Thema des Tages

16-11-2023 13:20


Wetter aktuell
Die Blätter machen den Abgang

Beim Blick in die Natur fällt auf, dass im mittlerweile weit
fortgeschrittenen Herbst noch immer einige Blätter an den Bäumen
hängen. Müssten die Bäume nicht längst kahl sein?

Der Herbst ist mittlerweile mehr als zur Hälfte vorüber, für die
Meteorologen beginnt der Winter sogar bereits in rund zwei Wochen am
1. Dezember. Zwar macht der Herbst durch Regen und Sturm in Sachen
Wetter seit etwa vier Wochen quasi alles richtig, die Temperaturen
sind aber fortwährend zu hoch. Bleibt es so mild, könnte dieser
Herbst als einer der drei wärmsten in die Wetterannalen eingehen.

Die langen Phasen mit warmem Altweiber- und Spätsommerwetter bis
Mitte Oktober haben die Natur bereits irritiert. So gibt es Berichte
von blühenden Pflanzen und Bäumen, längeren Ernten als üblich und
kräftigem Rasenwachstum in dieser Zeit. Ebenso blieben die Blätter
noch lange grün.

Blattverfärbungen

Blattverfärbungen werden im Herbst ausgelöst, wenn der Sonnenstand
immer niedriger und die Tageslänge immer kürzer werden und vor allem
die nächtlichen Temperaturen in den einstelligen Bereich sinken.
Dabei sollte es mehrere sehr kühle Nächte hintereinander geben. Ist
es soweit, wird das in den grünen Blättern vorherrschende Chlorophyll
schneller abgebaut. Der Baum zerlegt also das Chlorophyll in seine
Bausteine und holt es in die dicken Äste und den Stamm zurück. Dort
werden sie bis zum nächsten Frühjahr eingelagert und dann
wiederverwertet. Blattverfärbungen stellen sich also nicht nur
aufgrund der kürzeren Tage ein, sondern auch im Zusammenhang mit der
aktuellen Witterung.

In diesem Herbst sorgten die meist auch warmen Nächte für eine
Verzögerung der Blattverfärbung. Anhand der aktuellen phänologischen
Uhr (weitere Informationen zur Phänologie unter
https://www.dwd.de/phaenologie) lässt sich herauslesen, dass die
Leitphase für den Spätherbst mit der Blattverfärbung der Stieleiche
statt üblicherweise um den 19. Oktober herum (Mittel der Jahre 2011
bis 2022) erst am 28. Oktober einsetzte. Mit anderen Worten: die
Blätter fielen durchschnittlich 9 Tage später als in den letzten 12
Jahren!

Blattfall

Dieser Rückstand konnte durch das seit Mitte Oktober umgeschlagene
Wetter mit anhaltender Tiefdruckaktivität und zeitweiligen Sturm nur
bedingt aufgeholt werden. Der Blattfall der Stieleiche als Leitphase
für den beginnenden Winter wurde erst am 13. statt am 7. November
gemeldet. Damit blieb eine Verzögerung von 6 Tagen.

Der subjektive Eindruck des späten Blattfalls in diesem Herbst kann
also durch Beobachtungen bestätigt werden. Daher ist es nicht
verwunderlich, dass zum Teil noch einige Blätter an den Bäumen
hängen. In den nächsten Tagen sorgen Sturm, Regen und sinkende
Temperaturen voraussichtlich aber für einen weiteren starken Abgang
der Blätter von den Bäumen.

Die alte Bauernregel, die besagt: "Hängt das Laub bis November
hinein, wird der Winter lange sein" lässt sich übrigens nicht
belegen. Sie steht wissenschaftlich auf sehr wackeligen Beinen. Wie
der Winter wird, können uns die Bäume also auch heute leider noch
nicht verraten.


Dipl.-Met. Simon Trippler
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 16.11.2023

Copyright (c) Deutscher Wetterdienst