Thema des Tages

15-01-2024 14:50


Wetter aktuell
Tief GERTRUD - da kommt was auf uns zu?


Tief GERTRUD bringt am Mittwoch Schnee und gefrierenden Regen. Welche
Regionen betroffen sind und welche Unsicherheiten die Vorhersage noch
schwierig gestalten, darum geht es heute im Thema des Tages.


Kurz angedeutet wurde es auch schon hier im Thema des Tages. Am
vorgestrigen Samstag gab es einen kleinen Hinweis darauf, dass sich
am kommenden Mittwoch über dem Süden und der Mitte eine gefährliche
Glatteislage einstellen wird (
https://www.dwd.de/DE/wetter/thema_des_tages/2024/1/13.html ).
Inzwischen haben sich die entsprechenden Hinweise verdichtet.
Entscheidend ist dabei die Entwicklung des Tiefs GERTRUD. Es befindet
sich aktuell (Stand Montag, 15.01.2024, 13 Uhr MESZ) über dem
subtropischen Ostatlantik und schlägt allmählich einen Kurs in
Richtung Biskaya und Zentralfrankreich ein. GERTRUD führt dabei
Luftmassen mit sich, die durchaus 20 Grad wärmer sind als diejenigen,
die zurzeit unser Winterwetter prägen. Diese Aussage gilt sowohl für
höhere wie auch für bodennahe Luftschichten, bei den bodennahen ist
eine Bestätigung der Aussage sogar relativ einfach. Denn während die
Station Funchal auf Madeira heute Vormittag um 11 Uhr MESZ genau 22°C
meldet, sind es in Deutschland sehr verbreitet um die null Grad.
Die warmen Luftmassen, die GERTRUD mitbringt, treffen also ab
Mittwochmorgen auf die mitteleuropäische Kaltluft. In der Folge
werden Hebungsprozesse induziert, insbesondere durch Aufgleiten der
warmen Subtropikluft auf die kalte Polarluft. Bisher sieht es so aus,
als sollten die Niederschläge nach Norden bis ins Münsterland, nach
Südniedersachsen, nach Sachsen-Anhalt sowie bis in den Raum Berlin
vorankommen. Klar ist auf jeden Fall: Von Schnee über Schneeregen und
Regen bis hin zu gefrierendem Regen ist alles vertreten.
Obwohl der genaue Ablauf des Ereignisses und in der Folge auch die
zeitliche und räumliche Verteilung der Niederschläge noch unsicher
sind, soll hier der Versuch unternommen werden, die erwarteten
Abläufe zu skizzieren. In einem Streifen vom Niederrhein bis zur
Lausitz sowie nördlich davon bleibt eine dicke Kaltluftschicht
erhalten, so dass dort durchweg Schnee fallen sollte. Dieser kann
durchaus länger anhalten und ergiebig sein. Bis zu 10 cm, in
Staulagen auch bis zu 20 cm Neuschnee stehen in 12 Stunden auf der
Agenda, über 24 Stunden können sich lokal sogar bis zu 40 cm
akkumulieren. Das Wort "lokal" bezieht sich hier speziell auf den
westlichen Teil der genannten Region, wo nach jetzigem Stand mit
besonders starken Schneefällen und Verkehrsbeeinträchtigungen
gerechnet werden muss.
Glätte ist auch südlich des genannten Streifens zu erwarten. Dort
bleibt aber nur eine dünne kalte Grundschicht übrig, oder aber die
Kaltluft wird im Laufe des Tages komplett ausgeräumt. Die Böden dort
werden allerdings, speziell anfangs, noch gefroren sein. In diesem
Gebiet, das sich nach Süden bis an die Alpen zieht, dominiert der
gefrierende Regen. Da der Regen durchaus kräftig sein kann, ist mit
der Ausbildung auch dickerer Eisschichten zu rechnen. Eine
Momentaufnahme der Entwicklungen, so wie sie sich unser Modell
ICON-EU vorstellt, zeigt Abbildung 2. In der Fläche sind die
erwarteten 12-stündigen Niederschlagsmengen bis Mittwochmittag
angegeben. Die Symbole deuten die Niederschlagsphase zur Mittagszeit
an, wobei die roten "Schlangen" für gefrierenden Regen, die violetten
Sterne für Schnee und die grünen Punkte für Regen stehen.
Soweit der grobe Blick auf die Abläufe. Einige Detailfragen werden,
wenn überhaupt, erst in den kommenden Stunden und Tagen geklärt
werden können. So spielt im Süden die Orografie bei der
Wetterentwicklung eine große Rolle. Einerseits kann in höheren Lagen
noch Schnee fallen, während in tieferen Lagen schon die gefrierende
(oder auch die flüssige) Phase überwiegt, andererseits kann sich in
ungünstigen Tal- und Muldenlagen die Kaltluft länger halten als in
freien Lagen.
Beim Ausräumen der Kaltluft spielt grundsätzlich die Windstärke eine
Rolle. Ein kräftiges Auffrischen des Windes verbessert die
Durchmischung und Beschleunigt die Erwärmung. Zu alldem kommt noch
die grundsätzliche Timingfrage. Greift der Regen ausgangs der Nacht
über, wenn die Temperaturen nahe am Tiefpunkt liegen, oder eher am
Vormittag. Letztendlich stellen sich, obwohl die groben Abläufe
feststehen, noch einige Fragen. Ob und wie sie beantwortet werden
können, werden die kommenden Modellläufe zeigen.


(Die Bilder und Links zum heutigen Thema des Tages finden Sie wie
immer im Internet unter www.dwd.de/tagesthema.)



Dipl.-Met. Martin Jonas
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 15.01.2024

Copyright (c) Deutscher Wetterdienst