Thema des Tages

11-04-2024 14:20

Wissenschaft kompakt
Neue Intensitätsklassifikation für Tornados: Die Internationale
Fujita Skala (IF)


Wir stellen die neue allgemeingültige Skala für die Tornadointensität
vor, die Wissenschaftler in Europa in den vergangenen Jahren
entwickelt haben und die nun auch beim Deutschen Wetterdienst
Anwendung findet.

Tornados gehören zu den gefährlichsten und schadensträchtigsten
Wetterereignissen weltweit. Da es sich um verhältnismäßig
kleinräumige Phänomene handelt, gestaltet sich die direkte Messung
der Windgeschwindigkeiten innerhalb des Tornados aber sehr schwierig.
Selbst "indirekte" Messungen mit Hilfe von Fernerkundungsinstrumenten
wie dem Wetterradar oder die Abschätzung durch die photogrammetrische
Analyse von Bildern und Videos des Tornados unterliegen mitunter
Ungenauigkeiten. So bleibt am Ende meist nur die Abschätzung der
Windgeschwindigkeiten anhand von Schadensbildern.

Eine solche schadensbasierte Intensitätsskala wurde bereits 1971 vom
amerikanisch-japanischen Meteorologen Ted Fujita entwickelt. Die
Fujita-Skala (F) enthielt ursprünglich 12 Stufen von F1 bis F12,
wobei jeder Stufe ein exakt definierter Windgeschwindigkeitsbereich
zugewiesen wurde. Die Windgeschwindigkeiten wurden im zweiten Schritt
mit groben Schadensausmaßen qualitativ verknüpft, um die
Tornadointensität zu bestimmen. Die Schadensindikatoren waren aber
noch sehr generell und ohne wissenschaftliche Basis. Mit der
Einführung der "Erweiterten Fujita Skala" (EF) wurde in den
Vereinigten Staaten im Jahre 2007 eine neue Intensitätsskala
präsentiert, die zwar auf der ursprünglichen F-Skala basierte, aber
deutlich spezifischere Schadensindikatoren und eine wissenschaftlich
fundiertere Assoziation zwischen Windgeschwindigkeiten und Schäden
beinhaltete.

Die Schadensindikatoren selbst basieren allerdings auf der typisch
nordamerikanischen Leichtbauweise und sind deswegen nicht 1:1 auf
andere Orte der Welt übertragbar. So gibt es weltweit eine Vielzahl
an mehr oder weniger stark modifizierten Intensitätsskalen wie die
Kanadische EF-Skala, die japanische EF-Skala oder die TORRO-Skala,
die in Großbritannien entwickelt und von TorDACH (dem
Kompetenzzentraum für lokale Unwetter in Deutschland, Österreich und
der Schweiz) für Mitteleuropa angepasst wurde.

Wissenschaftler des ESSL (European Severe Storms Laboratory) und
diverser Wetterdienste kamen in mehreren Workshops seit 2014
zusammen, um eine möglichst allgemeingültige Tornadoklassifikation zu
entwickeln, die weltweit ohne weitere Anpassung angewendet werden
kann: Die Internationale Fujita Skala (IF). Sie basiert auf den
ersten 5 Stufen der ursprünglichen F-Skala, allerdings werden den
Stufen keine fest abgegrenzten Windgeschwindigkeits-Intervalle
zugeordnet, sondern nur Richtwerte. Zudem soll es sich bei den
Windgeschwindigkeiten nicht mehr um Mittelwerte des horizontalen
Windes in 10 Metern Höhe handeln, sondern um instantane
3-dimensionale Windgeschwindigkeiten auf Schadenshöhe, sodass auch
Radardaten und photogrammetrische Analysen herangezogen werden
können. Damit möchte man den real auftretenden maximalen
Windgeschwindigkeiten näherkommen. Um eine feinere Unterscheidung
vornehmen zu können, werden zwischen Stufe IF0 und IF3, wo sich die
große Mehrheit der Ereignisse einsortieren dürfte, Halbstufen
eingeführt (siehe Abbildung 1).

Die wichtigste Errungenschaft der neuen IF-Skala ist allerdings die
deutliche Erweiterung der Liste der Schadensindikatoren (Hausdächer,
Fahrzeuge, Bäume, Windmessung, ...) und die Berücksichtigung von
unterschiedlicher Bauweise, Struktur oder Widerstandsfähigkeit des
Schadensindikators bzw. der Art der Messung. Abbildung 2 zeigt die
vollständige Liste der Schadensindikatoren (Damage Indicators). Aus
der Kombination aus Schadensindikator, Bauweise (Subclasses) und
Schadensausmaß (Degrees of Damage) lässt sich mit einer Matrix
jeweils eine IF-Stufe ableiten. Der Tornado erhält schließlich die
aus dieser Ableitung hervorgehende höchste IF-Stufe, basierend auf
dem schlimmsten Schaden bzw. der höchsten Windgeschwindigkeit, die er
produzierte. Selbstverständlich können auch andere, nicht-tornadische
Windereignisse auf diese Weise klassifiziert werden.

Die Ergebnisse der Analysen werden auf der European Severe Weather
Database (ESWD) veröffentlicht, inklusive der IF-Klasse und des dafür
entscheidenden Schadensindikators.

Tiefergehendes Material zum Thema "Internationale Fujita Skala" und
Beispiele erhalten Sie auf der Seite des ESSL (siehe Link unter
diesem Text).


Dipl.-Met. Adrian Leyser
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 11.04.2024

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