Thema des Tages

17-10-2023 14:20


Wissenschaft kompakt
Großwetterlagen im Großen und Kleinen

Im heutigen Thema des Tages geht es um Großwetterlagen. Diese können
eine entscheidende Rolle bei der Entstehung sowie der Andauer und
räumlichen Ausdehnung von Wetterkapriolen auf der einen und von lang
anhaltendem "ruhigen Wetter" auf der anderen Seite spielen.

Die deutschen Meteorologen P. Hess und H. Brezowsky veröffentlichten
1952 einen Katalog mit einer subjektiven Einteilung der großräumigen
Drucksituation über Europa in Klassen. Hierbei benannten sie 30
mögliche Großwetterlagen. Die Statistik der Großwetterlagen ist für
jeden Tag seit 1881 verfügbar und wird bis heute vom Deutschen
Wetterdienst fortgeführt. Für den Katalog mit den 30 Großwetterlagen
und für die bis zum August 2023 aufgetretenen Großwetterlagen sei auf
die Links am Ende des Textes verwiesen.

Eine Großwetterlage ist definiert als "die mittlere
Luftdruckverteilung eines Großraumes, mindestens von der Größe
Europas während eines mehrtägigen Zeitraumes, in welchem gewisse Züge
aufeinanderfolgender Wetterlagen gleichbleiben, eben jene Züge,
welche die Witterung in den einzelnen Teilgebieten des Großraums
bedingen".

Um eine Großwetterlage bestimmen zu können, ist es wichtig, die
geografische Lage der Steuerungszentren (Höhenhoch- und
Höhentiefdruckgebiete, Tröge) sowie den Verlauf und die Erstreckung
der Frontalzone zu kennen. Zur Beurteilung werden Höhenkarten
(500hPa-Geopotential) herangezogen. Allerdings ist es ebenso wichtig,
die Verteilung des auf Meeresniveau reduzierten Luftdrucks zu kennen,
da für die ersten Jahrzehnte der Statistik (1881 bis 1938) nur
Bodenwetterkarten für Europa und den östlichen Nordatlantik zur
Verfügung standen. Bei der Festlegung einer Großwetterlage spielt
zudem der Witterungscharakter über Mitteleuropa eine wichtige Rolle,
der zumeist zyklonal oder antizyklonal geprägt ist. Außerdem soll die
Zugrichtung wandernder Druckgebilde (hierzu zählen unter anderem
Einzelzyklonen oder Zwischenhochkeile) sowie Gebiete gleicher
Drucktendenz berücksichtigt werden.

Wie der Definition einer Großwetterlage zu entnehmen ist, muss eine
Luftdruckverteilung über mehrere Tage in Grundzügen gleichbleiben, um
als Großwetterlage bezeichnet werden zu können. Nach Hess und
Brezowsky beträgt dieser Zeitraum mindestens drei Tage. Allerdings
besteht die Möglichkeit, dass eine Großwetterlage nicht eindeutig
genug in eine andere übergeht. Daher können auch ein bis zwei
Übergangstage vorkommen. Diese erkennt man in der Statistik an dem
Buchstaben "U" für "unbestimmt" oder der Nummer 30.

Die 30 Großwetterlagen können zunächst je nach Strömungsrichtung zehn
Großwettertypen und diese wiederum drei Zirkulationsformen zugeordnet
werden. Es gibt drei Arten von Zirkulationsformen: die Zonale, die
Meridionale und die Gemischte.
Zur zonalen Zirkulationsform zählen alle Westlagen. Diese werden
durch eine glatte West-Ost-Strömung ermöglicht, wobei die Frontalzone
nahezu parallel zu den Breitengraden verläuft. Einzelne
Tiefdruckgebiete ziehen von ihrem Entstehungsgebiet im östlichen
Nordatlantik über das europäische Festland hinweg.

Bei der meridionalen Zirkulationsform verläuft die Frontalzone
überwiegend parallel zu den Längengraden. Stationäre, blockierende
Hochdruckgebiete über dem subpolaren Raum sowie alle Troglagen, deren
Achse sich in nord-südlicher Richtung erstreckt, sind
charakteristisch für diese Zirkulationsform. Hierbei besteht die
Möglichkeit, dass die einzelnen Tiefdruckgebiete sowohl von Nord nach
Süd als auch von Süd nach Nord ziehen können. Neben den Nord- und den
Südlagen zählen auch die Ostlagen zu dieser Zirkulationsform. Bei den
Nordost- und den Südostlagen erscheint es zunächst als
offensichtlich, diese der gemischten Zirkulationsform zuzuordnen,
dennoch zählen auch sie zur meridionalen Zirkulationsform.

Die gemischte Zirkulationsform liegt dann vor, wenn die
Strömungskomponenten aus zonaler und meridionaler Richtung ungefähr
gleich groß sind. Hierbei verläuft die Frontalzone in einem Winkel
von etwa 45° zu den Breiten- bzw. Längengraden. Der Austausch von
Luftmassen, die aus verschiedenen geografischen Breiten stammen, kann
zwar erfolgen, allerdings nicht mit der gleichen Intensität wie auf
dem meridionalen, also dem kürzesten Weg, da eine deutliche zonale
Strömungskomponente wirken kann. Charakteristische Großwetterlagen
dieser Zirkulationsform sind die Südwest- und die Nordwestlagen.
Zudem zählen auch die Großwetterlagen "Hoch Mitteleuropa" und "Tief
Mitteleuropa" zur gemischten Zirkulationsform.

Doch was bedeutet all dies quasi im Kleinen vor Ort? Nehmen wir als
Beispiel die Station Frankfurt (Main) und den Sommer 2023. Nun kann
man eine Art Statistik erstellen. Man zählt die Sommertage
(Tageshöchsttemperatur gleich oder größer 25 Grad) und die Hitzetage
(Tageshöchsttemperatur gleich oder größer 30 Grad) sowie die Tage, an
denen Niederschlag gefallen ist. Dies bringt man dann in den
Zusammenhang, ob an diesem Tag eine antizyklonale oder eine zyklonale
Großwetterlage vorherrschend war. Eine antizyklonale Großwetterlage
bedingt gemeinhin großräumiges Absinken, Wolkenauflösung und in der
Folge bleibt es trocken. Bei einer zyklonalen Großwetterlage würde
man automatisch von Niederschlag ausgehen. Ganz so einfach ist es
natürlich nicht, dennoch lässt sich dem Diagramm tatsächlich eine
dementsprechende Tendenz entnehmen. Bei einer antizyklonalen
Großwetterlage gab es in Frankfurt (Main) meist einen Sommer- oder
Hitzetag ohne Niederschlag. Bei einer zyklonalen Großwetterlage gab
es meist Niederlag und die Tageshöchsttemperatur erreichte nicht die
25-Grad-Marke. Trotzdem gab es beispielsweise mehr Sommertage mit
zyklonaler Großwetterlage, an denen es trocken blieb.

Man sieht also durchaus, dass man manchmal doch vom Großen auf das
Kleine schließen kann.


M.Sc. Tanja Sauter
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 17.10.2023

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