Thema des Tages

16-03-2024 14:50


Wissenschaft kompakt
Eine Fahrt ins Ewige Eis: Alles ganz EAS(I)Y!

Die Polarforschungs-Expedition EASI-2 führte zwei Kollegen des
Deutschen Wetterdienstes von Ende November bis Ende Januar ins Ewige
Eis der Ost-Antarktis. Ein Erfahrungsbericht.

EASI-2 ist die Abkürzung des zweiten Teils eines internationalen
Forschungsprojektes mit dem Namen "East Antarctic Ice Sheet
Instability" In dem Projekt wird die Veränderungen der Instabilität
des Ostantarktischen Eisschildes sowie deren Wechselwirkungen mit der
Zirkulation im Südozean untersucht. Auf der Expedition EASI-2 waren
mehrere Forschungsteams unter anderem aus Deutschland, den
Niederlanden und Australien an Bord von FS Polarstern. Der
Schwerpunkt der Forschung lag dabei auf den aktuellen Prozessen der
Wassersäule der Südpolarmeere mit Augenmerk auf die
Nährstoffverfügbarkeit. Zudem wurden Sedimentproben von bis zu 25
Metern Tiefe aus dem Meeresboden gezogen, um Rückschlüsse auf
Veränderungen der letzten 500 Tausend Jahre ziehen zu können. Es war
eine sehr arbeitsintensive Forschungsreise mit 140
Forschungsstationen. Dass so viele Stationen erfolgreich stattfinden
konnten, lag nicht nur an der guten Zusammenarbeit auf dem Schiff,
sondern auch an den günstigen Wetterbedingungen, die uns auf dieser
Reise begleiteten.

Ende November stach FS Polarstern von Kapstadt aus in See. Knapp drei
Wochen dauerte die Fahrt von Südafrika an den Prinz Edward Inseln
vorbei bis zum antarktischen Festland in der Prydz-Bucht. Das Wetter
war uns von Beginn an wohl gesonnen. Bei Windstärken um 6 Beaufort
und einer signifikanten Wellenhöhe von 3 Metern erreichten wir ohne
Probleme nach nur wenigen Tagen die erste Forschungsstation. Während
des Transits stoppte FS Polarstern immer wieder für solche Stationen
auf. Dann bleibt der Eisbrecher mitten im "Nichts" für 10 bis 16
Stunden auf offener See stehen und wissenschaftliche Gerätschaften
werden ins Wasser gelassen. Nur ein einziges Mal hat uns ein
Sturmtief gezwungen, die Forschungsarbeit früher zu beenden. Am
Dienstag, den 12. Dezember 2023 fand eine rapide Zyklogenese knapp
südöstlich von Südafrika statt. Innerhalb von etwa 40 Stunden fiel
der Druck im Zentrum des neu entstandenen Tiefs über 60 hPa.
Gleichzeitig verlagerte sich das Sturmtief dabei mit 50 Knoten
südostwärts, sodass FS Polarstern am Donnerstag, den 14. Dezember
2023 in dessen Einflussbereich geriet. Da wir aber bereits frühzeitig
den Kurs gewechselt hatten, waren wir bereits in einem Bereich, indem
die Forschungsarbeiten trotz Sturm weitergeführt werden konnten.
Rückseitig des Tiefs weitete sich erneut ein Hochdruckkeil südwärts
aus, was vorübergehend für schwachwindige und teils sonnige
Wetterbedingungen sorgte.

Am 17. Dezember 2023 erreichten wir dann die Gewässer vor der
Australischen Antarktisstation Davis in der Prydz-Bucht. Von dort aus
wurde ein Team aus sechs Geologen auf das Festland ausgeflogen.
Während die Geologen drei Wochen in ihren Zelten auskommen mussten,
erforschte der Rest der Wissenschaft in der behaglichen Behausung des
Eisbrechers die Prydz Bucht. Das Wetter zeigte auch innerhalb der
nächsten Wochen in der Prydz-Bucht seine schöne Seite. Lokale Tiefs
entwickelten sich immer wieder über dem "warmen" Wasser der Bucht.
Dadurch formierte sich wiederkehrend dichte Bewölkung, die von
Nordosten in Richtung FS Polarstern strömte. Vor allem durch die sehr
trockene Antarktische Festlandsluft mit Taupunkten weit unter -10
Grad wurden die Wolkenfelder jedoch meist abgetrocknet und lösten
sich auf. Das Resultat war dann strahlender Sonnenschein. Dank des
Polartages hielt dieser teils auch ununterbrochen für 48 Stunden an.
Bei der Annäherung an die Schelfeiskante des Amery Eisschildes konnte
man zudem andere, für die Region typische Wetterphänomene beobachten.
Zum einen die katabatischen Winde, die als kalter, ablandiger
Fallwind von den Gletschern der Antarktis in Richtung Meer hin wehten
und manchmal als Verwirbelungen vom lockeren Schnee an der Eiskante
erkennbar waren.

