Thema des Tages

15-11-2016 14:40

Eine warme Nase

Eine warme Nase konnte man in den letzten Tagen nicht unbedingt
bekommen, wenn man sich im Freien aufgehalten hat. Bei niedrigen
einstelligen Temperaturen am Tage und gebietsweise Frost in den
Nächten wehte doch ein ziemlich kaltes Lüftchen um unsere
Riechorgane. Eine sogenannte "warme Nase" spielt derzeit aber eine
große Rolle für das Wetter in Deutschland. Wo es sie gibt, sorgt sie
nämlich für gefrierenden Regen. Gefährliches Glatteis ist die Folge,
dabei könnte man natürlich unerwünschterweise böse auf die eigene,
noch kalte Nase fallen.

Warum aber kommt es bei einer "warmen Nase" zu gefrierendem Regen?
Entscheidend dabei ist die Temperaturschichtung der unteren
Atmosphäre mit der Höhe. Wenn am Boden Temperaturen unter 0 Grad
herrschen, kann man in der Regel bei Niederschlägen Schneefall
erwarten, da die Temperatur mit der Höhe normalerweise etwa um 0,6
bis 1 Grad pro 100 m abnimmt und es somit weiter oben auf jeden Fall
kälter ist (siehe dazu Fall 1 in der Grafik zur Temperaturschichtung
bei verschiedenen Niederschlagsphasen unter
www.dwd.de/DE/wetter/thema_des_tages/2016/11/15.html). In den Wolken
bilden sich daher meist Schneeflocken, die dann zu Boden rieseln.

Anders sieht es jedoch aus, wenn eine sogenannte "Inversion" mit ins
Spiel kommt (siehe Grafik, Fall 2). Bei einer Inversion kehrt sich
der Temperaturverlauf in einer mehr oder weniger dicken Schicht mit
der Höhe um, sodass es statt einer Temperaturabnahme mit der Höhe in
diesem Bereich nun zu einer Zunahme kommt. Die Temperaturkurve nimmt
im warmen Bereich somit das Aussehen einer Nase an, weshalb der
Meteorologe gerne von einer "warmen Nase" spricht.

Daher ist es möglich, dass in dieser Schicht die Temperatur auf über
0 Grad steigt, während sie darunter immer noch unter 0 Grad liegt.
Fallen die Schneeflocken durch eine ausreichend mächtige warme
Schicht mit Temperaturen über 0 Grad, schmelzen sie und werden zu
Regentropfen. Auf dem weiteren Weg Richtung Boden gelangen sie
wiederum in die Schicht mit Temperaturen unter 0 Grad. Die
Regentropfen können sich nun aber nicht wieder in Schneeflocken
zurückverwandeln. Stattdessen kühlen sie sich auf unter 0 Grad ab, in
der Meteorologie werden sie dann unterkühlte Regentropfen genannt.
Wenn diese den gefrorenen Erdboden erreichen, gefrieren sie
augenblicklich und ein Eispanzer bildet sich aus. Dieser
Glatteisregen ist in den einschlägigen Medien als "Blitzeis" bekannt.


Es kann auch vorkommen, dass die unterste Schicht so dick und kalt
ist, dass die Regentropfen schon vor dem Ankommen am Boden wieder
gefrieren. Sie werden dann zu Eiskörnern, was allein schon durch die
Geräusche beim Aufprallen auf den Boden oder an Gegenständen gut zu
hören ist. In beiden Fällen handelt es sich im meteorologischen
Fachjargon jedoch um Eisregen (oder um gefrierenden Regen bzw.
Glatteisregen).

Sogar bei einem Temperaturverlauf, der komplett im frostigen Bereich
ist, kann es gefrierenden Regen geben. Dieser Spezialfall kommt vor,
wenn sich Niederschlagsteilchen zwischen -10 und 0 Grad bilden und
nicht die Eisphase annehmen oder zu Schneeflocken werden. Die
Niederschlagsteilchen erreichen auch als unterkühlte Regentropfen in
Form von Sprühregen die Erde und wieder bildet sich bei gefrorenem
Boden Glatteis.

Betragen hingegen die Temperaturen des Erdbodens wie auch der
untersten, ausreichend dicken Schicht der Atmosphäre Werte von etwas
über 0 Grad (siehe Grafik, Fall 3), dann schmelzen die Schneeflocken
aus der Höhe und kommen am Boden als reiner Regen an. Auf den Bergen
fällt in diesem Fall aber noch Schnee.

Eine warme Nase kann entstehen, wenn z.B. warme Luft auf schwere
kalte Luft am Boden aufgleitet. In vielen Fällen ist dabei eine
Warmfront involviert, so auch im aktuellen Fall am heutigen Dienstag.
Heute Morgen lag sie über dem Nordwesten Deutschlands. Die Bereiche
vor der Front, wo eben die warme Luft auf die kalte aufgleitet, sind
besonders kritisch für Glatteisregen. So gab es in den Morgenstunden
in der Mitte Deutschlands tatsächlich gebietsweise gefrierenden Regen
und Glatteis. Mit dem Weiterziehen der Warmfront nach Südosten hin
verlagert sich der gefährliche Bereich im Tagesverlauf in den
Südosten Deutschlands, wobei mit ansteigender Tagestemperatur vor
allem höhere Lagen noch betroffen sind. Im Nordwesten und in der
Mitte dagegen fasst die warme Luft auch am Boden Fuß und die
Glättesituation entspannt sich. Am morgigen Mittwoch gilt das dann
auch für den Südosten Deutschlands, wenn sich die warme Luft überall
durchgesetzt haben wird.

Dipl.-Met. Simon Trippler
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 15.11.2016