Thema des Tages

13-11-2016 14:40

Das Gesamtbild der Luftmassenzirkulation und die Bedeutung für das
Wetter!

Wie schon häufig im Thema des Tages beschrieben, bilden sich Hoch-
und Tiefdruckgebiete bevorzugt entlang der sogenannten "Polarfront".
Diese Luftmassengrenze ist oft wellenförmig deformierte und steuert
die Hoch- und Tiefdruckgebiete und somit das Gesamtbild der
Luftdruckverteilung auf der Nordhemisphäre. Dabei ist zu beobachten,
dass auf der Nordhalbkugel die Wellenamplitude im Vergleich zur vom
Wasser dominierten Südhemisphäre größer ist. Während sich auf der
Nordseite der Polarfront hochreichende Tiefs teilweise bis in
subtropische Gebiete erstrecken, wandern die Tief- und
Hochdruckgebiete auf der Südseite sehr zonal mit der westlichen
Höhenströmung.

Diese Luftdruckverteilungen bzw. Zirkulationsmuster der Atmosphäre
werden auf der Nordhalbkugel durch diverse Indizes beurteilt und
anschließend mit der Witterung in Verbindung gebracht. Für den
Bereich des Pazifiks und Nordamerikas analysieren die Meteorologen
den sogenannten "PNA-Index (Pacific-North-America-Index)". Um das
Wettergeschehen über Europa zu erklären, wird der sogenannte
"NAO-Index (North-Atlantic-Oscillation-Index)" betrachtet. Doch was
beschreiben diese Indizes bzw. entsprechenden Zirkulationsmuster? Der
heutige Abschnitt beschäftigt sich dabei mit dem atlantischen und
europäischen Raum.

Die Nordatlantische Oszillation beschreibt den Druckunterschied
zwischen dem Islandtief (Reykjavik) und dem Azorenhoch (Ponta
Delgada) auf dem Atlantik (vgl. Abbildung 1). Je nachdem, ob die
Differenz positiv oder negativ ist, lassen sich Aussagen über die
Stärke der Westwinddrift, also der westlichen Strömung über dem
Ostatlantik, machen. Die zeitliche Variabilität wird dabei
üblicherweise durch den NAO-Index abgebildet. Ist der
Luftdruckgegensatz zwischen dem Azorenhoch im Süden und dem
Islandtief im Norden durch einen sehr tiefen Druck über Island und
einen sehr hohen Druck über den Azoren größer als im Mittel, so
spricht man von einem positiven NAO-Index. In diesem Fall kann sich
etwa zwischen 40° und 60° nördliche Breite eine starke westliche
Strömung ausbilden, die im Winterhalbjahr häufig mit Winterstürmen
einhergeht. Diese bringen von West- über Mitteleuropa hinweg bis nach
Sibirien oft milde Winter und reichlich Niederschläge. Vom
Mittelmeerraum bis zum vorderen Orient herrschen bei einer positiven
NAO dagegen meist Trockenheit und relativ kalte Winter vor, in
Westgrönland dominieren dann kalte nördliche Winde.

Bei einem negativen NAO-Index ist der Druckgegensatz zwischen dem
Islandtief und dem Azorenhoch deutlich abgeschwächt. Teilweise drehen
sich die Druckgebilde sogar um, sodass sich über Island ein
Hochdruckgebiet und über den Azoren ein Tief befindet. Dadurch können
sich häufig blockierende Wetterlagen durchsetzen. Dabei bilden sich
im Winter oftmals Hochdruckgebiete über Westeuropa, die dazu führen,
dass aus Norden kalte Luft nach Mitteleuropa einfließen kann.
Allerdings können die die Westströmung blockierenden Hochs auch
weiter östlich auftreten. In diesen Fällen würden dann auf der
Westseite eher milde Luftmassen aus dem Mittelmeerraum nach Norden
gelangen. Gerade am sehr milden Weihnachtsfest im letzten Jahr konnte
man dies beispielhaft beobachten. Im Mittelmeerraum herrschen dann
oft milde, aber auch feuchte Witterungsverhältnisse vor.

