Thema des Tages

30-10-2023 14:50


Wetter aktuell
Wogegen der Regen hierzulande noch harmlos ist...

Wieso schon wieder Überschwemmungen und Erdrutsche in Italien und der
Grenzregion zu Österreich und Slowenien befürchtet werden müssen,
erfahren Sie im heutigen Thema des Tages.

Hierzulande drückt das wechselhafte und vielerorts regnerische Wetter
bereits vielen auf die Stimmung. Nach kurzen Lichtblicken am heutigen
Montag stehen über Frankreich und der Schweiz bereits neue
Niederschlagspakete für die kommenden Stunden parat. Vielerorts wird
der Oktober damit teils deutlich zu nass ausfallen. In Hamburg,
Bremen, Hannover, Magdeburg, Leipzig und Berlin fiel teilweise mehr
als das Doppelte der im langjährigen Mittel üblichen Regensumme im
Oktober. Durch wiederholte Niederschlagsereignisse mit meist
moderaten Intensitäten sammelte sich der Überschuss glücklicherweise
relativ gleichmäßig an. Dass die Wetterlage in anderen Regionen
weitaus mehr Brisanz entfalten kann, beweist in den kommenden Tagen
einmal mehr die Alpensüdseite.
So transportieren die sich immer wieder neu entwickelnden
Tiefdruckgebiete, die wie entlang einer Perlenschnur aufgereiht von
Neufundland rasch über den Nordatlantik bis nach Mitteleuropa
gesteuert werden, nicht nur zu uns permanent sehr feuchte Luftmassen.
Auch die Mittelmeerregionen sind davon wiederholt und in weitaus
gravierenderem Ausmaß betroffen. In mehreren Schüben kommt es dabei
bereits aktuell zu kräftigen, teils gewittrig durchsetzten
Regenfällen. Der erste Schwerpunkt wird sich im Zusammenhang mit Tief
CORD bis Dienstagnachmittag austoben, ein weiterer ist für den
Donnerstag und die Nacht zum Freitag zu erwarten.

Bis Samstag sind zusammengerechnet in der Toskana und in Ligurien, wo
aktuell bereits Unwetterwarnungen des italienischen Wetterdienstes
aktiv sind, sowie in der Lombardei verbreitet 200-300 Liter pro
Quadratmeter zu befürchten (der Großteil davon binnen weniger als 48
Stunden). Zum Vergleich: Im überaus nassen Oktober 2023 fielen in
Schleswig bisher 215 l/qm insgesamt. Besonders schlimm trifft es aber
voraussichtlich die Regionen Trentino-Südtirol, Venetien und
Friaul-Julisch Venetien im Nordosten Italiens einschließlich der
Grenzgebiete zu Slowenien und Österreich. Modellübergreifend werden
in der Spitze sogar an die 500 l/qm simuliert. Das sind
Größenordnungen tropischer Wirbelstürme respektive ausgewachsener
Monsunregenfälle. Erdrutsche und Überschwemmungen müssen befürchtet
werden. Die Schneefallgrenze in den Alpen schwankt zwischen 1500 und
2000 Metern - höher gelegene Ortschaften drohen von der Außenwelt
abgeschnitten zu werden.

Welche Faktoren sind bei der Lage nun entscheidend für die exorbitant
hohen Mengen? Wie bereits erwähnt ist dabei die Zufuhr feuchter und
für die Jahreszeit vergleichsweise milder Luftmassen vom Atlantik und
dem westlichen Mittelmeer her ein wesentliches Element. Diese
organisieren sich in den Folgetagen als sogenannte "atmospheric
river" (siehe dazu auch
https://www.dwd.de/DE/wetter/thema_des_tages/2023/10/10.html), also
als großräumiges Förderband mit Zonen erhöhter Feuchtigkeit genau
über dem beschriebenen Gebiet auf der Alpensüdseite. Der hohe Wärme-
und Feuchtegehalt der Luftmasse wird zudem durch positive
Temperaturabweichungen der oberflächennahen Wasserschichten vom
Ligurischem Meer und der Adria gespeist. Mit 20 bis 24°C war das Meer
teils 2 bis 4°C wärmer als üblich. Nicht zuletzt die noch
hinzukommende Staukomponente gibt nun den Hauptausschlag für ein
derart extremes Ereignis. Vor allem die lange Andauer der
südwestlichen Strömung macht die Zufuhr der feuchten Luftmasse und
den erzwungenen Aufstieg an der Gebirgskette besonders effektiv. Im
Zuge des Klimawandels wird mit heißeren Sommern und damit noch für
längere Zeit aufgeheizten Meeren in Herbst und Winter die
Wahrscheinlichkeit für derartige Events eher nicht geringer.

Dipl.-Met. Robert Hausen
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 30.10.2023

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