DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

19-04-2024 17:30
SXEU31 DWAV 191800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 19.04.2024 um 18 UTC


SCHLAGZEILE:
Andauer der unbeständigen und unterkühlten Troglage mit winterlichen Zügen über
das Wochenende hinaus.

Synoptische Entwicklung bis Sonntag 06 UTC
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Aktuell ... liegt Deutschland weiterhin unter einem umfangreichen LW-Trog, der
sich vom Nordpolarmeer bis hinunter in den Mittelmeerraum erstreckt. Flankiert
wird der Trog von nicht minder umfangreichen, mit wuchtigen Amplituden
ausgestatteten Höhenrücken, die dem gesamten Strömungsmuster eine hohe
Stationarität verleihen. Es sind die kleinen aber feinen Randtröge, die immer
wieder in die Rückseite des Haupttroges stoßen, diesen dabei regenerieren und
gleichzeitig für die "Aufreger" im Wetterablauf verantwortlich zeichnen. Aktuell
ist ein solcher Randtrog dabei, Deutschland süd-südostwärts zu passieren,
wodurch sich der Haupttrog etwas nach Westen ausdehnt. Das korrespondierende
Bodentief ANNINA hat heute Abend mit etwas unter 1000 hPa den Nordosten des
Landes erreicht, während die zugehörige, weitgehend okkludierte Kaltfront
inzwischen den Süden okkupiert hat. Das Tief verabschiedet sich in Kürze nach
Polen, bleibt aber insofern noch präsent, als dass der zugehörige, nach Westen
exponierte Bodentrog im Laufe der Nacht von Nord nach Süd über uns
hinwegschenkt. Rückseitig gelangt mit nord-nordwestlicher Strömung auf direktem
Wege ein weiterer Schwall maritimer Polarluft (mP) in den Vorhersageraum, in der
T850 bis zum Morgen auf -4°C im Süden und Westen bis -8°C im äußersten Nordosten
zurückgeht.

Durch zumindest teilweise Überströmung der norwegischen Gebirge trocknet die
Luftmasse im Norden mehr und mehr ab, was die Schauerneigung dämpft und die
Wolkendecke gebietsweise auflockern lässt. Vornehmlich im
schleswig-holsteinischen Binnenland kühlt die Luft bis in den leichten
Frostbereich ab. Am Boden (5 cm) kann´s lokal bis nahe -5°C runtergehen.
Ansonsten beschränkt sich Luftfrost im Wesentlichen auf das Bergland oberhalb
etwa 500 bis 600 m.

Während es also im Norden gebietsweise trocken bleibt, kommt es ansonsten
verbreitet zu schauerartigen, im Laufe der Nacht aber kaum noch gewittrigen
Niederschlägen, die auch im Süden die dort anfangs noch auftretenden skaligen
Regen- und Schneefälle ablösen. Die Schneefallgrenze sinkt von Norden her auf
600 bis 400 m, bei entsprechender Schauerintensität sogar noch etwas tiefer.
Oberhalb 600 bis 800 m können bis zum Morgen 1 bis 5, im Stau von Erzgebirge,
Bayerischer Wald, Schwarzwald und Alpen 5 bis 15, in exponierten Staulagen des
Allgäus bis zu 25 cm Neuschnee zusammenkommen. Nicht nur durch den Neuschnee
kann es allgemein im Bergland zu Behinderungen auf den Straßen kommen, auch
"nur" Schneematsch oder gefrierende Nässe können Glätte verursachen.

Abschließend noch der Wind, der noch in den Abendstunden von wenigen Ausnahmen
abgesehen rasch nachlässt. So wird ein regional begrenztes Windmaximum mit Böen
7 Bft (Bergland vereinzelt 8 Bft) mit dem Bodentrog von Norddeutschland in die
östliche Mitte verfrachtet, was warntechnisch aber schwer in den Griff zu
bekommen ist. Etwas länger hält der auf Nord bis Nordost drehende Wind auch an
den Küsten durch, wo er bis Mitternacht oder etwas danach mit Böen 7-8 Bft
aufwartet, bevor er sich auch dort in den Erholungsmodus begibt. Ansonsten sind
es nur noch die Hochlagen, die auffällig sind mit Böen 8-9 Bft, anfangs
vereinzelt 10 Bft (Alpen), Tendenz bis zum Morgen allmählich abschwächend.