Ein Blick auf den NAO-Index der letzten Monate (siehe Abbildung 2)
zeigt, dass dieser sich seit Juli mit nur wenigen Ausnahmen meist im
neutralen Bereich befindet. Lediglich im September sowie zu Beginn
des Oktobers wurden signifikante Abweichungen registriert. Während zu
Beginn des Septembers positive Werte teils größer als 1 dominierten,
fiel der NAO-Index zum Ende des Monats deutlich in den negativen
Bereich ab. Seit Mitte Oktober pendelte er sich schließlich wieder
auf neutrale Werte zwischen +0,5 und -0,5 ein.

Der Verlauf des NAO-Index lässt sich auch sehr gut mit den
vergangenen Wetterbedingungen in Europa in Verbindung bringen. Über
die ersten beiden Septemberdekaden sorgten ein recht ausgeprägtes
Azorenhoch sowie ein starkes Islandtief für eine kräftige westliche
Grundströmung. Da sich das Azorenhoch oftmals bis nach Mitteleuropa
erstreckte und die Tiefdruckgebiete nachfolgend über die Britischen
Inseln geführt wurden, lag Deutschland in einer südwestlichen
Strömung, die sehr warme, teils sogar heiße subtropische Luft
anzapfte. Zeitweise konnte sich auch ein Azorenhochableger als ein
eigenständiges Hochdruckgebiet über Ostdeutschland bzw. Polen
festigen, sodass die Winde sogar direkt aus Süden nach Deutschland
wehten. Die negative Abweichung des NAO-Index zum Ende des Monats
September beruhte schließlich auf einem kräftigen Hoch über
Skandinavien bzw. dem Nordmeer, das sich zeitweise weit nach Süden
bis nach Südfrankreich ausdehnte. Dieses blockierte die atlantischen
Tiefdruckgebiete, sodass diese auf eine südliche Route über das
Mittelmeer geschickt wurden. Nachfolgend herrschten zwischen Island
und den Azoren kaum nennenswerte Luftdruckgegensätze vor.

Der frühwinterliche Gruß zu Beginn des Novembers lässt sich im
Gegensatz zu dem stark negativen AO-Index (Arctic-Oscillation-Index)
(vgl. Thema des Tages vom 4. November 2016) mit den Daten des
NAO-Index nur bedingt erklären. Zwar weist der NAO-Index in der
ersten Novemberdekade ebenfalls eine geringe negative Abweichung auf,
aufgrund der schwachen Ausprägung fehlen jedoch die Hinweise für eine
länger anhaltende blockierende nordatlantische Zirkulation. Über
Island dominierte meist tiefer und über den Azoren weitgehend hoher
Luftdruck. Dies implizierte über dem Atlantik auch eine teils
kräftige westliche Grundströmung, die sich jedoch nicht bis nach
Mitteleuropa durchsetzen konnte. Verantwortlich dafür war eine
aufgeprägte Hochdruckzone, die von Skandinavien bis zu den Azoren
reichte, und somit die vom Atlantik heranrauschenden Tiefs
blockierte. Lediglich anfangs konnten sich noch ein paar Tiefs an der
Schwachstelle der Hochdruckzone über der Nordsee durchmogeln und im
östlichen Europa festsetzen. Im Zusammenspiel beider Luftdruckgebilde
gelangte schließlich kalte und feuchte Polarluft nach Deutschland,
die in einigen Teilen Deutschlands für ein paar Tage den Winter
brachte.

Die mittelfristigen Prognosen des NAO-Index deuten zur Monatsmitte
einen signifikanten Sprung auf positive Werte über 1 an. Dies würde
mit einer kräftigen westlichen Strömung über dem Atlantik
einhergehen, die milde und feuchte Meeresluft bis nach Deutschland
führen könnte. Genau dieses Szenario zeigen auch die Wettermodelle
einheitlich. Ab Dienstag sollen bis über das kommende Wochenende
hinweg zahlreiche Tiefausläufer über Deutschland hinwegziehen und
somit das Wetter unbeständig, aber auch mild gestalten.

Was die Prognosen für das zukünftige Wetter betrifft, liefert der
NAO-Index keine eindeutigen Hinweise. Bis Ende November werden keine
größeren Abweichungen simuliert. Meist pendelt der Index um Null
herum. Zudem nehmen die Unsicherheiten der Vorhersagen des National
Centers for Environmental Prediction der NOAA ab Monatsmitte deutlich
zu. Von einer deutlichen negativen Phase, bis zu einem positiven
Indexverlauf um 1, scheint derzeit längerfristig alles möglich.

Dipl.-Met. Lars Kirchhübel
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 13.11.2016