Thema des Tages

22-02-2024 15:20


Wetter aktuell
Sturmtief mit Pokerface


Sturmtief WENCKE zieht mit seinem Sturmfeld auf Deutschland zu. Dabei
lässt es sich leider nicht so richtig in die Karten schauen. Mehr
dazu im heutigen Thema des Tages.

Da braut sich etwas zusammen über dem Atlantik beziehungsweise über
dem Süden der Britischen Inseln. Dass es sich dabei um ein Sturmtief
handelt, das sich an der Südflanke des umfangreichen
Tiefdruckkomplexes VIVIENNE mit Sitz bei Island entwickelt, ist klar.
Auch dass dieses Sturmtief den Namen WENCKE (international LOUIS)
trägt, im weiteren Verlauf ost- nordostwärts über die Nordsee hinweg
zieht und ab dem heutigen Donnerstagabend mit seinem Sturmfeld auf
Deutschland übergreift, ist klar. Fraglich ist aber weiterhin, wie
die Windentwicklung im Detail ablaufen wird.

Normalerweise sind großräumige Sturmentwicklungen schon ein paar Tage
im Voraus relativ gut vorherzusagen. WENCKE lässt sich dagegen nicht
so richtig in die Karten schauen. Am gestrigen Mittwoch gab es noch
zum Teil sehr große Unterschiede, sowohl zwischen den verschiedenen
Modellen, als auch zwischen den einzelnen Vorhersageläufen eines
Modells selbst.

Abbildung 1 zeigt bespielhaft zwei Vorhersageläufe des
hochauflösenden Modells ICON-D2 von gestern 15 und 21 UTC für die
Nacht zum Freitag um 00 UTC (was in etwa den Höhepunkt des Sturms
darstellt). Im 15-UTC-Lauf hatte ICON-D2 im Nordwesten noch recht
verbreitet schwere Sturm- bis zum Teil sogar Orkanböen ((dunkel-)rot)
im Programm, um 21 UTC wollte es davon nichts mehr wissen und zeigte
nur noch hier und da schwere Sturmböen und höchstens vereinzelt mal
noch eine orkanartige Böe.



Noch deutlichere Diskrepanzen zeigte der gestrige 12-UTC-Lauf
zwischen den verschiedenen Modellen, wie man in Abbildung 2 sieht.
Während ICON6 im Nordwesten auf orkanartige Böen (Windstärke 11)
getrimmt war, zeigte UK10 gerade einmal steife bis stürmische Böen
(Windstärke 7 bis 8).



Mittlerweile scheint man aber das ein oder andere Zucken im Pokerface
von WENCKE erkennen zu können. Zumindest haben sich die Modelle etwas
angeglichen. Demnach wird es in weiten Teilen des Landes stürmisch,
wobei der Schwerpunkt nach aktuellem Stand in der kommenden Nacht zum
Freitag im Nordseeumfeld und im Norden von Schleswig-Holstein zu
finden sein wird. Böen bis Orkanstärke zwischen 105 und 125 km/h sind
dort zu erwarten, wobei auf den Nordseeinseln selbst extreme
Orkanböen über 140 km/h nicht ausgeschlossen sind. Südlich angrenzend
- etwa vom Emsland und NRW bis zur Ostsee sind vorübergehend schwere
Sturmböen bis 100 km/h möglich, vereinzelt sind auch orkanartige Böen
um 110 km/h nicht ausgeschlossen. Im höheren Bergland sind ohnehin
schwere Sturm- bis Orkanböen zu erwarten, ebenso wie lokal in der
Nähe von Gewittern, die sich vor allem im Westen und Nordwesten
entwickeln können.



Bedenkt man, dass die Böden durch die vergangenen Regenfälle zum Teil
recht aufgeweicht sind, können schon schwere Sturmböen ausreichen, um
den ein oder anderen Baum zu entwurzeln. Das könnte also vor allem in
der Nordwesthälfte der Fall sein.

Ansonsten lässt der Wind nach Durchgang der von West nach Ost
durchschwenkenden Kaltfront von WENCKE rasch wieder nach, sodass das
Ereignis in vielen Regionen meist nur wenige Stunden anhält. Am
längsten dauert es im Nordwesten beziehungsweise im Nordseeumfeld, wo
man sich relativ nah am Kernbereich des Sturmtiefs befindet. In den
Frühstunden des Freitags lässt der Wind aber auch dort mehr und mehr
nach.

Ganz in die Knie geht der Wind im Nordseeumfeld allerdings nicht,
denn am Freitag bleibt es dort weiterhin stürmisch und auch in der
Nordwesthälfte frischt der Wind stark böig auf. Alles aber kein
Vergleich zu dem, was uns in der kommenden Nacht zum Freitag
bevorsteht.


Dipl.-Met. Tobias Reinartz
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 22.02.2024

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