Durch die guten Sichten in der sehr trockenen Luft, konnte man die
faszinierenden Eisstrukturen im vollen Umfang bestaunen. Die
Eiswelten zeigten sich, trotz eines Minimums in der Meereisbedeckung,
in all seinen Facetten. Besonders beeindruckend war das bläuliche
Leuchten, das aus dem Inneren der Eisberge durchschimmert. Am Amery
Eisschelf erinnerten Aushöhlungen, die an der Wasserkante
ausgewaschen wurden, an italienische Arkaden und luden zu Erkundungen
ein. Doch nicht nur die Süßwasser-Eis-Formationen lösten
Bewunderungen aus, sondern auch die verschiedenen Stufen der
Meereisbildung. Vom ersten Frazil-Eis, über Pfannkucheneis bis hin zu
Presseishügeln wurde alles gesichtet und bestaunt. Wir hatten auch
Glück, dass wir die gefrorene Landschaft nicht nur beobachten
durften. An zwei Tagen hielt FS Polarstern für kurze Zeit an einer
Eisscholle. Wer Zeit hatte, durfte dann seinen Fuß auf das gefrorene
Wasser setzen.

Anfang Januar wurden die Landgeologen mit dem Hubschrauber zurück auf
das Mutterschiff geholt. Wieder vollzählig fuhren wir weiter ostwärts
um das Shackleton Schelfeis herum bis hin zum Denman Gletscher. Auf
dieser Teilstrecke mussten wir das Wetter aufgrund seiner
Windrichtung rügen. Durch beständigen Nordostwind wurde sehr viel
Treibeis an das Shackleton Schelfeis hin verdriftet. Aufgrund der
hohen Eiskonzentration verlangsamte sich das Vorankommen etwas.
Nichtsdestotrotz hielten wir an der geplanten Route fest und wurden
nicht nur durch eine Vielzahl an erfolgreichen Forschungsstationen am
östlichen Rand des Denman Gletschers, sondern auch durch eine
wunderschöne Kulisse belohnt. Bei strahlendem Sonnenschein begrüßte
uns eine Orca-Schule die aus einer Eisbucht heraus und weiter am
Schiff vorbei schwamm.

Nach diesem bezaubernden Tag verabschiedeten wir uns aus dem Eis und
fuhren in Richtung Norden hinaus auf die offene See. Nach vier Wochen
im ruhigen Eis, musste man sich erst wieder an die schaukelige See
gewöhnen. Und schließlich warteten die berühmt, berüchtigten Furious
Fifties und Roaring Forties auf uns. Doch auch hier blieben die
Stürme aus und die Arbeiten an Bord konnten ohne meteorologische
Störungen weitergehen. Ein kleines Manko beim Transit von der
Antarktis bis nach Tasmanien stellte der fehlende Sonnenschein dar.
Der typische maritime Stratocumulus begleitete uns fast durchgehend.
Größere Wolkenlücken traten meist nur für wenige Stunden auf. Und es
wurde auch plötzlich wieder Nacht. Mit der Fahrt in niedrigere
Breiten konnten wir wieder Sonnenunter- und aufgänge beobachten. Da
wir aber gleichzeitig ostwärts fuhren, waren wir nun gezwungen auch
die Uhren an Bord allmählich den Zeitzonen anzupassen. Insgesamt
musste neun Mal die Uhr jeweils eine Stunde vorgestellt werden. Das
hieß, dass fast jeden zweiten Tag die Nacht um eine Stunde verkürzt
wurde.

Ende Januar kam dann endlich wieder Land in Sicht. FS Polarstern lief
in Hobart/Tasmanien ein. Zur Begrüßung wartete der australische
Forschungseisbrecher RV Nuyina im Hafen auf uns. Aktuell befindet
sich FS Polarstern wieder in der Antarktis auf dem dritten Teil des
Projektes EASI-3. Die aktuelle Position von FS Polarstern mit Infos
zu den Expeditionen findet man hier (Follow_Polarstern).


MSc Sonja Stöckle
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 16.03.2024

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