Thema des Tages

01-11-2023 14:20


Wetter aktuell
Der EMIR kommt! - oder: Orkan CIARAN formiert sich!

Über dem Atlantik formiert sich Orkantief EMIR, international unter
CIARAN bekannt. Was das für uns in Deutschland und Europa bedeutet,
lesen Sie im heutigen Thema des Tages.

Der November macht in Deutschland da weiter, wo der Oktober aufgehört
hat: Tiefdruckeinfluss. Genau genommen handelt es sich um einen
Tiefdruckkomplex westlich der Britischen Inseln, der sich bis in die
Labradorsee erstreckt und am heutigen Mittwoch zunächst der
Nordwesthälfte und ab dem Abend auch den Südwesten mit Regenwolken
versorgt.

So gefährlich wie interessant in den nächsten 24 Stunden wird dabei
ein kleinräumiges Tief, das gestern Mittag noch knapp östlich von
Neufundland lag mit einem Kerndruck von rund 1000 hPa. Es "hört" auf
den Namen EMIR beziehungsweise im internationalen Kontext auch auf
CIARAN und konnte am Südrand des angesprochenen Tiefdruckkomplexes
richtig Gas geben - sowohl was die zurückgelegte Strecke, als auch
die Verstärkung angeht. Heute Mittag befindet es sich bereits über
dem Ostatlantik, südwestlich von Irland mit einem Kerndruck von etwa
970 hPa und weitere zwölf Stunden später, also gegen Mitternacht,
dürfte es mit etwas über 950 hPa den Ärmelkanal erreichen. Von dort
zieht das Tief mit seinem Kern über die Südküste Englands hinweg
ost-nordostwärts und erreicht in den Mittagsstunden des Donnerstags
die Nordsee, wo es sich dann mehr und mehr abschwächt.

In der Folge muss ab der kommenden Nacht an der französischen Küste
sowie an der englischen Südküste verbreitet mit Böen bis Orkanstärke
gerechnet werden. Besonders heftig wird es nach aktuellem Stand die
Bretagne treffen, wo an der Küste 150 bis 170 km/h, an exponierten
Stellen vielleicht sogar noch etwas mehr, erwartet werden. Dort
dürften auch noch bis weit ins angrenzende Binnenland Orkanböen
auftreten. Extreme Orkanböen über 140 km/h drohen dann auch an den
Küstenabschnitten der Normandie und eventuell auch der Region
Hauts-de-France. Das dies natürlich massive Auswirkungen auf die
dortige Infrastruktur haben wird, kann man sich leicht vorstellen. Im
weiteren Verlauf sind dann die belgische und niederländische Küste
betroffen, wo aufgrund des ablandigen Winds (Wind vom Land in
Richtung See) und der allmählichen Abschwächung des Tiefs wohl "nur
noch" schwere Sturm- bis Orkanböen zu erwarten sind (90 bis 120
km/h).

Daneben ist auch der Niederschlag ein Thema. Es werden kräftige und
zum Teil langanhaltende Regenfälle erwartet, die vor allem im
Nordwesten Frankreichs und im Süden Englands aufgrund der bereits
gesättigten Böden zu Überschwemmungen führen können. Zudem wird
natürlich auch ein sehr hoher Wellengang erwartet. Vor der Küste der
Bretagne kann die signifikante Wellenhöhe bei zum Teil deutlich über
10 m liegen.

Auf uns in Deutschland greift das Windfeld von EMIR am Donnerstag
zwar ebenfalls über, aber nur in stark abgeschwächter Form. Trotzdem
dürfte es nach aktuellem Stand vor allem von der Nordsee bis ins
Saarland und im Bergland durchaus stürmisch werden. In Zahlen
umgemünzt bedeutet dies dort Böen in etwa zwischen 60 und 75 km/h, im
Bergland sowie in exponierten Lagen auch bis 85 km/h. Auf den
Mittelgebirgsgipfeln, an exponierten Küstenabschnitten der Nordsee
und am Nordrand der Eifel würden auch einzelne schwere Sturmböen bis
100 km/h nicht verwundern. Böen bis Orkanstärke beschränken sich
allenfalls auf den Brocken, den Feldberg im Schwarzwald und
föhnbedingt eventuell auch auf hohe Alpengipfel. Entsprechende
Warnungen dazu werden in den heutigen Abendstunden ausgegeben.

Und auf CIARAN folgt eine nachhaltige Wetterberuhigung? Nein! Es geht
munter weiter auf dem Nordatlantik in Sachen Tiefdrucktätigkeit. Am
Westrand des Tiefdruckkomplexes um CIARAN entwickelt sich neues
Sturmtief, das in der Nacht zum Freitag der spanischen und dem Süden
der französischen Atlantikküste Orkanböen bringt. Vor der Ostküste
der USA formiert sich aktuell ebenfalls ein Sturmtief. Es zieht im
Lauf dieser Woche über den Atlantik und könnte am Samstag erneut vor
allem an der französischen Atlantikküste für Orkanböen sorgen.

Auch bei uns in Deutschland bleibt es in den kommenden Tagen im
Großen und Ganzen wolkenreich, unbeständig und zeitweise windig bis
stürmisch - alles aber kein Vergleich zu dem, was sich in Westeuropa
abspielt.


Dipl.-Met. Tobias Reinartz
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 01.11.2023

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