Thema des Tages

16-11-2016 14:40

Eine kalte Nase

In diesen Tagen ist es wieder vermehrt zu beobachten: Egal ob daheim,
auf der Arbeit, in den öffentlichen Verkehrsmitteln oder beim
Einkaufen -zahlreiche Personen schnauben in ihr Taschentuch oder
husten, bis sie kaum noch Luft zum Atmen bekommen. Häufig gewinnt man
den Eindruck, je kürzer und kälter die Tage im Herbst werden, desto
mehr erkälteten Menschen läuft man über den Weg. Doch ist dem
wirklich so?

Nun, in der Tat sind wir statistisch gesehen im Winterhalbjahr
häufiger krank als im Sommerhalbjahr. Das Infektionsrisiko steigt
dabei signifikant an, sobald die Außentemperaturen dauerhaft unter
die 10 Grad-Marke sinken. Im Schnitt erwischt eine Erkältung einen
Erwachsenen in Deutschland dreimal im Jahr mit der größten Häufigkeit
im Januar. (Ich für meinen Teil habe die Dritte kürzlich überwunden,
womit der Rest des Jahres nun hoffentlich gesund verläuft.). Bei mehr
als 200 bekannten Viren, die eine Erkältung auslösen können,
übernimmt ein sich langsam wieder stärkendes Immunsystem den
Heilungsprozess. Anders als die Einnahme von Antibiotika beim Befall
von Bakterien helfen Arzneimittel bei viralen Infekten in der Regel
lediglich dabei, die Symptome zu lindern. Und damit wären wir auch
schon beim "Casus Knacksus" nicht die Kälte oder Nässe verursachen
die Erkältung, sondern die Viren. Also lässt sich generell gar kein
Zusammenhang zum Wetter finden? Naja, ganz so einfach ist es dann
leider doch nicht.

Eine kalte Umgebung, in Kombination mit unangepasster Kleidung, kühlt
-angefangen bei den Extremitäten - den Körper aus. Die einsetzende
Gegenwehr zum Schutz vor weiteren Wärmeverlusten führt nun zu
verengten Blutgefäßen, beispielsweise auch die der Schleimhäute in
der Nase. Die Folge ist eine schlechtere Durchblutung, womit das
Immunsystem geschwächt wird. Wer leicht friert, empfindet Kälte
zusätzlich als körperlichen Stress, wodurch die Schwächung des
Immunsystems noch verstärkt wird. Haben die Viren erstmal die
Oberhand gewonnen, ist es ein Leichtes für sie, sich im Körper und
auch in der Umgebung auszubreiten. Beheizte, vor allem trockene und
schlecht gelüftete Räume sind hier ein idealer Nährboden. Selbst
gesunde Menschen haben dann dermaßen ausgetrocknete Schleimhäute,
dass sie anfälliger für eine Viruserkrankung sind.

Nun wird der ein oder andere von Ihnen denken: Normalerweise müssten
es Viren in kalter Umgebung doch schwerer haben, zu überleben,
schließlich bevorzugen sie doch allgemein feucht-warme Bedingungen.
Die für die meisten Erkältungen verantwortlichen Rhinoviren umgeben
sich bei kaltem Wetter mit einem Gel, das sie vor äußeren Einflüssen
schützt. Bei etwa 15 Grad beginnt dieser Überzug zu schmelzen, womit
die Viren austrocknen und absterben. Daher ist im Frühjahr häufig das
Ende der Grippewellen erreicht. Im menschlichen Träger (Wirt)
angelangt, streift es die Schutzhülle ab und infiziert eine Zelle.
Gemein, oder?

Tatsächlich kommen in den polaren Gebieten jedoch so gut wie keine
Erreger vor, es sei denn, sie werden durch den Menschen "importiert".
Dort fehlen einfach die Menschenansammlungen samt beheizter, schlecht
gelüfteter Räumlichkeiten. Überlieferungen zufolge gab es in den
60er und 70er Jahren in Argentinien und Chile gezielte Programme, bei
denen Schwangere auf die Antarktische Halbinsel transportiert wurden,
um auf dem politisch neutralen Kontinent ihre Kinder zu gebären.
Dadurch erhoffte man sich dort eigene Gebietsansprüche stellen zu
können. Das Ergebnis war letztendlich, dass die Säuglinge nie
lernten, in der keimfreien Umgebung ein intaktes Immunsystem
aufzubauen und kamen dann bei ihrer Rückkehr nach Südamerika bei der
ersten Infizierung mit Erregern alle ums Leben. Letztlich konnte das
aber nie zweifelsfrei bewiesen werden.

Und wie schaut es mit der Nässe aus? Regendurchnässte Kleidung oder
auch nasse Haare begünstigen natürlich ein zusätzliches Auskühlen des
Körpers, wobei wir wieder beim Einfluss der Kälte und der dadurch
bedingten Schwächung des Immunsystems sind. Die Feuchtigkeit in der
Luft ist aber hilfreich, da die Erreger durch den Wasserdampf weniger
gut verteilt werden können und die Schleimhäute nicht so leicht
austrocknen. Insofern sind wir bei trockener Kälte sogar anfälliger
für eine Erkältung als beim nass-kalten "Schmuddelwetter",
vorausgesetzt unser Körper bleibt dabei auch trocken und warm.

Da passt es doch ganz gut, dass die Ausläufer des Tiefs "Laura"
aktuell die restliche vorhandene Kaltluft auch aus dem Südosten
Deutschlands vertreibt. Damit setzen sich am morgigen Donnerstag
nahezu deutschlandweit zweistellige Tageshöchstwerte durch und auch
Nachtfröste sind vorerst kein Thema mehr. Bei gleichzeitigem
Feuchtigkeitsnachschub von oben sind die Bedingungen hinsichtlich
eines Erkältungsrisikos gegenüber den Vortagen also deutlich
gemindert.

Zum Abschluss noch eine interessante Zahl. Mit teilweise 160 km/h
schießt die mit Erregern gespickte Luft bei einem kräftigen Niesen
aus der Nase. Zum Vergleich: Das entspricht durchaus den
Geschwindigkeiten der Spitzenböen einer veritablen Orkanlage, zum
Beispiel auf dem Brocken.

Dipl.-Met. Robert Hausen
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 16.11.2016