Samstag ... verbringen wir am westlichen Rand des Höhentrogs unter einer
vorübergehend glatt konturierten nördlichen Höhenströmung. Gestützt durch die
hochreichende Antizyklone QUADARIUS mit Zentrum über UK/Irland und Keil bis zum
Nordmeer setzt sich die weitere Zufuhr hochreichend kalter und labil
geschichteter Polarluft fort (um 12 UTC T850 -3 bis -8°C, T500 -28 bis -33°C).
Mit Unterstützung des Tagesgangs werden auch morgen wieder zahlreiche Schauer,
im Westen und Süden sowie in Teilen der Mitte auch kurze Graupelgewitter
generiert. Aufgrund ihres unorganisierten Auftretens sowie limitierter
Höhenwinde werden die Gewitter neben Graupel allenfalls von Böen 7 Bft
begleitet. Auch sonst macht der Nord-Nordwestwind morgen keine großen
Schlagzeilen. Auf den Bergen noch ein bisschen was und am Nachmittag vielleicht
mal ´ne 7 oder schwache 8 Bft auf den Ostfriesischen Inseln, mehr nicht. Die
Schneefallgrenze steigt wieder an auf 600 bis 900 m. Meist akkumulieren sich die
Neuschneehöhen im höheren Bergland auf wenige Zentimeter, teils reicht es gar
nur für temporären Schneematsch. Einzig im Hochschwarzwald sind Mengen um 5 cm,
im Stau der Alpen um 10 cm innert 12 h drin.

Abgesehen von Leelagen der Mittelgebirge lässt sich im Osten und Nordosten ein
klares Schauerminimum erkennen, was der trockeneren Luft durch Überströmen der
skandinavischen Gebirge geschuldet ist. An der Ostsee sowie in Teilen
Vorpommerns darf man sich sogar auf längeren Sonnenschein freuen. Mit landesweit
6 bis 11°C (im Bergland darunter) bleiben wir thermisch weiterhin
unterbelichtet.

In der Nacht zum Sonntag schwenkt bereits der nächste KW-Trog von der Nordsee
und Südskandinavien zu uns rein. Druckfall lässt am Boden ein kleines Tief
entstehen, das mit etwas unter 1020 hPa im Kern (so viel bringen manche
Zwischenhochs nicht auf die Waage) von Norden über die Mitte südostwärts zieht.
Gemeinsam wird reichlich Hebung induziert und da die Temperatur in allen
Höhenniveaus etwas zurückgeht, sinkt auch die Schneefallgrenze wieder ab. Es ist
davon auszugehen, dass sie 400 m teilweise unterschreitet und bei entsprechender
Intensität sogar das 200 m-Niveau anpeilt. Zwar ist noch nicht aller Tage Abend,
welche Zugbahn das Tief genau einschlägt. Die derzeit vorliegenden
Niederschlagsprognosen deuten aber an, dass von Ostwestfalen und Südniedersachen
bis nach Hessen und Westthüringen hinein gebietsweise 5 bis 10, lokal sogar um
oder etwas über 15 l/m² Niederschlag innert weniger Stunden fallen können. Heißt
im Umkehrschluss, dass bis in mittlere Lagen durchaus 5 bis 10, in exponierten
Staulagen gar 15 cm Neuschnee runterkommen können, was formell hart an einer
Unwetterwarnung kratzt. Mal sehen, was in den numerischen Folgeprognosen davon
übrigbleibt. Am Alpenrand stehen weitere 5 bis 10 cm Neuschnee auf dem Zettel,
während sonst die Raten meist unter 5 cm liegen.

Darüber hinaus gilt es zu konstatieren, dass die Luft nach Osten und Nordosten
hin weiterhin ziemlich trocken ist, so dass es dort nicht nur weitgehend
niederschlagsfrei bleibt, sondern zudem größere Wolkenlücken oder gar klarer
Himmel das Nachtgeschehen bestimmen. So schön ein Blick auf den kalten
Sternenhimmel auch sein mag, für die Vegetation sind das keine guten
Nachrichten. Luftfrost zwischen 0 und -5°C, in höheren Tallagen auch darunter,
dazu Frost in Bodennähe bis zu -7 oder -8°C sind Temperaturen, die in der
letzten Aprildekade eigentlich keiner mehr gebrauchen kann. Im wolkigen bis
stark bewölkten Rest des Landes beschränkt sich Frost im Wesentlichen auf das
Bergland.

Der anfänglich an der ostfriesischen Küste recht ruppige Nordwind (Böen 7 Bft,
auf den Inseln vereinzelt 8 Bft) schwächt sich hinter dem Tief mit Drehung auf
Nordost noch vor Mitternacht wieder ab.

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Synoptische Entwicklung bis Montag 06 UTC

Sonntag ... Der 12-UTC-Lauf von ICON folgt von wenigen Marginalien abgesehen dem
Kurs seiner jüngsten Vorgänger. Da auch die Modellunterschiede gering sind, sei
an dieser Stelle auf die heutige Frühübersicht verwiesen, deren Aussagen
weiterhin Gültigkeit besitzen.


Modellvergleich und -einschätzung
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Die Modelle simulieren die beschriebene Entwicklung sehr ähnlich. In Bezug auf
den Schneefall wurde sich an bzw. in den Alpen für eine durchlaufende Warnung
entschieden (heute Mittag bis Sonntagabend 20 bis 40, im Stau lokal bis 60 cm),
während die Mittelgebirge etappenweise abgearbeitet werden. Gespannt dürfen wir
auf das 1020iger-Tief in der Nacht zum Sonntag sein, das ohne Zweifel
"Überraschungspotenzial" besitzt und sich für einige Mittelgebirge als echter
Schneebringer entpuppen könnte.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann