund der potentiellen Treibstoffeinsparung und der modernen
Navigations- und Telekommunikationssysteme wurden vor einigen Jahren
auch die festen Flugrouten über dem Nordatlantik abgeschafft. So kann
der Pilot bzw. die Airline ihre Flugroute selbst planen und die
effizienteste Route wählen. Dabei hilft die numerische
Wettervorhersage, die für die einzelnen Flughöhen die
Windgeschwindigkeiten und -richtungen prognostiziert. Es werden auch
spezielle Karten für die Luftfahrt erstellt aus der Lage und Verlauf
des Jetstreams hervorgeht.

Normalerweise dauert ein Flug von London nach New York knapp acht
Stunden. In umgekehrter Flugrichtung knapp sieben Stunden. Ein Flug
der British Airways heute morgen hatte eine Reisezeit von etwas über
6 Stunden. Obwohl der Flieger mit einer Verspätung von einer Stunde
gestartet ist, kam er noch zur geplanten Ankunftszeit in London an.
Dabei half der Jetstream ordentlich mit.

Im Februar 2020 betrug die Flugzeit einer Boeing 747 unterwegs von
New York nach London nur 4 Stunde 56 Minuten. Kurzzeitig erreichte
die Maschine dabei eine Spitzengeschwindigkeit von über 1300
Kilometern pro Stunde über Grund. Das ist schneller als der Schall.
Die Schallmauer wurde aber nicht gebrochen, da der Knall nur bei
absoluten Windgeschwindigkeiten ausgelöst wird. Der starke Jetstream
hat damals Orkantief SABINE verursacht, das im Februar 2020 über
Deutschland hinwegfegte. Den bis heute gültigen Reisezeit-Rekord
einer kommerziellen Maschine hält übrigens immer noch die Concorde.
Der Überschallflieger legte die Strecke 1996 in 2 Stunden 53 Minuten
zurück.

Für morgen werden keine neuen Rekorde erwartet. Die Abbildung 1 zeigt
die Prognose des Windgeschwindigkeiten etwa in Reisehöhe des zivilen
Flugverkehrs (etwa 10 Kilometer über Grund). Die Geschwindigkeiten
über dem östlichen Nordatlantik nehmen etwas ab. Sollte Ihr Flieger
in Nordamerika also mit Verspätung starten, ist es sehr
unwahrscheinlich, dass er diese durch eine kürzere Reisezeit wieder
aufholen kann.


MSc Sonja Stöckle
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 04.10.2023

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