Thema des Tages

01-04-2024 12:50


Wissenschaft kompakt
DWD führt Kelvin-Temperaturskala in Wetterberichten ein

Zum 200. Geburtstag von William Thomson (Lord Kelvin) werden in der
Wettervorhersage weltweit für ein Jahr Temperaturen in der
Kelvin-Skala angegeben. Der DWD führt bereits in den kommenden Wochen
schrittweise diese Temperaturskala in den Wetterberichten ein.

In intensiven Absprachen mit zahlreichen nationalen Wetterdiensten
hat die ?World Meteorological Organisation? (WMO) beschlossen,
William Thomson, 1. Baron Kelvin (kurz: Lord Kelvin) eine Ehre zu
erweisen. Dazu sollen zu seinem 200. Geburtstag am 26. Juni 2024
weltweit für ein Jahr die Temperaturvorhersagen in der von ihm
eingeführten Kelvin-Skala angegeben werden. Da diese Temperaturskala
einige Vorteile mit sich bringt, wird in Erwägung gezogen, diese auch
über das Gedenkjahr hinaus beizubehalten und als neue offizielle
Temperatureinheit einzuführen. Um den Bundesbürgern diese Umstellung
zu erleichtern, führt der DWD in einem Parallelbetrieb bereits in den
kommenden Wochen die Kelvin-Skala ein.

Der britische Physiker Lord Kelvin (geb. 26. Juni 1824, gest. 17.
Dezember 1907) war ein britischer Physiker auf den Gebieten der
Elektrizitätslehre und der Thermodynamik. Aufgrund seiner
vielfältigen wissenschaftlichen Leistungen war Thomson zeitweilig
einer der bekanntesten und einflussreichsten Wissenschaftler Europas,
was ihm die Erhebung in den Adelsstand und die Peerswürde einbrachte.
Bekannt wurde er durch die später nach ihm benannte thermodynamische
Temperaturskala, die er im Alter von 24 Jahren einführte.

Bei der Kelvin-Skala (kurz: K) handelt es sich neben der in Europa
gängigen ?Grad-Celsius-Skala? (°C) und der in den USA und
Großbritannien geläufigen ?Grad-Fahrenheit-Skala? (°F) also um eine
weitere Temperatureinheit, die bisher hauptsächlich in der
Wissenschaft genutzt wurde. Kelvin ist die seit 1968 gesetzlich
festgelegte SI-Einheit der Temperatur. Dabei beschreibt 0 K den
absoluten Nullpunkt, der bei -273,15 °C liegt. Dies ist die tiefst
mögliche Temperatur, die nur theoretisch erreicht und nicht
unterschritten werden kann. Die Differenz zwischen zwei
Temperaturwerten ist bei der Kelvin- und Celsius-Skala gleich groß.
Daher handelt es sich in Regionen, die die Celsius-Skala nutzen,
lediglich um eine Verschiebung der Temperaturwerte um 273,15 K. So
entsprechen 0 °C = 273,15 K; 1 °C = 274,15 K; 10 °C = 283,15 K usw.
Bei der Fahrenheit-Skala ist die Umrechnung etwas komplizierter.

Die weltweite Umstellung zur Einheit Kelvin bringt einige Vorteile
mit sich. Allen voran steht natürlich die Vereinheitlichung der
Temperaturskalen. Da sowohl bei der Celsius- als auch bei der
Fahrenheit-Skala bei der Beschreibung von Temperaturen
umgangssprachlich häufig lediglich von ?Grad? die Rede ist, kam es in
der Vergangenheit immer wieder zu Verwechslungen. Zudem ist ein
großer Nachteil der Celsius-Skala, dass bei dieser 0 bzw. 100 °C
durch den Gefrier- bzw. Siedepunkt von Wasser bei einem Druck von
1013,25 hPa definiert ist. Diese Fixpunkte sind also abhängig vom
Druck und dem chemischen Element. Bei abweichenden Luftdrücken (z.B.
in höhergelegenen Regionen) sowie bei anderen Lebensmitteln (z.B.
Milch) besteht dann kein Zusammenhang mehr zwischen deren Siede- bzw.
Gefrierpunkten und der Celsius-Skala. Kelvin ist hingegen unabhängig
vom Luftdruck und chemischen Elementen und dadurch eindeutig
definiert.

