Thema des Tages

26-01-2024 14:20


Wissenschaft kompakt
Eisstau - Überflutungsgefahr durch angestautes Eis

Dickes Eis auf Flüssen und Seen kann nicht nur schön aussehen und das
Winterherz von Schlittschuhläufern höherschlagen lassen, sondern kann
in manchen Fällen zu einem gefährlichen Naturschauspiel werden.
Näheres dazu finden Sie im heutigen Thema des Tages.

Ende Dezember 2023 sowie Anfang des neuen Jahres war es bei uns in
Mitteleuropa ungewöhnlich mild und es regnete länger andauernd. Im
Thema des Tages vom 18. Januar 2024 wurde auf diese milde und feuchte
Witterungsperiode näher eingegangen und der hydro-klimatologische
Bericht vorgestellt. Als sich die Witterung Anfang Januar umstellte
und in Deutschland eisige Frostnächte vorhergesagt wurden, erreichten
uns zahlreiche Anfragen, wie sich der Frost auf das Hochwasser in
Teilen Deutschlands auswirken würde. Im Zuge dessen wurden
Erinnerungen an lang zurückliegende Winter wach, in denen Eisstaus
auf Flüssen bei uns in Deutschland mit Beginn einer milden
Witterungsphase zu Überflutungen führten.

Gefriert das Wasser eines Flusses im Winter und steht zum Ende der
Jahreszeit die warme Witterung bevor, steigt die Gefahr für Eisstau
und das Risiko für Überflutungen in der Umgebung. Eisstaus entstehen,
wenn die Eismassen in einem Fluss dessen Transportkapazität
übersteigen. Der Prozess beginnt, wenn ein Fluss in strengen Wintern
komplett von einer dicken Eisschicht überzogen wird. Das von Ufer zu
Ufer reichende Eis wächst weiter und kann Tage, Wochen oder sogar
Monate bestehen bleiben. Natürlich verändert es sich mit jeder
Wetteränderung, dehnt sich aus oder schmilzt.

Durch folgende Prozesse bricht diese massive Eisschicht im Verlauf
des Winters/Frühlings auf und die Eisschmelze setzt ein: Zum einen
sorgen steigende Temperaturen und die zunehmende solare Einstrahlung
dafür, dass das Eis zu tauen beginnt. Zum anderen lassen aufkommender
Regen sowie Schneeschmelze den Wasserstand steigen, was wiederum
Druck auf das Eis ausübt und zu einem Aufbrechen der Eisfläche führt.


Manchmal taut das Eis durch längere Wärmeperioden nur allmählich,
bricht auf, fließt ab und stellt für das Flusssystem sowie die
Infrastruktur keine größere Gefahr dar. Zuweilen kann es aber auch
passieren, dass die Eisschmelze weniger organisiert erfolgt. Dann
kann es zum sogenannten "Eisstau" kommen. Eisschollen türmen sich im
Fluss und an den Ufern auf und es kommt nicht selten zu Überflutungen
in der näheren Umgebung.


Wie genau passiert diese unorganisierte Eisschmelze?

Wenn das Eis zu schmelzen beginnt, bricht es in große Schollen auf
und bewegt sich mit dem fließenden Wasser flussabwärts. Es kann über
die Ufer treten, wodurch sich die Eismenge im Fluss verringert.
Gelangt es aber an Engstellen im Fluss, wie einer Flussbiegung, stößt
es an Brückenpfeiler oder rutscht es über sehr flache Stellen des
Gewässers mit geringem Gefälle, können die Eisschollen verkanten,
dadurch ihre Geschwindigkeit verringern und letztlich sogar komplett
stoppen. Das Wasser fließt hingegen weiter und transportiert weitere
Eisschollen, die sich dann nach und nach zurückstauen. Findet das
Wasser im Flussbett keinen Weg mehr unter dem Eis hindurch und an den
Eisschollen vorbei, staut es sich flussaufwärts und ergießt sich über
das angrenzende Land. Dies führt schlussendlich zu Hochwasser im
Fluss und kann in schwerwiegenden Überschwemmungen in der Umgebung
münden, da Wasser, Eis und Geröll aus dem Flussbett verdrängt werden.



Ein Eisstau kann sich nur durch Abschmelzen oder durch genug Druck
aufgrund steigender Wasserpegel auflösen. Bis das Eis nicht komplett
abgeschmolzen ist, kann ein Eisstau jedoch immer wieder entstehen.
Setzt sich das aufgestaute Eis beim Abtauen sehr plötzlich in
Bewegung, ist die Gefahr einer aufkommenden Flutwelle recht groß.
Dass es beim Auflösen eines Eisstaus nur kaum oder gar keine
Auswirkungen gibt, ist aber ebenfalls durchaus möglich.

Eisstaus kommen bei uns in Deutschland selten vor. Die Winter sind
oft zu mild. In Kanada oder den USA hingegen sind Eisstaus mit
Überschwemmungen im Winter häufiger an der Tagesordnung, wie jüngst
in kleinerem Umfang nahe Florence, Colorado/USA.


Dipl.-Met. Julia Tuschy
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 26.01.2024

Copyright (c) Deutscher Wetterdienst