Thema des Tages

14-04-2024 08:50

Wissenschaft kompakt
Historisch niedrige Eisausdehnung auf den Großen Seen


Auf den Großen Seen in den USA gab es im vergangenen Winter so wenig
Eis wie nie zuvor. Informationen dazu, unter anderem auch, ob das
Wetterphänomen El Niño darauf Einfluss hatte, erhalten Sie im
heutigen Thema des Tages.


Seit 1973 wird die Eisausdehnung auf den Großen Seen an der Grenze
zwischen Kanada und den USA per Satellit gemessen. Durchschnittlich
frieren 53 Prozent der Fläche der Großen Seen im Winter zu. Das
Maximum der Eisausdehnung wird üblicherweise Ende Februar bis Anfang
März erreicht. Mitte Februar lag die Eisausdehnung auf allen fünf
Seen allerdings bei gerade mal 2,7 Prozent und abgesehen von einem
kurzen Peak zum Ende des Monats stieg die durchschnittliche
Ausdehnung auch nicht mehr nachhaltig an (siehe Abb. 1). Auf dem
Eriesee gab es zu diesem Zeitpunkt sogar so gut wie gar kein Eis.
Eine solch geringe Ausdehnung wurde seit Beginn der
Satellitenmessungen noch nie registriert.

Den Grundstein für die Bildung von Eis auf den Großen Seen legen die
Wetterlagen zu Beginn eines jeden Winters im Dezember. Die ersten
Vorstöße arktischer Luftmassen nach Süden sorgen für eine nachhaltige
Abkühlung des Wassers. Der Eisbildungsprozess beginnt in geschützten
Buchten und entlang der Küstenlinien und setzt sich dann bei
entsprechend kalter Witterung über den Winter fort. Bleiben die
Kaltluftvorstöße in den frühen Wintermonaten aus, wird die Zeit
knapp, bis zum Ende der Saison eine signifikant große Eisausdehnung
zu erreichen. Bereits in den vergangenen Jahren wurden immer häufiger
Dezember mit viel zu hohen Temperaturen beobachtet. Dieses Jahr lagen
die Temperaturen im gesamten Winter signifikant über dem
Durchschnitt. In der Abbildung zeigt sich eindrücklich, dass sich bis
in den Januar hinein kaum Eis auf den Großen Seen gebildet hatte.
Erst Mitte Januar stieß arktische Kaltluft bis in die Mitte der
Vereinigten Staaten vor. Als nachhaltig konnte dieser Wintereinbruch
jedoch nicht bezeichnet werden, was sich direkt in der zurückgehenden
Eisausdehnung zeigte.

Insgesamt ist in den vergangenen 50 Jahren die Eisausdehnung auf den
Großen Seen pro Dekade um etwa 5 Prozent zurückgegangen, im gesamten
Zeitraum also um etwa 25 Prozent. Zudem ist die Periode mit Eis auf
den Gewässern im Mittel fast einen Monat kürzer als noch in den 70er
Jahren. Im zurückliegenden Winter 2023/2024 stand das Wetterphänomen
El Niño im Verdacht, entfernt Einfluss auf die Eisausdehnung auf den
Großen Seen zu haben. El Niño ist zwar ein Phänomen, das sich im
äquatorialen Pazifik abspielt, die Fernwirkung ist jedoch beachtlich.
Letztlich wird vermutet, dass nicht allein der El Niño die geringe
Eisausdehnung verursacht hat. Auch Veränderungen anderer globaler
Meeresströmungen wirken sich auf die Großwetterlagen über Nordamerika
aus, welche wiederum die Klimatologie der Großen Seen beeinflussen.
Im Grunde zeigen sich die steigenden Temperaturen in Verbindung mit
der bis in den Herbst hinein andauernden Speicherung der sommerlichen
Wärme in den Seen verantwortlich. In einem Artikel des
Umweltforschungslabors der Großen Seen der NOAA (National Oceanic and
Atmospheric Administration) wird der Klimawandel zwar nicht explizit
erwähnt, dennoch wird darauf hingewiesen, dass der letzte starke El
Niño die extrem geringe Eisausdehnung voraussichtlich "nur"
verschlimmert hat. Sowohl die ohnehin über die vergangenen Jahrzehnte
gestiegenen Temperaturen - also häufiger werdenden milden Winter -
als auch kürzere Perioden mit nach Süden vorstoßenden arktischen
Luftmassen sind hauptverantwortlich für die geringe Eisausdehnung.
Ähnlich wie in Europa ist in großen Teilen der kontinentalen USA in
den Wintermonaten ein Erwärmungstrend zu beobachten. Rund um die
Großen Seen (Bundesstaaten Iowa, Michigan, Minnesota, North Dakota,
South Dakota and Wisconsin) ist der Trend jedoch am dramatischsten.


Dipl.-Met. Julia Tuschy
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 14.04.2024

Copyright (c) Deutscher Wetterdienst