Um Ihnen genügend Zeit zu geben, sich an die neue Temperaturskala zu
gewöhnen, stellt der DWD bereits jetzt sukzessive die Wetterberichte
in einem Parallelbetrieb um und gibt beide Temperaturen an. Der
heutige Wetterbericht würde also wie folgt lauten:

?Heute zunächst in der Westhälfte Regen. Im Nordosten und Südosten
anfangs noch trocken. Im Tagesverlauf bei starker Bewölkung auch dort
zeitweise etwas Regen oder Schauer. Tageshöchstwerte 283 bis 287 K
(10 bis 14 °C), im Osten und Südosten nochmals 288 bis 293 K (15 bis
20 °C). Im Norden schwacher bis mäßiger Wind aus Ost, im Süden und
der Mitte dagegen zeitweise stürmische Böen aus Südwest.

In der Nacht zum Dienstag im Nordwesten und Norden anfangs Regen,
nordostwärts abziehend. Sonst wechselnd bewölkt und gebietsweise
Schauer. Abkühlung auf 282 bis 277 K (9 bis 4 °C). Vor allem im
Nordosten und Osten noch starke bis stürmische Böen.?

Auch in den Wetterberichten in Funk und Fernsehen sowie in
Printmedien wird in den kommenden Wochen diese Umstellung erfolgen.
Ab dem 26. Juni wird dann nur noch die Einheit Kelvin in den
Berichten des DWD verwendet. Diese ist dann vorläufig für ein Jahr
gültig. In dieser Testphase wird evaluiert, ob sich die neue
Temperaturskala bewährt. Im kommenden Jahr wird schließlich Bilanz
gezogen und von der WMO entschieden, wie nach dem 26.06.2025 weiter
verfahren wird. Die Entscheidung hängt hauptsächlich vom Feedback der
Bevölkerung ab, aber auch politische Entwicklungen wie beispielsweise
das Ergebnis der Präsidentenwahl in den USA könnten eine Rolle
spielen.

Bis dahin werden im Handel noch weitgehend Thermometer mit den bisher
gängigen Skalen verkauft. Die WMO steht aber bereits seit längerer
Zeit in engem Kontakt mit der Industrie. Die Produktion von
Thermometern mit der Kelvin-Skala soll aber erst in Serie gehen,
falls die Beibehaltung der neuen Skala beschlossen werden sollte. Die
großen Autokonzerne haben aber bereits signalisiert, dass bei neueren
Autos mit Bordcomputern lediglich ein kleines Software-Update bei der
jährlichen Inspektion in den Vertrags-Werkstätten nötig sein wird, um
die Temperaturanzeige im Auto auf die neue Einheit umzustellen.
Einige Firmen von Elektroherden haben ebenfalls Interesse gezeigt,
für bestehende Modelle Drehknöpfe mit der neuen Skala anzubieten, die
leicht austauschbar sind. Allerdings gibt es aktuell auch noch einige
Probleme, für die bisher keine Lösung gefunden werden konnte. Als
Beispiel sind die zahlreichen Temperaturanzeigen zu nennen, z.B. an
den Hausfassaden von Apotheken, die meist nur eine zweistellige
Temperaturanzeige besitzen und somit nicht ohne Weiteres auf die
Kelvin-Skala umgestellt werden können. Die WMO und die Industrie sind
aber zuversichtlich, diese Probleme nach und nach lösen zu können.

Der DWD erhofft sich viele positive Impulse durch die Kelvin-Skala
und würde sich über ein reges Feedback von Ihnen freuen, welches Sie
z.B. an tdt@dwd.de richten können.


Dr. rer. Nat. Markus Übel
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 01.04.2024

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